Essen. Die Verantwortlichen und Spieler des FC Schalke 04 gehen nicht zimperlich mit dem im Oktober freigestellten Ex-Trainer Jens Keller um. Sie werfen Keller unter anderem zu lasches Training vor. Nach der 2:4-Pleite in Lissabon bemängelte Kapitän Benedikt Höwedes Kellers Trainingsarbeit.
Noch am 17. September twitterte Schalke-Kapitän Benedikt Höwedes ein indirektes Lob für seinen inzwischen ehemaligen Trainer Jens Keller. Nach dem 1:1 beim FC Chelsea schrieb Höwedes: "Mourinho vs. Keller 1:1." Ein klares Statement, denn in den Tagen davor stand Keller nach dem Bundesliga-Fehlstart wie so oft in seiner 22-monatigen Amtszeit in der Kritik. Nicht nur Höwedes verteidigte den Coach. "Ich spreche jetzt das Machtwort, dass wir über unseren Trainer nicht diskutieren oder ihn in Frage stellen", erklärte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies in der Sport-1-Talkshow "Doppelpass".
Nun ist Keller Vergangenheit, und für die Trennung gab es gute Gründe. Aber besonders loyal gehen einige Schalker nicht mit Keller um. Schon der Rauswurf lief unglücklich. Während Keller in der Sky-Sendung "Sky90" sein Konzept vorstellte, wie er die Krise bewältigen will, verhandelte Manager Horst Heldt in London mit Nachfolger Roberto Di Matteo. Heldt sagte später: "Was hätte das für einen Medienaufschlag gegeben, wenn Jens ohne triftigen Grund abgesagt hätte."
Di Matteo, Heldt und einige Spieler äußerten in den vergangenen Tagen weitere Vorwürfe - obwohl während Kellers Amtszeit alle Beteiligten versichert hatten, immer offen miteinander umgegangen zu sein.
Fünfmal einen Rückstand aufgeholt
Fünfmal einen Rückstand aufgeholt: Schalke - Bayern München 1:1 nach 0:1, Schalke - Frankfurt 2:2 nach 0:2, Chelsea - Schalke 1:1 nach 1:0, Schalke - Maribor 1:1 nach 0:1, Schalke - Sporting Lissabon 4:3 nach 0:1.
Zweimal eine Führung verspielt: Hannover 96 - Schalke 2:1 nach 0:1, Sporting Lissabon - Schalke 4:2 nach 0:1.
Fünf Tore zwischen der 75. und 90. Minute: Joel Matip zum 1:2 in Dresden (78.), Tranquillo Barnetta zum 3:0 in Bremen (89.), Klaas-Jan Huntelaar zum 1:2 in Hoffenheim (83.), Eric Maxim Choupo-Moting zum 4:3 gegen Lissabon (90.), Dennis Aogo zum 2:3 in Lissabon (88.).
Drei Gegentore zwischen der 75. und 90. Minute: Raffael zum 4:1 für Mönchengladbach (79.), Adrien Silva zum 3:3 für Lissabon (78.), Islam Slimani zum 4:2 für Lissabon (90.).
Der erste Vorwurf: Kellers Training war zu lasch - die Mannschaft ist nicht fit
Der erste Schalker, der die mangelhafte Fitness anmerkte, war der neue Trainer Roberto Di Matteo. In der Pressekonferenz vor dem Augsburg-Spiel sagte Di Matteo, als er auf die vielen konditionellen Übungen zu Beginn der Trainingswoche angesprochen wurde: "Ich glaube, da haben wir Verbesserungsmöglichkeiten." Manager Horst Heldt ergänzte nach dem 1:0-Erfolg gegen Augsburg: "Nach 60, 70 Minuten tun viele Spieler die Hände auf die Knie, da fehlt bei einigen die Power." Auf die Rückfrage, ob das nur daran liege, dass so viele Spieler lange verletzt waren oder ob die "Power" nicht antrainiert worden sei, antwortete Heldt: "Das ist eine Mischung." Innenverteidiger Kaan Ayhan sagte schnippisch: "Die Trainingseinheiten sind jetzt viel intensiver."
Nach der 2:4-Pleite bei Sporting Lissabon schließlich folgte Kapitän Benedikt Höwedes. Angesprochen auf das Zweikampfverhalten erklärte Höwedes: “Uns fehlt die körperliche Frische. Wir müssen da natürlich noch einiges aufholen, ganz klar. Da müssen wir alle durch.” Höwedes bemängelt Kellers Trainingsarbeit: “Ich glaube, wir hätten ein bisschen mehr machen können. Wir können nicht in jedem Spiel über 90 Minuten gehen. Besonders nicht in intensiven Phasen.” Kellers Athletik-Trainer Henrik Kuchno und Ruwen Faller gehören übrigens auch zu Di Matteos Stab.
Interessant ist die bisherige Saison-Statistik: Zwischen der 75. und 90. Minute kassierten die Schalker in 15 Spielen erst drei Gegentore, erzielten aber selbst fünf. Fünfmal eroberten sie nach einem Rückstand noch mindestens einen Punkt, nur zweimal verspielten sie eine Führung.
Der zweite Vorwurf: Keller führte zu wenig Einzelgespräche
Kaan Ayhan merkte nach knapp drei Trainingswochen unter Di Matteo an: „Mit mir persönlich hat der Trainer schon sehr viel gesprochen. Das war vorher nicht immer so. Er sagt mir, was schon gut ist und was ich noch verbessern muss.“ Chinedu Obasi, einer der Di-Matteo-Lieblinge, äußerte sich über die Unterschiede zwischen Di Matteo und Keller: "Ich spüre Vertrauen. Jetzt beginnt eine neue Phase in meiner Karriere." Der ehemalige Schalker Kyriakos Papadopoulos sagte nach seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen der Rheinischen Post: "Ich konnte nicht gut mit Jens Keller. Er wollte mich nicht. Vielleicht ist der neue Trainer besser für Schalke."
Der dritte Vorwurf: Keller konnte nicht mit Stars umgehen
Roberto Di Matteo hatte noch nicht einmal eine Trainingseinheit geleitet, da hob Heldt bei der ersten Pressekonferenz hervor: "Er weiß, wie man mit Stars umzugehen hat." Keller erreichte die Stars nach Heldts Meinung offenbar nicht mehr.
Schalkes Umgang mit Keller - immer ehrlich?
Die Kritik, betonten die Schalker, sei stets nur von außen herangetragen worden. Doch gingen sie selbst immer fair mit Keller um? "Wir haben einen Zeitpunkt abgesprochen mit Jens, dann besprechen wir eine Vertragsverlängerung", sagte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies im August. Nach Kellers Freistellung - nur fünf Wochen später - erklärte Tönnies: "Es zeichnete sich immer stärker ab, dass wir spätestens im Sommer 2015 hätten tätig werden müssen."