Und wieder muss Waldemar Wrobel die Erwartungen dämpfen. „Wir genießen die Situation, aber wir heben nicht ab.“ Auch nach dem verdienten 2:0-Erfolg über Siegen (wir berichteten) wird die Zahl der Fans steigen, die allmählich anfangen, vom Aufstieg träumen.

Doch soweit ist es lange noch nicht. Auch wenn RWE nun alleiniger Tabellenführer ist, weil der zuvor punktgleiche Verfolger Windeck ausgerechnet in Kleve mit dem 2:2 Federn gelassen hat. Und eines war gegen Siegen zu erkennen: RWE hat an Selbstbewusstsein zulegt, weil derzeit wirklich alles optimal läuft. Der Zufall führte gegen Siegen Regie und lieferte das beste Beispiel: Sekunden, nachdem der Stadionsprecher den neuen NRW-Liga-Rekord von 7387 Zuschauern verkündet hatte, fiel die Entscheidung durch das 2:0 von Avci (78.).

Siegens Trainer Andrzej Rudy war nach dem Abpfiff sichtlich bedient. „Das war ein enttäuschender Auftritt, das war zu viel wenig“, klagte er zerknirscht. Und er habe seinen Spielern eine Hausaufgabe für die zwei freien Tagen mitgegeben. Da solle jeder bitte schön mal aufschreiben, was er von seiner eigenen Leistung bisher halte.

Nun, leicht wird das nicht. Denn die Gäste aus Siegen, mit dem Schwung eines 5:1-Sieges über Herne angereist, enttäuschten auf ganzer Linie. Vor allem der ehrgeizige Emrah Uzun, der ehemalige Rot-Weiße, füllte während der 90 Minuten einen Rucksack voller an Frust.

Drei Szenen waren bezeichnend für den Gemütszustand des Stürmers, der in seinem zweiten Jahr in Siegen zum Kapitän befördert worden ist. Zum Ende der ersten Halbzeit stand er in Höhe der Mittellinie und ruderte mit den Armen, wollte seine Mitspieler aus der Lethargie wecken. Zu wenig passierte, Siegen war einfach harm- und hilflos.

Nach gut einer Stunde war immer noch nichts Gefährliches vor dem Essener Tor passiert. Uzun führte den Ball, lief und lief, und spielte nach viel Aufwand schließlich einen simplen, wirkungslosen Querpass. Seine Nebenleute agierten einfach zu statisch. Ja, und in der Nachspielzeit riss Uzuns Nervenkostüm schließlich. Die Partie war beim Stand von 2:0 entschieden, doch nach einem Frust-Foul sah Uzun Gelb-Rot. So trottete er von dannen in Richtung Außenlinie, wo ihn Wrobel, sein Ex-Trainer, kurz in die Arme schloss und tröstete. Er weiß offenbar auch, wie es läuft, wenn es mal nicht läuft.