Gelsenkirchen. Sportmediziner Helge Riepenhof kennt Leon Goretzkas Verletzung als Teamarzt des AS Rom. Die Stresssituation könne jederzeit wieder auftreten.
Schalkes Mittelfeld-Star Leon Goretzka arbeitet nach seiner knöchernen Stressreaktion im rechten Unterschenkel behutsam hinter verschlossenen Türen in der Reha und beschränkt sich dabei auf Übungen, die das verletzte rechte Bein entlasten.
„Ruhe ist im Moment der einzige Weg“, sagt Schalkes Direktor Sport Axel Schuster. Goretzka postete auf Instagram jüngst ein Bild, wie er auf einem Gummiball Übungen absolviert, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren. Zudem fährt er etwas Fahrrad. Mehr geht derzeit nicht beim Nationalspieler.
Schalke hatte in der vergangenen Saison acht Langzeit-Ausfälle
„Was Schalke gemacht hat, war genau richtig: nämlich den Spieler aus der Belastung herauszunehmen, nachdem er Schmerzen verspürt hat“, sagt der renommierte Hamburger Sportmediziner Helge Riepenhof. Er warnt Fußball-Bundesligist Schalke 04 allerdings: „Wenn die Ursache nicht gefunden wird, kann die Stressreaktion jederzeit erneut auftreten.“
Der Chefarzt des berufsgenossenschaftlichen Klinikums Hamburg kennt sich mit solchen Fällen aus. Riepenhof ist seit drei Jahren Teamarzt des italienischen Spitzenklubs AS Rom und hat auch den inzwischen zum FC Chelsea gewechselten Nationalspieler Antonio Rüdiger am Kreuzband operiert. Für Riepenhof ist die Verletzung, die sich Goretzka bei Schalke eingehandelt hat, durchaus gängig. „Solche Sachen hat man ständig – nicht nur beim AS Rom, sondern auch bei anderen Vereinen. Gerade bei schnellen Fußballern, die viele Start- und Stopp-Bewegungen sowie Richtungsänderungen machen, kann so etwas auftreten. Es handelt sich bei Goretzkas Verletzung um eine klassische Ermüdungserscheinung.“
Was sich bei einem 22 Jahre alten Profi, der mit seinem Verein in dieser Saison nicht in der Euro League oder gar Champions League vertreten ist, erst einmal verwunderlich anhört. Riepenhof dazu: „Wir haben in einer Studie über die besten europäischen Ligen herausgefunden, dass die These – viele Spiele gleich hohe Anzahl an Ausfällen – nicht stimmt.“
Riepenhof schlüsselt auf: „Der FC Barcelona hatte zum Beispiel im Vorjahr in den 24 von uns untersuchten Spielen bis zur Winterpause durchschnittlich zweieinhalb Spieler nicht dabei. Bei Borussia Dortmund waren es im gleichen Zeitraum fünf verletzte Profis. Und beim italienischen Erstligisten SSC Neapel lag die Anzahl unter zwei Verletzten.“
In der vergangenen Saison erwischte es Schalke besonders hart. Es gab über die komplette Serie verteilt acht Langzeit-Ausfälle. Diesmal hoffen die Verantwortlichen auf ein Jahr ohne große Rückschläge. Umso wichtiger, dass sich Goretzkas Stressreaktion nicht verschlimmert. Die nächste Stufe wäre ein Ermüdungsbruch.
Schalke hat die Blutwerte überprüfen lassen
„Damit“, sagt Helge Riepenhof, „würde der Spieler bis zu acht Wochen ausfallen. Wichtig ist, dass die Verletzung jetzt ganz ausheilt. Eine solche Stressreaktion im Unterschenkel kann mitunter ganz banale Ursachen haben: eine fehlende Schuheinlage oder ein eingewachsener Zehennagel.“
Schalke hat seinen Star komplett durchchecken und auch die Blutwerte genau überprüfen lassen. „Wir lassen in der kommenden Woche neue Bilder von Leons Bein anfertigen. Sollte er die Freigabe von unseren Ärzten bekommen, wird es anschließend auch weitere Kontrollen geben“, sagt Axel Schuster. Nicht nur der Direktor Sport weiß: Ein zu frühes Einsteigen Goretzkas könnte fatale Folgen für den Saisonverlauf haben.