Essen. In einer Dokumentation der Sportschau wird Rot-Weiss Essen vorgeworfen, zu wenig gegen Rassismus zu tun. Der Regionalligist reagiert.

Wie groß ist das Problem mit rechtsradikalen Fans bei Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen? Eine Dokumentation der Sportschau warf diese Frage in der vergangenen Woche neu auf. In dem Beitrag „Neonazis bei Traditionsvereinen“ ging es um die drei Viertligisten RWE, SSV Ulm und Hessen Kassel. Insbesondere RWE kam dabei schlecht weg. Der Einfluss der „Steeler Jungs“ – eine rechtsextreme Gruppierung, die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird – sei auch im Stadion Essen spürbar. Die Vorwürfe, die die Dokumentation erhebt, sind teilweise massiv: So würde der Verein – auch aus Angst – die Konfrontation mit den Neonazis und Althooligans vermeiden wollen und offenbar die Personen im Stadion dulden.

RWE-Boss Uhlig: "Trifft auf 99 Prozent der RWE-Fans ausdrücklich nicht zu"

Gegen diesen Eindruck wehrt sich RWE-Vorstandsboss Marcus Uhlig im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich fand den Beitrag aus mehrerlei Hinsicht nicht gut. Es wurde in der Tat das Bild erzeugt, dass wir ein sehr großes Problem mit rechtsradikalen Fans haben. Probleme mit rechtsradikalen Fans möchte ich keinesfalls leugnen oder kleinreden, aber das Thema ist schon differenziert zu betrachten. Ja, es gibt sicherlich Fans mit rechtsaffiner, rechtsoffener oder meinetwegen auch rechtsradikaler Gesinnung – wie bei fast alle anderen von der Größe her vergleichbaren oder noch größeren Vereine aber auch. Ich glaube aber, dass das auf 99 Prozent der RWE-Fans ausdrücklich nicht zutrifft. Auch hat mich die zum Ausdruck gebrachte Wahrnehmung gestört, dass wir Angst haben bzw. uns mit dem Thema nicht auseinander setzen wollen. Das ist definitiv nicht der Fall. Aber wir müssen bei aller Verantwortung und bei allem Problembewusstsein auch realistisch bleiben, wir sind ein Fußballverein und können solche Probleme, die sicherlich gesamtgesellschaftlich zu betrachten sind, nicht alleine lösen.“

RWE-Vorstandsboss Marcus Uhlig wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe.
RWE-Vorstandsboss Marcus Uhlig wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe. © ffs | Vladimir Wegener

Verschiedene Aspekte seien dafür verantwortlich, warum es RWE bislang nicht ausreichend gelungen sei, die Problematik zu beheben. Als Viertligist hätte der Verein nicht die finanziellen Möglichkeiten wie es beispielsweise Erst- oder Zweitligisten haben, um wirklich zielführende Maßnahmen zu treffen. Die eigene Fan- und Umfeldszene sei allerdings größer als es bei diversen Zweitligisten der Fall ist. Uhlig versichert, dass der Verein sich im Bereich der eigenen Fanbetreuung wesentlich breiter aufstellen will. „Aber um die Probleme wirklich angehen zu können, ist eine ganz andere Form der Zusammenarbeit, Vernetzung und Unterstützung in der Stadt und mit diversen Behörden und Institutionen notwendig. Es ist immer leicht, mit dem Finger auf den Fußballverein zu zeigen, frei nach dem Motto: ‚Ihr habt problematische Fans, also löst das Problem auch gefälligst‘. Diese Sichtweise ist naiv, anmaßend, ungerecht und auch maximal falsch. So funktioniert das nicht.“ Zugleich räumt der 50-Jährige aber ein, dass RWE durchaus noch Nachholbedarf hat. „Wir haben bereits eine Menge in diesem Bereich getan. Und ja – das können wir festhalten und müssen es auch zugestehen – wir müssen noch mehr tun. Dafür müssen wir uns aber zunächst einmal in die Lage versetzen, das auch infrastrukturell, logistisch und auch personell schaffen zu können.“ Auch andere Vereine hätten die Probleme mit rechten Fans nur durch die Unterstützung staatlicher Behörden bekommen.

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Was bei anderen Vereinen bereits funktioniert, ist die Kontrolle am Stadion nach einschlägig bekannten Klamottenmarken aus der rechten Szene. Zwar seien diese auch bei RWE in der Hausordnung als „verboten“ definiert. An der Umsetzung dieser Vorgaben hapere es allerdings teilweise auch, wie Uhlig zugibt. „Hier haben wir sicherlich noch Optimierungsbedarf und werden das auch zeitnah angehen. Zur Wahrheit gehört aber auch hier: All das wird mit hohen Mehrkosten einhergehen, die man als Viertligist sicherlich nicht so einfach stemmt wie als Zweit- oder Erstligist.“

Rot-Weiss Essen: "Sind uns unserer Verantwortung bewusst"

Klar ist: RWE, so Uhlig, muss den Anspruch haben, so gut es geht dafür zu sorgen, dass im eigenen Stadion keine rechtsradikale Gesinnung ausgelebt und zur Schau gestellt werden kann. „Wir distanzieren uns in aller Form von solchen Dingen und da kann uns auch jeder beim Wort nehmen. Aber man darf nicht erwarten, dass der größte Fußballverein in Essen mal eben kurz 20 Sozialarbeiter und 200 Sicherheitsleute einstellt und alle Probleme damit im Handumdrehen löst. Das Ganze ist schon komplexer und die bisweilen offenkundig wahrzunehmenden Entwicklungen und Tendenzen in Teilen der gewaltaffinen Fanszene – ich könnte auch „Radikalisierung“ sagen – stimmen da eher skeptisch.“

Diese Entwicklung sei derweil ein gesamtgesellschaftliches Thema, weil sie deutschlandweit zu beobachten sei. „Ja – wir sind Rot-Weiss Essen. Wir spielen als größter Verein der Stadt sicherlich eine relevante Rolle in Essen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und der wollen wir auch nachkommen. Und wir haben angefangen, daran zu arbeiten, dass uns das zukünftig in diesem Bereich noch mehr, noch klarer, noch besser gelingt. Aber wir haben hier dicke Bretter zu bohren, das wird nicht von heute auf morgen funktionieren. Und wie gesagt: Wir alleine werden das Problem ohne Unterstützung nicht lösen können“, betont Uhlig.