Gelsenkirchen. Benedikt Höwedes ist nicht mehr Schalke-Kapitän. Sein Nachfolger: Ralf Fährmann. Die Entscheidung von Trainer Domenico Tedesco ist mutig. Ein Kommentar.
Es ist zweifellos eine mutige Entscheidung von Trainer Domenico Tedesco, ohne Not Benedikt Höwedes als Kapitän des FC Schalke abzusetzen. Die Sachlage kann man aus zwei Richtungen betrachten: als Symbolpolitik oder als Signalwirkung.
Symbolpolitik wäre es, wenn der junge Trainer zeigen müsste, dass er sogar vor dem großen Namen eines Weltmeisters nicht zurückschreckt, um Stärke zu demonstrieren. Signalwirkung, wenn er nach innen wie nach außen zeigen will: Auf Schalke brechen neue Zeiten an.
Tedescos Vorgänger hatten nicht genug Mumm
Wahr ist: Auch Tedescos Vorgänger haben mit dem Gedanken gespielt, Benedikt Höwedes die Kapitänsbinde auf Schalke wegzunehmen. Keiner von ihnen hatte den Mumm — Tedesco schon. Er legt größten Wert darauf: Es war seine Entscheidung. Und von keinem anderen.
Seine Begründung klingt komplett plausibel.
Höwedes hat in der vergangenen Saison keine Abwehrarbeit gezeigt, die ihn als Leistungsträger herausgehoben hätte. Schlimmer noch: In der Umkleidekabine war wenig Selbstkritisches von ihm zu hören, so dass seine Stellung in der Mannschaft durchaus hinterfragt wurde.
Im Verein gilt Höwedes als Sozialminister: als einer, der sich um alles und jeden kümmert. Sein Traum aber ist es, 2018 zur Weltmeisterschaft nach Russland mitzufahren. Da muss Höwedes seine Konzentration allein auf Sportliches bündeln. Und nicht auf Nebenplätzen vergeuden.
Für Höwedes mag die Situation im Moment misslich aussehen. In der Vorbereitungszeit war er als Spielführer aufgetreten; jetzt erscheint der Kapitänswechsel kurz vor Saisonstart wie eine Degradierung. So sollte er nicht denken.
Höwedes bekam viele aufbauende Worte
Als die Mannschaft vor der Pressekonferenz am Samstagmittag informiert wurde, bekam Höwedes viele aufbauende Worte mit auf den Weg. Von der Führung wie von den Mitspielern. Das wird ihm guttun. Seine Leistung und Treue zu Schalke sind ja unumstritten.
Höwedes wird sich mit dem Gedanken anfreunden können, dass sein Nachfolger der richtige Mann ist. Torwart Ralf Fährmann hat schon in der Vergangenheit an seiner Seite Verantwortung übernommen und ist auf Schalke eine Identifikationsfigur.
Der beste Nachfolger wäre natürlich Leon Goretzka gewesen. Aber da ist Schalke vorsichtig geworden: Seit die Neymar-Millionen im Markt sind und sogar ein Jungstar im Nachbarsort 120 Millionen Euro wert sein soll, ist Goretzkas Zukunft auf Schalke unsicherer.
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Fährmann ist der richtige Mann
Tedesco braucht jedoch keinen Kapitän auf Abruf, sondern einen, auf den er seine Zukunft und die des Vereins bauen kann. Fährmann ist dafür der richtige Mann: Die Leute lieben ihn, sein Wort hat in der Mannschaft Gewicht, seine Leistung ist überdurchschnittlich. Vertrag: bis 2020.
Ein Risiko birgt die Kapitänsentscheidung, logisch. Stümpert Fährmann, wird ihm die Kapitänsbinde als zu große Last ausgelegt. Ändern wird man das nicht können. Immerhin weiß Tedesco: Höwedes ist ein zu feiner Kerl und wird nicht hintenrum grätschen.
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