Gelsenkirchen. . Die STV Horst-Emscher machte Schalke in Gelsenkirchen Konkurrenz. Willi Groppe stand auf dem Platz - und erlebte später den dramatischen Absturz.

Für einen kurzen Moment flackert das Leuchten in den Augen von Willi Groppe auf, als er die lange Treppe am Eingang des Fürstenbergstadions in Gelsenkirchen-Horst erklommen hat. So als wäre er wieder der kleine Junge, der seine Helden von der STV Horst-Emscher gemeinsam mit 30 000 anderen nach vorne schreit. Oder als wäre er wieder der Fußballer, der selbst für die Emscherhusaren auf dem Platz um jeden Zentimeter kämpft.

Und würden in dem Stadion nicht nur noch die Insekten Laola-Welle fliegen, weil die alten Tribünen längst von eigentlich ganz unschuldig aussehenden Gänseblümchen, Sträuchern, kleinen Bäumen und Wildblumen erobert wurden, würde der Tagtraum wohl länger anhalten. So aber meint Groppe schon nach kurzer Zeit: „Früher standen hier überall Menschen, jetzt ist alles so runtergekommen.“

Den Schalke-Aufkleber, der sich an der ramponierten Auswechselbank versteckt und die ehemalige Spielstätte der STV als Königsblau markiert, hat er da noch gar nicht entdeckt. Besser so.

Geschuftet wurde in der Zeche, erholt wurde sich im Stadion

Mit „früher“ meint der heute 78-Jährige die Nachkriegszeit, als Horster eine Fahrt ins benachbarten Oberhausen noch mit den Worten ablehnten: „Ich mache doch keine Weltreise.“ Geschuftet wurde damals in der Zeche Nordstern. Erholt wurde sich im Fürstenbergstadion, in dem die so geadelten Emscherhusaren der STV durch die erstklassige Oberliga West stürmten. So erfolgreich, dass sie zeitweise vor dem Stadtrivalen FC Schalke 04 standen. Zeitweise.

Denn die STV Horst-Emscher ist wohl das krasseste Beispiel für das Schicksal so vieler traditioneller Fußballklubs im Revier, die im großen Schatten des S04 und von Borussia Dortmund langsam verblühten. Westfalia Herne etwa. Die Sportfreunde Katernberg. Oder der SV Sodingen. Und viele mehr.

Das Karussell des Niedergangs ratterte in der Regel folgendermaßen: weniger Erfolg – macht weniger Sponsoren, macht weniger Einnahmen, macht weniger sportliche Qualität, Und so weiter. Das Besondere an der STV: Sie verblühte nicht nur, vor zehn Jahren wurde der Verein komplett aufgelöst.

„Wenn das mein Vater sehen würde“, meint Groppe. Dann? „Mein Vater wäre traurig.“

Der Lohn war höher als 100 D-Mark, das Bier kostete 35 Pfennig

Den letzten Glanzpunkt erlebten die Horster vor 50 Jahren mit dem Gewinn der deutschen Amateurmeisterschaft. Dann ratterte das Karussell los. Die Rückkehr in die Regionalliga (1972): klappte nicht. Die Fusion mit dem Lokalrivalen Eintracht Gelsenkirchen (1973): brachte nichts. Die Ausgliederung der Fußballabteilung (1999): zu spät. Dann folgte die Auflösung des Vereins.

Willi Groppe und sein Vater brüllten die Emscherhusaren in der erfolgreichen Zeit noch gemeinsam auf der Tribüne nach vorne. In der letzten erstklassigen Spielzeit 1958/59 kämpfte sich der Fußballer Willi sogar in den Kader. Gegen den BVB und den S04 stand er auf dem Rasen, bearbeitete das Mittelfeld. Die schwarz-gelbe Legende Alfred Preißler meinte damals zu ihm, er solle nicht so reingehen. Machte Groppe natürlich trotzdem.

„Es war eine schöne Zeit“, erzählt er. Viele Horster arbeiteten in der ansässigen Zeche Nordstern, auch einige Spieler konnten mit der Aussicht auf einen Arbeitsplatz unter Tage angelockt werden. Dazu kassierten die Fußballer vom Verein meistens über 100 D-Mark. Für Groppe ein guter Lohn, schließlich habe das Bier damals nur 35 Pfennig gekostet, wenn „wir mit den Fans in der Kneipe nebenan geschickert haben“.

Die neue Generation wird in Horst nur schwerlich Idole finden

Während Groppe das alles erzählt, schlendert er über den ramponierten Rasen im Fürstenbergstadion, beschreibt die Heldentaten von Alfred Kelbassa, Bernhard Klodt und Heinz Zielinski („was die hier veranstaltet haben“). Er spricht aber auch über einen gewissen Olaf Thon, der als Jugendspieler immer in der Ecke des Stadions mit seinem Opa Zusatzschichten eingeschoben hat, bevor ihn seine große Karriere zum FC Schalke und später zum FC Bayern führte.

„Früher hat man gesagt: Wer Horster ist, der ist kein Schalker“, erklärt Groppe und weiß selbst, dass dieser Spruch der Vergangenheit angehört. Die neue Generation aus Horst wird im Fürstenbergstadion nur schwerlich neue Idole finden, wenn hier nur noch eine Kreisliga-B-Mannschaft über den Platz stolpert. Trotzdem hält Groppe an der alten Abneigung fest: „Schalke mag ich nicht. Heutzutage bin ich für Borussia Dortmund.“

Als er das Stadion wieder verlässt, die Augen von den alten Geschichten nicht mehr funkeln, hat Groppe den Schalker-Aufkleber an der Auswechselbank noch immer nicht entdeckt. Besser so.