Essen. Im großen Interview, Teil eins, spricht RWE-Sportdirektor Marcus Steegmann über sein erstes Jahr, das Thema Dabrowski und die Kaderplanung.
Fußball-Drittligist Rot Weiss Essen hat durch die Spielabsage in Saarbrücken momentan Zwangspause. Zeit für Marcus Steegmann, unserer Redaktion ein ausführliches Interview zu geben. Der RWE-Sportdirektor Profifußball äußert sich im ersten Teil über seinen Start bei RWE, über das Verhältnis von Trainer Christoph Dabrowski zu den Fans und über die finanzielle Ausgangslage für die kommende Saison.
Die Mannschaft macht Kurzurlaub zur Zeit, was macht denn nun der Sportdirektor in der Zeit - auch Urlaub?
Ich war am Samstag noch unterwegs zur Spielbeobachtung, in dieser Woche bin ich mal für drei, vier Tage raus - das war aber auch schon länger geplant.
Rot-Weiss Essen ärgert sich über Spielabsage in Saarbrücken
Handy aus, Laptop aus?
Nein, das natürlich nicht, ich bin natürlich erreichbar, wenn was ist. Grundsätzlich war die Saarbrücken-Absage für mich am Ende nicht komplett nachvollziehbar. Ich habe wenig bis kein Verständnis für die Entscheidung, weil es doch möglich sein muss, Ende März, Anfang April zwei Spiele innerhalb von vier Tagen entweder zu absolvieren oder ein Ausweichstadion zu besorgen. Also, wenn es um die Integrität des Wettbewerbs geht, einmal um die Dritte Liga, aber auch um die Zweite Liga, Stichwort: Kaiserslautern, die noch drei Tage vorher ein schweres Meisterschaftsspiel haben, ja, da muss man dann aufpassen, dass man nicht in den sportlichen Wettbewerb eingreift.
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Die Saarbrücker behaupten, sie hätten sich um einen Ausweichort bemüht, die beide abgelehnt wurden. Wie glaubwürdig ist das?
Es ist schwer, dass von hier aus zu bewerten. Grundsätzlich: Die Entscheidung, die da getroffen wurde, darf einfach so nicht fallen, da muss es andere Möglichkeiten geben, dass dieses Spiel eben stattfinden kann. Aber, damit ist das für uns, für mich aber auch abgehakt. Wir konzentrieren uns lieber auf diese Englische Woche, um dann in bestmöglicher Verfassung zu sein, um maximal viele Punkte in dieser Woche zu holen.
Bevor wir zur Aktualität kommen: Anfang April letzten Jahres hat Jörn Nowak aufgehört, Sie sind jetzt ein knappes Jahr in erster Reihe für Rot-Weiss Essen tätig. Wie fällt denn Ihr persönliches Fazit nach dieser Zeit aus?
Ein sehr turbulentes Jahr, es ist sehr viel passiert in dieser Zeit. Einmal natürlich innerhalb des Vereins, Stichwort Jahreshauptversammlung. Dann das kommunizierte Ausscheiden von Marcus Uhlig und Sascha Peljhan, angekündigter neuer Vorstandsvorsitzender Marc-Nicolai Pfeifer - das mal von Klubseite. Dann haben wir natürlich in der ersten Mannschaft im Sommer einen großen Umbruch gehabt mit insgesamt 18 Abgängen und neun Zugängen. Wir haben eine sehr junge Mannschaft aufgestellt - ich glaube, noch immer die jüngste Startelf der drei Profiligen - und haben versucht, eine Entwicklung voranzutreiben. Davon ist bis heute - toi, toi, toi, - vieles aufgegangen, was wir uns vorgestellt haben. Und nicht zuletzt konnten wir den Vertrag mit Christoph Dabrowski vor kurzem verlängern und sind mit dem Trainerteam auch dabei, die Weichen zu stellen. Insofern ist schon viel passiert in dieser Zeit
Schulterschluss zwischen RWE-Fans und Trainer ist gelungen
Was zwischen Teilen der Fans und dem Trainer nicht so ganz einfach war, oder?
Wir haben auch da einen Schulterschluss hinbekommen. Es war ja in der vergangenen Saison teilweise schwierig, wenn ich an Übergriffe denke, an den Busüberfall ganz am Anfang, bis hin zu der extremen Kritik an unserem Trainer. Auch das ist uns, glaub ich, gut gelungen, dass Mannschaft, Trainer und Fans wirklich eine Einheit sind in dieser Saison. Das fällt auch nicht vom Himmel, sondern, weil wir auch auf die Fans zugegangen sind, weil wir gesagt haben: das ist uns wichtig, dass es da einen Schulterschluss gibt. An dieser Stelle auch nochmal ein Riesenkompliment an unsere Fans, wie Sie uns unterstützen und nach vorne pushen- das gibt der Mannschaft extrem viel.
Thema Kommunikation mit den Fans, das war ja auch so ein Schwerpunktthema im Sommer, gerade nach dieser Dabrowski-Geschichte, oder?
Dabrowski galt ja als sehr unnahbar, als distanziert, dass wir gesagt haben: Okay, das ist vielleicht nach außen das Bild, intern sieht es aber ganz anders aus. Wir haben uns dann mit verschiedenen Fanvertretern getroffen. Mit Christoph Dabrowski, mit Christian Flüthmann und meiner Person. Ja, da musste Dabro dann auch mal offene Meinungen, harte Meinungen aushalten. Aber er hat auch mal Einblicke in sein Seelenleben gegeben, das hat geholfen. Wir waren auch bei der Fanverstaltung „15 Jahre rude Fans“ Das sind dann auch so Sachen, wo unsere Fans merken, das erzählen die nicht nur mal so, sondern die meinen es auch wirklich so.
Und wie ist die Rest-Erwartung bei den RWE-Verantwortlichen und den Fans bis zum Saisonende, ist die auch deckungsgleich?
Wir wollen gar nicht so weit schauen, bestenfalls sind es zehn Spiele inklusive möglicher Pokalspiele. Man hat auch schon gemerkt, dass wir auch schwere Wochen hatten, dass man sich das eine oder andere Ergebnis noch besser und erfolgreicher vorgestellt hätte. Grundsätzlich glaube ich, ist die Entwicklung absolut intakt. Wir wollen erst mal das nächste Spiel angehen und das bestmöglich gegen den MSV Duisburg: Riesenderby, ausverkauft, da ist ordentlich Druck drauf. Lasst uns den positiven Schwung vom Dortmund-Spiel mitnehmen und das Spiel siegreich gestalten.
Jetzt hat die Mannschaft gegen Dortmund zwar gezeigt, was sie kann, vorher gingen zu Beginn des Jahres einige Punkte verloren, auch durch verletzungsbedingte Ausfälle. Wie denkt man da so als Kaderplaner, hätte man da in der Winterpause gerne an der einen oder anderen Stellschraube gedreht und den Kader in der Breite verstärkt? Aber es war wohl nicht möglich, oder?
Ich habe es ein Stück weit abgehakt, aber klar ist auch, dass der klare Wunsch war, im Winter zumindest noch eine Verpflichtung zu machen. Das war in sehr begrenztem Maße nur möglich. Wir waren dann der Meinung, dass es für das Geld keine adäquate Verstärkung gab - oder der Markt es nicht hergegeben hat. Die Mannschaft ist trotzdem eine absolut homogene Einheit und spielt eine starke Saison. . Nach hinten zu gucken: was wäre wenn, ist dann immer schwierig.
Wenn Obuz geht, hat wohl jeder RWE-Fan Verständnis
Die Entscheidung soll aber nicht so einvernehmlich gefallen sein. Die sportlich Veranwortlichen sollen sich mit einem Spieler in der Winterpause schon einig gewesen sein, aber dann sei der Aufsichtsrat doch dazwischen gegrätscht und gesagt: Mit uns nicht, wir machen hier keine roten Zahlen. Ist das richtig?
Nein, es gab eine Freigabe bis zu einem bestimmten Betrag - und für diesen Betrag konnten wir uns am Ende nicht mit der Spielerseite einigen.
Jetzt ist man aktuell Sechster, spielt eine richtig gute Saison - und das macht ja auch was mit den Erwartungen im Umfeld bei den Fans. Dann ist es ja schwierig, für die kommende Saison Platz sechs bis acht vorzugeben, wie geht man damit um? Und wenn man die Frage weiterspinnt: Vielleicht erreicht man Platz fünf, Götze ist vielleicht nicht zu halten, Obuz muss zurück nach Köln, dann wird es schwierig, oder?
Vielleicht kommt das noch mit der Erwartungshaltung, momentan bin ich im Hier und Jetzt. Wir wollen eine bestmögliche Saison zu Ende spielen und alles rausholen, was möglich ist. Im Fußball sollte man nicht zu weit nach vorne gucken. Erwartungen? Das ist auch immer das Thema, wie man es kommuniziert, welche Möglichkeiten hat der Verein auch finanzieller Natur? Ich glaube, jeder Fan hat grundsätzlich schon das Verständnis, wenn ein Marvin Obuz vielleicht als Top-Scorer der Dritten Liga geht, dass das nicht einfach wird, so einen Spieler zu ersetzen. Natürlich arbeiten wir da dran und schauen, was der Markt hergibt und welche Möglichkeiten wir haben. Wenn wir uns im finanziellen Liga-Cluster von Platz neun bis 14 bewegen, dann ist das erst mal die Ausgangssituation.
Dann muss man schauen: Welche Mannschaften kommen aus der Zweiten Liga runter? Saarbrückens Etat wird vermutlich um einiges steigen nächste Saison, alleine über den DFB-Pokal. Und dann sind einfach noch finanziell sehr potente Vereine in der Liga da. Das alles kommt zusammen, und trotzdem ist es unser Ansatz, die Mannschaft weiter zu entwickeln. Dass das schwieriger ist, als wenn du auf Platz 14 oder 15 eine Saison abgeschlossen hast, ist auch klar. Wir planen erst mal mit dem Budget von dieser Saison, sollten wir in den DFB-Pokal einziehen, dann hat uns der Verein mitgeteilt, dass es auch für die erste Mannschaft eine Budget-Erhöhung geben wird, in welcher Höhe, wird man dann sehen.
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Der Pokal scheint noch wichtiger zu sein als er eh immer schon war. Musste man viel Überzeugungsarbeit leisten, um Ratingen zu bewegen, das Halbfinale in Essen austragen zu können? Was waren denn die Beweggründe auf der anderen Seite?
Ich glaube, es ging vor allem um Sicherheitsthemen, am Ende ist auch Ratingen damit geholfen, wenn sie eine größere Einnahme haben, mehr Zuschauer zulassen können und auch bei ihnen finanziell mehr hängen bleibt.
Mögliches Finale Rot-Weiss Essen gegen Rot-Weiß Oberhausen
Und ein mögliches Finale, wenn man mal weiterspinnt, gegen Rot-Weiß Oberhausen, gäbe es da ähnliche Überlegungen? Ich glaube, die Oberhausener wären turnusmäßig mit einem Finale dran.
Ich glaube, wir sollten uns erstmal auf das Halbfinale konzentrieren. Danach ist noch genug Zeit, über einen möglichen Austragungsort zu sprechen.
(Im zweiten Teil, der morgen folgt, gibt der RWE-Sportdirektor Einblicke in den Kader-Umbruch und zu einzelnen Personalfragen für die kommende Saison).