Essen. . Die RWE-Fans nahmen das 0:2 zu Hause gegen den SC Verl fast schon klaglos hin. Die Gäste erwiesen sich wieder einmal als unangenehme Widersacher.

Die Rot-Weiss-Fans lassen sich nicht mehr überraschen. Sie sind die Enttäuschungen, die so regelmäßig auf sie einprasseln, mittlerweile ja gewohnt, weshalb die Reaktionen auf den Rängen nach der 0:2 (0:0)-Heimpleite gegen den SC Verl auch nicht allzu heftig ausfielen im Vergleich zu früheren Zeiten. Sie trauen dieser Mannschaft halt nicht mehr allzu viel zu. Selbst dann nicht, wenn diese mal wieder eine starke Leistung einstreut wie vor einer Woche beim souveränen 3:0-Erfolg in Lippstadt.

Die Zukunft hat schon begonnen

Die Rot-Weissen sind gespannt. Nein, nicht mehr auf diese Saison, die abgesehen vom Pokal-Finale längst vermurkst ist, auch wenn eine bessere Platzierung nach wie vor möglich ist. Es geht um die kommende Saison und die Zukunft an sich. RWE will das große Rad drehen und die Tabellenspitze angreifen.

Die Chefetage sendet positive Signale. Ein strategischer Partner mit rot-weissem Herz, der den Etat erheblich aufstocken soll, ist gefunden, auch wenn er noch anonym bleibt. Über den Sportdirektor wird wohl bald entschieden. Und ganz wichtig: Verbesserte Strukturen sollen dem Traditionsverein nachhaltig Erfolg bescheren und Fehler vermeiden, die gemacht wurden und einen Batzen Geld verschlungen haben. Es tut sich was.

Das Spiel gegen Verl war aber eine traurige Bestätigung, dass dieses Team in dieser Konstellation keine erfolgreiche Zukunft haben kann. Woche für Woche unerklärliche Leistungseinbrüche, zweimal in Folge gewinnen? Unmöglich. Die Spieler geben sich einsichtig, aus den Fehlern lernen sie jedoch nicht, denn dieses ständige Auf und Ab gibt es nicht erst seit dieser Saison und unter Trainer Karsten Neitzel.

Mangelt es an Einstellung? Das ist nicht zu belegen. Also stellt sich die Frage nach der Qualität. Gar nicht mal die jedes einzelnen Spielers, sondern des Teams. So braucht Rot-Weiss dringend ein paar Leitwölfe und Ideengeber.

Bis zum Saisonende muss man aber das Beste aus der Situation machen. Weil Auftreten und Erfolg in dieser Serie auch die Zukunft maßgeblich beeinflussen könnte. (Rolf Hantel)

Und für die Konkurrenz ist RWE offenbar auch ziemlich berechenbar geworden, was nie gut ist. Den Verlern war diese ungewöhnliche Essener Regelmäßigkeit aufgefallen, weshalb die Ostwestfalen bei der Vorschau auf ihrer Vereinsseite einen bemerkenswerten Passus eingepflegt hatten: „Wirft man allerdings einen Blick auf die letzten sieben Pflichtspiele der Rot-Weissen, erkennt man einen originellen Rhythmus, denn auf einen Sieg folgte eine Niederlage, dann wieder ein Sieg und so weiter.“ Wäre es nicht so bitter für RWE, man könnte fast darüber schmunzeln. Ein Statistiker hat übrigens mal nachgeschaut und den August 2018 ausgemacht, als der Viertligist zuletzt zweimal in Folge gewonnen hatte.

Aus keiner Chance zwei Tore gemacht

Der SC Verl wurde an der Hafenstraße seinem Ruf gerecht, ein unangenehmer Widersacher zu sein. Und der Remis-Spezialist aus Ostwestfalen nahm aus einem typischen 0:0-Spiel auch noch drei Punkte mit, weil er praktisch aus keiner Chance zwei Tore machte. Eine Hereingabe von Anton Heinz wurde vom Essener Innenverteidiger Boris Tomiak abgefälscht, so dass sich der Ball ins lange Eck zum 0:1 (71.) verirrte. Und beim 0:2 (83.) half Startelf-Novize Noah Korczowksi mit, weil er gegen Aygün Yildirim etwas ungeschickt einen Foulelfmeter verursachte, den der Gefoulte selbst verwandelte.

„Wir sind megazufrieden und sehr, sehr glücklich, dass wir nach nervösem Beginn hier als Sieger vom Platz gehen“, sagte SCV-Trainer Guerino Capretti. Konnte er auch sein, während sein Kollege Karsten Neitzel weiterhin Geduld mit seinen Jungs haben muss, deren Form eine Halbwertzeit von jeweils einer Woche zu haben scheint.

Zu wenig Torchancen erarbeitet

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„Wir müssen und können bei eigenem Ballbesitz besser Fußball spielen. Das müssen wir schnellstmöglich hinbekommen, um auch zu Hause weiter zu punkten. Wir haben es bei eigenem Ballbesitz nicht geschafft, Druck auf den Gegner auszuüben und haben uns viel zu wenig Torchancen erarbeitet.“ Das ist bitter, denn trotz verstärkter Offensivkraft nach der Pause, Marcel Platzek und Ismail Remmo kamen in die Partie für Daniel Heber und Timo Brauer, besaßen die Essener nicht eine wirklich hochkarätige Torchance.

„Trotz großen Engagements hat die Qualität im letzten Drittel gefehlt“, räumte Neitzel ein. „Der eine oder andere hatte nicht ansatzweise einen guten Tag.“ Und Kevin Grund, ein Mann aus der Kreativabteilung, erkannte selbstkritisch: „Defensiv haben wir eigentlich ganz gut gestanden. Der Knackpunkt war, dass uns spielerisch nichts eingefallen ist.“

Musste auf Anraten des Doc nach der Pause verletzt passen: Benjamin Baier.
Musste auf Anraten des Doc nach der Pause verletzt passen: Benjamin Baier. © Michael Gohl

Dabei hatten es die Gastgeber zu Beginn an noch ganz ordentlich gemacht und den Elan von Lippstadt zumindest angedeutet. Doch auch Kapitän Benjamin Baier schaffte es nicht, auch nur annähernd seine superstarke Vorstellung eine Woche zuvor erneut auf den Rasen zu bringen. Zur Pause musste er wegen muskulärer Probleme passen. Anweisung vom Doc, um Schlimmeres zu verhindern. Es reichte ja schon, dass Florian Bichler (Knie) ausgefallen war. Eine Diagnose steht noch aus, aber Neitzel rechnet erst in zwei, drei Wochen wieder mit ihm.

Timo Becker aus dem Kader gestrichen

Weniger gute Karten hat da wohl Timo Becker, der gar nicht erst nominiert worden war. Vermutlich hat sich der (wechselwillige) Youngster unter der Woche etwas hängenlassen, was Neitzel so gar nicht schmeckte. Die Entscheidung habe sportliche Gründe, druckste Neitzel auf Nachfrage herum. „Das kann heißen, dass er vielleicht nicht so gut trainiert hat und vielleicht nicht so aufmerksam war, wie er sein sollte.“ Da kann sich jeder seinen Teil denken. Karsten Neitzel jedenfalls hatte sogar einen Platz im Aufgebot freigelassen und nur 17 Spieler nominiert.