Essen. Willi “Ente“ Lippens, Vereinslegende von Rot-Weiss Essen, spricht im Interview über alte RWE-Zeiten und aktuelle Erlebnisse an der Hafenstraße.
Willi Lippens ist Rot-Weiss Essens Vereinslegende. Der 74-Jährige spielte 13 Jahre für RWE und hat sich in den 1970er Jahren in Fußball-Deutschland einen großen Namen gemacht. Ente, wie er aufgrund seines charakteristischen Laufstils, der an den Watschelgang des Wasservogels erinnerte, genannt wird, bestritt für Rot-Weiss 172 Bundesligaspiele (79 Tore).
Heute lebt er in Bottrop-Welheim und ist auf dem „Lippens Hof – Mitten im Pott“ – ein Restaurant an der Stadtgrenze zu Essen, das sein Sohn Michael führt – als Hausmeister, Gärtner und Unterhalter für die Gäste ausgelastet und zufrieden. Doch der Fußball zieht ihn immer noch an. Lippens verfolgt nicht nur die Bundesliga interessiert, sondern fiebert natürlich auch mit seinem Verein in der Regionalliga mit. Am Montag brach das Team zum Trainingslager ins spanische Rota, nahe Cadiz, auf. Im Interview auf seinem Hof erzählt Lippens unter anderem, warum er sich nie großartig außerhalb von Essen-Bergeborbeck auf die Saison vorbereiten musste.
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Herr Lippens, warum waren Sie nach Ihrer aktiven Zeit nie längere Zeit Trainer, Manager oder Berater?
Willi Lippens: Weil ich nach meiner aktiven Zeit die Schnauze voll hatte. Ich war froh, dass die Karriere zu Ende war. Ich wollte meine Ruhe haben.
Haben Sie eigentlich früher einen Berater gehabt?
Willi Lippens: Ich habe meine Geschäfte selbst gemacht. Ich bin ja gelernter Kaufmann, da brauchte ich keinen Berater. Aber die waren damals auch schon unterwegs. Nur eher etwas halbseiden. Ich habe immer viele Angebote gehabt und war ein gefragter Spieler. Wenn du gut genug bist, dann brauchst du keinen Berater – die Vereine kommen von alleine, und das Geld bleibt dann bei dir hängen. Heutzutage habe ich manchmal das Gefühl, dass die Berater wichtiger als die Spieler sind.
Wünschen Sie sich manchmal, in der heutigen Zeit zu spielen?
Willi Lippens: Fakt ist, wenn ich heute spielen würde, würde ich ja jünger sein. Das wäre schön (lacht). Aber ich will mich nicht beschweren. Zu meiner Zeit war es eine gute Zeit. Ich habe meine Spuren im Fußball hinterlassen und bin zufrieden. Ich bin per Anhalter mit einem Persil-Karton angereist, habe gefragt, ob ich mal mittrainieren darf und habe es geschafft. Es ist eine Gnade Gottes, dass ich das Privileg genießen durfte, Fußballprofi zu sein. Ich war immer dankbar dafür und bin ich selbst geblieben. Es ist wichtig, dass man nicht abhebt und plötzlich die Menschen nicht mehr erkennt oder respektiert. Das finde ich sehr schade.
Der Profifußball heute schlägt sich mit dem Videobeweis herum. Damit hat Ihr Verein in der Regionalliga nichts zu tun. Wie verfolgen Sie die aktuelle RWE-Saison?
Willi Lippens: Ja, für den Videobeweis muss Rot-Weiss Essen erst aufsteigen. Vielleicht klappt das ja in dieser Saison. Man muss eine gute Serie zu Beginn des neuen Jahres starten. Solche Niederlagen wie gegen Homberg sollten einfach nicht passieren. Das tut mir echt weh, wenn ich lese, dass Vereine wie Verl oder Homberg in Essen gewinnen.
Wie viele Spiele haben Sie dieses Jahr an der Hafenstraße gesehen?
Willi Lippens: Nur eins im Niederrheinpokal. Beim 9:0 gegen Schonnebeck im Niederrheinpokal war ich dabei. In der Rückrunde lasse ich mich aber mal blicken – vielleicht gegen Rödinghausen oder Oberhausen. Es tut mir einfach weh, meine Rot-Weissen seit so vielen Jahren in der 4. Liga zu sehen. Ich kann es, bei allem Respekt für die Gegner, nicht mehr sehen, wenn Vereine wie Straelen, Lippstadt oder Homberg an die Hafenstraße kommen und am Ende jubeln. Da werde ich verrückt. Früher hätte ich mit einem guten Torwart hinten drin alleine gegen diese Dorfvereine gewonnen (lacht). Mensch! Die Vereine, die nach Essen kommen, müssen mit einem Köttel in der Hose kommen und in den ersten Minuten überrollt werden. Früher hatte man als Gegner Angst vor den Spielen an der Hafenstraße.
Rund 11.000 Zuschauer kommen noch im Schnitt zu Heimspielen...
Willi Lippens: Ja, das ist doch Wahnsinn. Da könnte ich sofort wieder auflaufen (lacht). Die Leute machen seit Jahren diesen Murks mit und kommen immer wieder zurück. Warum? Weil sie positiv bekloppt sind und Rot-Weiss lieben. Ich hoffe nur, dass sie schon bald für diese schlechten Zeiten mit Profifußball und großen Spielen in Essen entschädigt werden.
Die Heimbilanz der Rot-Weissen lässt mit fünf Siegen und drei Niederlagen aus acht Spielen zu wünschen übrig. Wie erklären Sie sich diese Heimschwäche?
Willi Lippens: Das verstehe ich wirklich nicht. Die Stimmung in Essen hat mich früher immer zu verrückten Dingen auf dem Platz inspiriert. Es kann nicht sein, dass heute die große Kulisse in Essen den Gegner mehr beflügelt als RWE. Wenn das der Fall ist, dann spielen in der Mannschaft nicht die richtigen Charaktere. Dann haben die Jungs hier nichts zu suchen.
Sie werden am 10. November 75 Jahre alt. Glauben Sie, dass Sie Rot-Weiss Essen noch einmal in der Bundesliga erleben werden? 43 Jahre ist es her, dass RWE zuletzt im Fußball-Oberhaus war.
Willi Lippens: 43 Jahre? Das ist unfassbar. Mir war das gar nicht bewusst, dass es schon so lange her ist. Bundesliga, fragen Sie? Nein, das werde ich nicht mehr erleben. Vielleicht die 3. Liga. Da habe ich noch Hoffnung. Wenn RWE dann wieder gegen Rostock, Kaiserslautern oder Braunschweig um Punkte spielt, dann wäre das mal wieder schön.
Um in die 3. Liga aufzusteigen, bereitet sich RWE bis zum 19. Januar in Spanien auf die Restrunde vor. Waren Sie eigentlich mal zu Ihrer Zeit im Trainingslager?
Willi Lippens: Ja, wenn dann aber nur in einer Sportschule über das Wochenende, aber nie im Ausland. Wir haben unser Trainingslager in Bergeborbeck abgehalten und waren auch fit. Spanien? Ich hoffe, dass die Jungs genug Sonnencreme mit dabei haben (lacht). Nein, es ist ja okay, wenn sich Sponsoren finden, die das bezahlen. Aber ich frage mich: Muss das wirklich sein? Ich hoffe, dass die spanische Sonne den Jungs gut tut und sie diesen Aufenthalt dem Verein mit einem Aufstieg in die 3. Liga danken.