Shanghai. . Schalkes Marketing-Vorstand Alexander Jobst will eine neue Euphorie erkannt haben. Und nennt seine Erwartungen an die Mannschaft.
- Alexander Jobst möchte sportlich, wirtschaftlich und emotional zu den Top-10 in Europa gehören
- Für Schalkes Marketing-Vorstand ist die Asienreise wichtig für die Entwicklung
- Die Königsblauen haben 2,8 Millionen Follower aus China in den sozialen Netzwerken
Das Foto mit Schalkes Marketing-Vorstand Alexander Jobst vor dem Hotel Kerry in Shanghai musste ausfallen. Nach wenigen Sekunden war die Linse der Kamera wegen der hohen Luftfeuchtigkeit beschlagen. Nicht benebelt, sondern mit klarem Blick redet Jobst im Gespräch mit dieser Redaktion über den Stellenwert der China-Tour: Warum sich der Traditionsklub kein zweites Jahr Mittelmaß erlauben darf und wo er das langfristige Ziel sieht.
Herr Jobst, warum tun Sie den Schalke-Profis so eine Reise an?
Alexander Jobst: Für uns stellt sich diese Frage gar nicht. Jeder Spieler, der bei Schalke 04 einen Vertrag unterschreibt, weiß, dass so etwas bei einem großen Verein mit dazu gehört und wichtig für die Entwicklung ist. Eine China-Reise kann man sicher nicht Mitte August kurz vor dem Bundesliga-Start machen. Aber jetzt durchaus. Mit Christian Heidel, Axel Schuster und dem Trainerteam haben wir die Reise bis ins kleinste Detail abgestimmt.
Wenn Sie selbst Spieler wären: Hätten Sie Lust auf Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, Reisestress und Zeitverschiebung?
Alexander Jobst: Ich sehe es so: Als Spieler ist es auch ein Erlebnis, so etwas mitzumachen. Man sammelt Eindrücke, die man so schnell nicht vergisst. Außerdem tragen diese intensiven Tage auch dazu bei, dass man näher zusammenrückt. Die Begrüßung der zahlreichen Fans am Flughafen hat viele beeindruckt. Mittelfeldspieler Johannes Geis hat mich vor der Landung gefragt, ob mit 30 bis 40 Leuten zu rechnen sei. Am Ende waren es über 400 Fans, die uns empfangen haben. Im Hotel war dann ein ähnlicher Empfang. Der Trainer Domenico Tedesco hat sofort gesagt: Es tut uns gut, so etwas zu erleben.
Was bringt Schalke die Reise? Lässt sich das in Zahlen ausdrücken?
Alexander Jobst: Wirtschaftlich betrachtet müssen wir die Internationalisierung langfristig sehen, eine Reise mit der Mannschaft ist dabei ein wichtiger Bestandteil unserer zahlreichen Maßnahmen. Wir sehen somit einen Zusammenhang, zum Beispiel haben große Sponsoren auch den Anspruch an Schalke 04 für solche Aktivitäten. Dieser Effekt zahlt sich in den Sponsoringerlösen aus. Isoliert gesehen wird uns die Reise einen siebenstelligen Betrag einbringen. Wenn Schalke 04 auch zukünftig als Verein unabhängig bleiben will und im Wettbewerb wirtschaftlich wachsen muss, ist China zweifelsohne ein wichtiger Markt für uns.
Wo steht Schalke 04 bei seinen China-Aktivitäten?
Alexander Jobst: Wir sind in China seit etwa drei Jahren aktiv. Wenn ich über den Tellerrand hinausblicke, dann sehen wir großes Potenzial in diesem Land, weil China staatlich enorm in die eigene Fußballentwicklung investiert und dabei Schalke 04 insbesondere durch seine erfolgreiche Nachwuchsförderung Interesse weckt. Das ist unsere Eintrittskarte in diesem Land. Uns freut das wachsende Faninteresse. Wir haben im Moment 2,8 Millionen Follower aus China in den sozialen Netzwerken. Wir versprechen uns, dass wir nach unserer Reise die Drei-Millionen-Grenze erreichen.
Wie viele Trikots setzen Sie pro Monat in China ab?
Alexander Jobst: Über unsere Kanäle setzen wir aktuell eine fünfstellige Fanartikelzahl ab. Natürlich wollen wir in diesem Bereich auch wachsen. Das ist ein langer Weg und hängt natürlich mit sportlichem Erfolg eng zusammen.
Sie arbeiten seit 2011 auf Schalke und kennen den Klub ohne europäischen Wettbewerb gar nicht.
Alexander Jobst: Stimmt. Es ist mein erstes Jahr, in dem wir weder Europa League noch Champions League spielen. Ich bin irgendwie auch Fan. Und ich muss ehrlich sagen, dass mich die vergangene Saison in einigen Spielen zur Weißglut getrieben hat.
Wie viele zehnte Plätze darf sich Schalke erlauben?
Alexander Jobst: Der Anspruch, den wir haben, ist: international zu spielen! Platz zehn sollte ein einmaliger Ausrutscher gewesen sein.
Ist Ihr Verein als Zehnter unattraktiv?
Alexander Jobst: Unsere Strahlkraft ist ungebrochen. Wir sind beispielsweise im Hospitality-Bereich mit insgesamt 81 Logen ausvermarktet. Nach der vergangenen Saison freut uns das sehr, und es zeigt: Die Leute haben wieder Lust auf Schalke und die neue Spielzeit.
Wo gehört Schalke Ihrer Meinung nach hin?
Alexander Jobst: Wir wollen langfristig sportlich, wirtschaftlich und emotional zu den Top-10 in Europa gehören. Im hartumkämpften Wettbewerb mit wirtschaftlich ungleichen Voraussetzungen der Klubs wollen und müssen wir dabei mutige und innovative Wege gehen.
Befinden Sie sich mit Trainer Domenico Tedesco auf einem mutigen Weg?
Alexander Jobst: Bei Domenico spiegeln sich die Begriffe mutig und innovativ wider. Die Gespräche mit ihm haben mich begeistert. Er strahlt pure Kompetenz aus, obwohl er erst 31 Jahre alt ist.
Was halten Sie von der 50+1-Regel, wonach Investoren keine Mehrheitsbeteiligung an Vereinen besitzen dürfen?
Ich bin für die Beibehaltung dieser Regel. Der Fußball ist nicht klassisch mit dem Investorengeschäft in der Wirtschaft zu vergleichen. Unsere Verantwortung für den Fußball ist weitreichender, denn der Sport muss den Fan im Fokus behalten, sonst verliert er seine Faszination. Klar ist doch: Der Investor will immer eine Rendite sehen. Das überträgt sich im Fußballgeschäft auf Ticketpreise, Werte des Vereins, Transfers und andere Dinge. In der Unabhängigkeit von Schalke 04 – die Stadion-, Vermarktungs- und Cateringrechte liegen alle bei uns – sehe ich auch zukünftig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Klubs.