Gelsenkirchen. . Der Cheftrainer der Schalker U19 erklärt, warum ihm die Arbeit als Ausbilder auch nach 18 Jahren noch Spaß macht, dass er konkrete Angebote aus der Bundesliga schon abgelehnt hat und wie er sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Cheftrainer André Breitenreiter vorstellt.
Am Mittwoch geht es für Norbert Elgert und seine Schalker U19 ins Trainingslager nach Billerbeck. Mit einer neuen Mannschaft – und ohne die Spieler, die in den Seniorenbereich aufgerückt sind. Der WAZ gibt Norbert Elgert sein erstes Interview in der neuen Saison. Dabei erklärt der 58 Jahre alte Fußballlehrer, warum ihm die Arbeit als Ausbilder auch nach 18 Jahren noch Spaß macht, dass er konkrete Angebote aus der Bundesliga schon abgelehnt hat und wie er sich die Zusammenarbeit mit André Breitenreiter vorstellt.
Die vergangene Saison, an deren Ende die Deutsche Meisterschaft stand, war eine sehr kräftezehrende. Haben Sie die Sommerpause gut genutzt?
Norbert Elgert: Ja, es war gut, mal wieder einen längeren Urlaub zu haben und sich vollständig zu erholen. Aber die Zeit rast.
Haben Sie sich eigentlich das Endspiel, den Sieg gegen die TSG Hoffenheim, im Urlaub noch einmal angeschaut?
Elgert: Das hätte ich machen können. Aber dann würde ich mich in der Vergangenheit bewegen. Der Rest des Lebens ist Zukunft. Wir haben die Deutsche Meisterschaft schon sehr ausgiebig gefeiert. Wenn man das nicht tut, verpasst man auch vieles. Wenn man viele Entbehrungen hat, auf viel verzichtet und etwas Tolles schafft, dann muss das auch gebührend gefeiert werden. Aber nach ein paar Wochen ist es an der Zeit, umzuschalten.
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Sie sind seit 18 Jahren Trainer auf Schalke. Drei Meistertitel und zwei Pokalsiege haben Sie geholt. Viele, viele Spieler haben den Sprung in die Bundesliga geschafft. Wie schaffen Sie es, sich vor jeder Saison neu zu motivieren?
Elgert: Meine Motivation ziehe ich ja nicht aus Titeln, oder aus den Spielern, die wir nach oben gebracht haben. Meine Motivation ziehe ich aus dem, was ich liebe. Ich bin mit Leib und Seele Trainer, aber auch Lehrer. Ich will meinen Spielern jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag ein noch besserer Coach sein, das ist meine Motivation. Wenn du dich von der Anerkennung anderer, oder von Titeln abhängig machst, hältst du das nicht lange durch.
In einer Umfrage der WAZ, wer Nachfolger von Roberto Di Matteo werden sollte, waren Sie ganz weit vorne. Warum sind Sie noch Trainer der U19?
Elgert: Weil mir das, was ich mache, immer noch mehr zusagt und ich in der Ausbildung meinen Sinn sehe. Ich habe zu Anfragen aus der Bundesliga schon ein, zwei Mal Nein gesagt. Dass ich noch kein Bundesligatrainer bin, liegt ausschließlich an mir.
Von den 22 Spielern auf dem neuen Mannschaftsfoto der Profis sind elf durch ihre Schule gegangen.
Elgert: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Ich sehe mich schon als Trainer mit Bundesligatrainer-Qualität – aber aktuell als Bundesliga-Trainer, der sich der Ausbildung verschrieben hat.
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Aber kategorisch ablehnen würden Sie den Cheftrainerposten in der Bundesliga nicht, oder?
Elgert: Da ich noch sehr lange Trainer sein werde, hier oder woanders, ist alles möglich. Aber ich plane es im Moment nicht, sonst wäre ich es längst. Alles ist gut, wie es ist. Ich bin mir sicher, dass Schalke einen hervorragenden neuen Trainer verpflichtet hat.
Wie stellen Sie sich Ihre Zusammenarbeit mit André Breitenreiter vor?
Elgert: Ich erwarte Unterstützung und Rückendeckung für meine Arbeit. Solange ich diese bekomme, bin ich hier der absolut Richtige für diese Aufgabe. Meine volle Unterstützung für den Cheftrainer war und ist selbstverständlich.
Mit Leroy Sané, Felix Platte, Maurice Multhaup und Thilo Kehrer haben vier Spieler aus Ihrer Meister-Mannschaft einen Profivertrag auf Schalke. Trauen Sie ihnen den Sprung in die Bundesliga zu?
Elgert: Ich traue vielen Spielern den Sprung zu. Aber die U19 ist noch eine völlig andere Welt. Das, was sie oben erwartet, können wir im Training nicht simulieren. Oben sind so viele erfahrene Spieler, so viele, die den Sprung schon geschafft haben. Die Jungs müssen bereit sein, sich über einen langen Zeitraum durchzubeißen. Bereit sein, auch mal Frust zu schieben und diesen dann in positive Energie umzuwandeln. Sie müssen Ausdauer haben und in der Lage sein, sich auch mal ein, zwei Jahre anzustellen.
Leroy Sané hat es ja direkt geschafft
Elgert: Nein, auch Leroy, von dem ich sehr viel halte, hat es noch längst nicht geschafft. Er hat eine gute athletische Veranlagung, eine hohe Geschwindigkeit und scheint auch in jungen Jahren schon in der Lage zu sein, unter Druck zu bestehen. Aber es geht doch jetzt erstmal richtig los für ihn. Er muss sich einem neuen Konkurrenzkampf stellen, den Anforderungen eines neuen Coaches. Es stellt sich die Frage, wie er damit umgeht, wenn er mal drei oder vier Spiele nicht bestreitet. Leroy kann den Sprung schaffen, auch die anderen können ihn schaffen. Aber es ist noch ein ganz weiter Weg.
Und wie sieht es mit ihren ehemaligen Mannschaftskapitän Thilo Kehrer aus, der seit Freitag beim Training der Profis unentschuldigt fehlt?
Elgert: Schalke setzt auf junge Spieler und ich würde mir wünschen, dass er hier bleibt. Diesen Rat würde ich ihm auch geben. Ich finde es aber nicht gut, dass der Junge jetzt medial so an die Wand gestellt wird. Moralisch fühle ich mich verpflichtet zu sagen, dass Thilo Kehrer ein anständiger Junge ist. Ich habe ihn zwei Jahre lang trainiert, er ist menschlich und charakterlich einwandfrei.
Hat Ihr ehemaliger Kapitän Benedikt Höwedes Sie denn um Rat gefragt, bevor er die Auslandsangebote für dieses Jahr zugunsten von Schalke abgelehnt hat?
Elgert: Nein, er hat mich nicht gefragt. Aber ich weiß, dass er sich gedanklich ernsthaft mit dem Ausland befasst hat. Es werden die Gespräche mit André Breitenreiter, Horst Heldt und Clemens Tönnies gewesen sein, die ihn überzeugt haben.
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Was war eigentlich Ihr größter Erfolg auf Schalke?
Elgert: Dass wir es alle gemeinsam in der Knappenschmiede geschafft haben, immer wieder die Erfolge der Vergangenheit zu bestätigen. Sei es, dass wir gemeinsam Spieler nach oben gebracht haben, oder auch, dass wir den einen oder anderen Titel gewonnen haben. Das zeigt mir, dass wir gemeinsam sehr viel richtig gemacht haben. Das ist aber eine noch größere Verpflichtung für alle, nicht stehenzubleiben und in Zukunft immer besser werden zu wollen, um weiter Spitze zu bleiben. Wir haben vieles richtig gemacht und müssen jetzt hellwach sein, damit wir weiterhin vieles richtig und noch besser machen. Denn Stillstand ist Rückschritt.
Wie ist Ihr Eindruck vom neuen Kader?
Elgert: Bislang sehr gut. Alle wissen, dass sie auch Konkurrenten sind. Jeder muss aber auch wissen, dass das Wir über dem Ich steht. Wenn ein Team nichts erreicht, wird jeder einzelne nichts erreichen. Es muss mit-, statt übereinander geredet werden. Die Altjahrgänge, die U17-Spieler, auch die externen Neuzugänge machen das schon gut. Sandro Fiore, der aus Freiburg kam, hatte erst Heimweh, aber schnell das Gefühl, richtig gehandelt zu haben. Die Team hat schon das gewisse Schalke-Gefühl, ein Wir-Gefühl entwickelt. Aber wir stehen am Anfang.
Geht der FC Schalke 04 als Favorit in die Saison?
Wenn man es davon ableitet, dass wir viermal hintereinander Westdeutscher Meister geworden sind, davon zweimal Deutscher Meister, dann bedeuten diese Erfolge nicht, dass wir automatisch wieder Favorit sind. Wir repräsentieren zwar jetzt den amtierenden Deutschen Meister, aber wir sind es nicht. Das kann ja gar nicht sein, wenn 14 Spieler die Mannschaft verlassen haben und 17 neue dazugekommen sind. Was hat die Mannschaft mit der Meister-Mannschaft zu tun? Vielleicht noch 30 oder 40 Prozent. Aber natürlich wollen wir unter die ersten Fünf.