Essen. Nach dem sensationellen Pokal-Erfolg gegen Bayer Leverkusen ist Essen im Ausnahmezustand. Das Spiel gegen den BVB II am Samstag ist fraglich.
Auch am Tag danach war Vereinslegende Willi Lippens noch euphorisch. „Die Freude ist riesengroß, besonders für meine Enkel“, erklärte das Idol nach dem Pokal-Coup seines Herzensklubs Rot-Weiss Essen gegen den haushohen Favoriten Bayer Leverkusen. Denn als Fans des Regionalligisten hätten sie in der Vergangenheit eher selten etwas zu lachen gehabt. „Jetzt werden sie von den Blauen oder den Schwarz-Gelben nicht mehr gehänselt“, sagt der 75 Jahre alte „Ente“.
Es war ein Pokalabend, den alle, die es mit RWE halten, nicht so schnell vergessen werden. Über 120 Minuten kämpften die Essener leidenschaftlich, hielten dem Druck des Bundesligisten Stand und drehten gar noch den 0:1-Rückstand (105./Leon Bailey) in der Verlängerung. Am Ende war Torjäger Simon Engelmann (117.) mit seinem Siegtreffer mal wieder der gefeierte Held. Oguzhan Kefkir (108.) hatte zuvor für den Ausgleich gesorgt.
RWE nach Pokal-Sensation gegen Leverkusen euphorisch: "Nicht in Worte zu fassen"
„Wir haben immer an uns geglaubt, alles nach vorne geworfen und zwei Tore geschossen“, sagte Engelmann. „Das ist einfach Wahnsinn und nicht in Worte zu fassen.“ Auch Vorstandschef Marcus Uhlig hatte Probleme, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. „Ich ringe mit den Worten, um das zu beschreiben“, sagte Uhlig. „Was passiert ist, werden wir erst in wenigen Tagen begreifen können. Ich ziehe alle Hüte vor unserer Mannschaft.“
Es war eine außergewöhnliche Partie unter noch viel außergewöhnlicheren Umständen. Kein Fan konnte die RWE-Sensation im Stadion an der Hafenstraße verfolgen: ein Geisterspiel, der denkbar unwürdigste Rahmen. „Es ist tragisch, dass keine Zuschauer dabei sein konnten“, klagte Uhlig. Vom Feiern aber ließen sich die Essener Anhänger nicht abhalten, die meisten hielten sich an die Corona-Regeln. Trotzdem mussten Polizei und Ordnungsamt Fan-Ansammlungen am Stadion auflösen.
Schon kurz nach Abpfiff stiegen über der Innenstadt die ersten Raketen in die Luft. Durch die Straßen Essens zog ein hupender Autokorso. Ab und zu explodierten Böller. Vereinzelt brannten bengalische Feuer. Insgesamt hatte die Polizei 27 Ermittlungsverfahren eingeleitet, überwiegend nach Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung.
Essen im Ausnahmezustand. Und Rot-Weiss darf träumen. Wo soll das noch hinführen?
Rasen im Essener Stadion ist schwer ramponiert
Zunächst einmal zurück in den Alltag. Am Samstag (14 Uhr) steht das Top-Spiel in der Regionalliga gegen die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund an. Mit einem Sieg kann RWE die Tabellenführung zurückerobern. „Das Adrenalin von gestern schadet sicher nicht für das Dortmund-Spiel“, sagt Uhlig. Doch ob es überhaupt so weit kommt, ist unklar. Der Rasen im Stadion an der Hafenstraße dürfte eigentlich nicht mehr als solcher bezeichnet werden. „Der Platz ist in der Tat arg ramponiert“, sagte Uhlig. Seit Mittwochmorgen setze das Greenkeeping-Team alles daran, den Rasen wieder in einen „einigermaßen vernünftigen Zustand“ zu bekommen.
An diesem Wochenende müsste er noch mal rund 180 Minuten durchhalten. Nicht nur RWE ist im Einsatz. Am Sonntag spielt die SGS Essen in der Frauen-Bundesliga gegen den SC Sand (14 Uhr). Sollte das zuständige Amt der Stadt Essen entscheiden, dass der Rasen nur eine weitere Partie durchhalten würde, fiele die Wahl auf das Bundesliga-Spiel. Denn der klassenhöhere Wettbewerb hat Vorrang. Den Rot-Weissen wäre dies sicherlich gar nicht mal so unrecht, hätte man doch die 120 schweren Pokalminuten noch in den Knochen, während die U23 des BVB als Aufstiegskonkurrent unter der Woche Zeit zur Regeneration hatte.
Das Ziel Aufstieg steht in dieser Saison über allem. Der DFB-Pokal aber ist die große Bühne, die RWE bereits in dieser Saison geboten wird. Sie ist auch eine gute Einnahmequelle, um Corona-Verluste zu kompensieren. Von den 1,9 Millionen Euro Umsatz müsse man jedoch einen ordentlichen Teil Siegprämien abziehen, „die ich aber sehr gerne bezahle“, sagt Uhlig. Auch ruhig noch einmal nach dem Viertelfinale.