Gelsenkirchen. Schalkes Marketing-Vorstand zieht ein positives Fazit nach dem Trainingslager in Florida. Der Verein will auf dem internationalen Markt Fuß fassen.

Herr Jobst, vor dem Trainingslager in Florida hatte Schalke etwa 90 Mitglieder mit Wohnsitz in den USA. Wann werden es mehr?

Alexander Jobst: Wir gehen in der Tat davon aus, dass die Zahl der Schalke-Mitglieder in den USA rasant steigen wird – und nicht nur die Anzahl der Mitglieder, sondern auch die der Fans. Allein bei unseren amerikanischen Social-Media-Aktivitäten haben wir in der Zeit, in der die Mannschaft in Florida präsent war, einen 50-prozentigen Anstieg festgestellt. Wir haben wirklich eine sehr positive Resonanz mitgenommen.

Was verspricht sich ein Verein wie Schalke davon, wenn er seine Aktivitäten nach Amerika ausweitet?

Jobst: Natürlich geht es darum, Schalke dort populär zu machen und langfristig wirtschaftlichen Erfolg daraus zu erzielen. Dazu muss man sich dort präsentieren. Ein Beispiel: Im September haben wir einen Onlineshop in Amerika eröffnet. Seitdem haben wir daraus einen knapp sechsstelligen Umsatz erzielen können. Das ist schon jetzt mehr, als in den drei Jahren zuvor über unseren normalen Onlineshop mit unseren Fans aus Amerika. Einer unserer nächsten Schritte wird sein, dass wir noch im Jahr 2016 eine Repräsentanz mit einer Partneragentur in Amerika aufbauen möchten.

Schalke bekommt eine ständige Vertretung in den USA?

Jobst: So ist es geplant. Wir werden damit der zweite deutsche Verein nach Bayern München sein, der eine Repräsentanz in den USA bekommt. Die Bayern sind mit einem Mitarbeiterstab in New York vertreten. Wir werden mit einer Agentur zusammenarbeiten und haben die Zeit in Florida dazu genutzt, um Gespräche mit möglichen Kandidaten zu führen und eine Ausschreibung zu starten. Der Ort, an dem wir uns niederlassen, ist aber noch nicht bestimmt. Das Gleiche haben wir für 2016 im Übrigen auch in China vor.

Während des Trainingslagers haben Sie auch die in Amerika lebenden Schalke-Mitglieder nach Orlando eingeladen. War das nur eine Geste als Zeichen, dass Sie auf die Mitglieder zugehen?

Jobst: Nein. Das war ein Workshop, bei dem wir erfahren haben, wie unsere US-Mitglieder Schalke 04 sehen und was sie sich zukünftig wünschen. Wir brauchen Multiplikatoren in diesem Land, um bekannter zu werden und unsere Werte zu vermitteln. Dabei hat uns der Eigenantrieb unserer Mitglieder überwältigt. Wir haben Hausaufgaben mit nach Hause genommen, an denen wir jetzt arbeiten werden.

Zum Beispiel?

Jobst: Das Schalke-Mitglied in den USA möchte den Schalker Kreisel nicht verspätet als Print-Version zugesandt zu bekommen, künftig kommt er digital zu den US-Mitgliedern. Das sind einfache Hebel, die wir zügig umsetzen können. Außerdem wünschen sich die Mitglieder, dass Schalke 04 öfter vor Ort in den USA ist – nicht nur mit der Profi-Mannschaft, sondern möglicherweise auch einmal mit der Fußballschule oder mit den Teams der Knappenschmiede.

Gespräche mit potenziellen Ausrüstern werden geführt 

Ein Ziel ist auch die Steigerung der Erlöse aus der TV-Vermarktung in den USA. Wie funktioniert das?

Jobst: Das geht nur über die Präsenz der großen Klubs, deswegen hat ja auch die Bundesliga unsere Reise unterstützt. Die großen Klubs sind die Zugpferde, um den deutschen Fußball in Amerika bekannter zu machen. Vereinfacht zusammengefasst: Wenn große Klubs vor Ort sind, wächst das Interesse auch für die Bundesliga, so dass in der zentralen TV-Auslandsvermarktung über die DFL zukünftig die Medienrechte attraktiver werden. Davon profitiert die gesamte Bundesliga und damit auch Schalke 04.

Andere Ligen sind der Bundesliga da weit voraus?

Jobst: Die großen englischen Klubs haben schon vor 15 Jahren damit begonnen, sich zu internationalisieren. Und auch ein Verein wie Real Madrid war bereits vor zehn bis 15 Jahren in Amerika oder in asiatischen Ländern. Ich kann mich gut an eine Reise von Real Madrid nach Thailand erinnern. Davon war die sportliche Leitung damals alles andere als begeistert. Aber dennoch haben ein Beckham, ein Zidane und ein Raúl dort gespielt und sind mit einem lachenden Gesicht in den Bus gestiegen, was dort für Begeisterung gesorgt hat. Wie es innerlich bei den Herrschaften aussah, mag ich gar nicht beurteilen. Aber man hat das professionell genommen, wie es sich für einen großen Verein gehört. Und heute zeigt sich, dass Real im asiatischen Markt enorm profitiert. Das ist der Grund, warum wir innerhalb des Aufsichtsrats und Vorstand einig sind, dass wir uns für diese Märkte öffnen müssen.

Schalkes US-Engagement ist also langfristig angelegt?

Jobst: Definitiv. Für die erfolgreiche Zukunftsentwicklung von Schalke 04 ist der Weg der Internationalisierung alternativlos. Wir werden spätestens in den nächsten drei bis fünf Jahren, wenn nicht früher, aus unseren Internationalisierungsmaßnahmen in Asien und USA wirtschaftliche Erfolge verzeichnen. Das Beispiel China zeigt es mit unseren Sponsoren Hisense und Huawei bereits. Auch mögliche Ausrüster, die es im amerikanischen Markt gibt, sehen es natürlich gerne, wenn wir uns in ihrem Heimatmarkt präsentieren.

Haben Sie diesbezüglich Gespräche in Florida geführt?

Jobst: Ohne ins Detail gehen zu wollen: Es laufen Gespräche mit potenziellen Ausrüstern. Wir orientieren uns für die Zeit nach 2018, wenn unsere Vereinbarung mit Adidas ausläuft. Da sind wir gut dabei.

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Die USA als Land der unbegrenzten Möglichkeiten – auch für Schalke?

Jobst: (schmunzelt): Nicht alles, was wir gesehen haben, hat mir gefallen. Als wir das Basketball-Spiel in Orlando besucht haben, habe ich mit Erschrecken festgestellt, wie der Fokus der Zuschauer vom eigentlichen Sport auf das Entertainment gewechselt ist: Es hat kaum jemanden in der Halle interessiert, ob die Heimmannschaft gewinnt oder verliert. Das finde ich ganz gefährlich für die Sportart, und da kann ich jeden Schalke-Fan beruhigen: Da haben wir nichts, aber auch gar nichts entdeckt, was wir mitnehmen können nach Deutschland. Wenn bei uns das Maskottchen auf dem Feld für mehr Begeisterung als die Spieler sorgen würde oder der Stadion-Sprecher die Fans auffordern müsste, doch mal in die Hände zu klatschen, dann könnten wir alle nach Hause gehen.

Schalke will nach Florida zurückkehren 

Trainer André Breitenreiter hat während der USA-Reise durchaus die eine oder andere organisatorische Schwäche angesprochen.

Jobst: Wir wissen sehr wohl, dass einige Dinge zu optimieren sind für die Zukunft. Natürlich kann ich den Trainer verstehen, wenn ihm die Fahrt vom Hotel zum Trainingsplatz mit 25 Minuten zu lange dauert. Das ist zu beheben, indem wir beim nächsten Mal die Auswahl von Trainingsgelände und Hotel separat vom Florida-Cup-Veranstalter treffen. Man muss allerdings berücksichtigen, dass der Fußball in den USA noch nicht den Stellenwert hat und auch Schalke 04 als Verein noch nicht so wahrgenommen und betreut wird, wie wir es aus Europa als selbstverständlich sehen. Wenn wir in Europa ein Hotel beziehen, ist das Fitnesscenter dort meist exklusiv für den FC Schalke 04 reserviert – in Florida mussten wir uns zeitlich mit einem Versicherungsunternehmen absprechen, das das Fitnesscenter ebenfalls nutzen wollte. In ein paar Jahren haben wir in den USA einen so hohen Stellenwert, dass es selbstverständlich ist, dass wir unsere Exklusivität bekommen und in Ruhe trainieren können.

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Also wird die Mannschaft wieder nach Amerika gehen?

Jobst: Wir werden das jetzt genau analysieren und dann eine Entscheidung treffen, was in den nächsten Jahren ansteht. Aber wir werden nicht das letzte Mal in den USA gewesen sein. Das Wintertrainingslager war auch in Florida klar fokussiert auf die sportliche Vorbereitung, das ist auch gut so. Es war eine Gesamtentscheidung innerhalb des Vorstands, nach vier Jahren Katar in andere Gefilde aufzubrechen, die Entscheidung war auch ausdrücklicher Wunsch aus sportlicher Sicht. Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen einer reinen Marketing-Reise und einem Trainingslager mit dem Fokus auf dem Sport. Und da spüre ich das volle Verständnis unseres Trainers.

Inwiefern?

Jobst: André Breitenreiter weiß, wie in unserer Vereinsstruktur wirtschaftliches Wachstum erfolgen kann. Als wir uns kennengelernt haben und über erfolgreiche Vermarktung gesprochen haben, war das Zusammenspiel zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg ein ganz wichtiger Aspekt: Beides erfolgt im Verbund, nicht nachgelagert. Wenn Marketing-Erfolge nach sportlichem Erfolg kommen, würde Schalke in dieser Saison mit einigen Sponsoren weniger dastehen. Wir arbeiten in der Vermarktung größtenteils mit langfristigen Verträgen, die kurzfristigen sportlichen Misserfolg kompensieren. Umgekehrt ist sportlicher Erfolg absoluter Treiber zur erfolgreichen Vermarktung.

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Wo findet das nächste Winter-Trainingslager statt?

Jobst: Die Entscheidung für das nächste Jahr werden wir ganz in Ruhe in den nächsten Monaten treffen. Aber ob wir jetzt der achte Bundesliga-Verein in Belek sein sollen, bei zehn Grad und prasselndem Regen, möchte ich mal als Frage im Raum stehen lassen. Unter Belek verstehe ich nicht Internationalisierung. Wir waren nicht zum letzten Mal in Florida, sonst würden unsere Aktivitäten verpuffen. Es muss nachhaltig sein. Ob es genau im nächsten Jahr ist, oder in zwei Jahren wieder, werden wir sehen.