Essen. Wieder ist es der Herbst, der Rot-Weiss Essen eine Krise bringt. Wieder scheint eine Saison früh gelaufen. Ein Kommentar.

Man kann in den letzten Jahren fast die Uhr danach stellen. Spätestens im September befindet sich der Regionalligist Rot-Weiss Essen in der Krise - und die Meisterschaft wird zu einer Art monatelangen Anreihung von Freundschaftsspielen.

Die letzte große Party in der Meisterschaft: Die gab es im April 2011, nachdem Waldemar Wrobel die Essener direkt nach der Insolvenz aus der Oberliga zurück in die Regionalliga führte. Seitdem scheint der Traditionsverein von der Hafenstraße auf der Stelle zu treten. Platz acht im ersten Jahr war akzeptabel, Platz vier in der Saison 2012/13 machte Hoffnung auf mehr. Doch dann folgte die große Stagnation. 2013/14 hatte RWE bereits nach sieben Spielen neun Zähler Rückstand auf den damaligen Spitzenreiter aus Lotte. 2014/15 waren es nach sieben Begegnungen neun Zähler auf Viktoria Köln. 2015/16 waren es nach sieben Partien wieder neun Punkte Rückstand auf Lotte. 2016/17 waren es nach sieben Runden sogar zehn Punkte Rückstand - diesmal auf den BVB II.

Jedes Jahr gab es Hoffnung vor der Saison, jedes Jahr war die Hoffnung schon im September wieder dahin. In diesem Jahr ist der Rückstand kleiner, das liegt aber nur an der Ausgeglichenheit der Liga. RWE konnte bisher erst zwei von zwölf Spielen gewinnen, eine schreckliche, nahezu peinliche Bilanz, die es daher verbietet, von höheren Gefilden zu träumen.

Jeder weiß um die Aufstiegsregelung in der vierten Liga. Jeder weiß, dass man den Aufstieg auch deshalb nicht planen kann. Jeder weiß auch, dass Tradition keine Tore schießt und es in jedem Jahr Vereine gab, die mit RWE finanziell auf Augenhöhe oder deutlich darüber lagen. Viktoria Köln, Lotte, die Zweitvertretungen von Gladbach und Dortmund II. Das erklärt, warum es mit dem Aufstieg und einer möglichen Relegation schwierig ist. Das erklärt aber nicht, warum regelmäßig Vereine mit kleineren Etats vor RWE landen.

Es ist ein Fakt: RWE schöpft sein Potential nicht aus. Und seit wenigen Wochen steht daher auch Vereinspräsident Michael Welling in der Kritik. Es ist keine Frage, dass Welling den Verein solide führt. Es gab tolle Marketing-Kampagnen, die über die Stadtgrenzen hinaus gewirkt haben. Er gibt auch nur das Geld aus, das da ist. Schulden sind bei RWE seit 2010 ein Fremdwort, der Etat wurde kontinuierlich gesteigert.

Nur hat das sportlich bisher nichts gebracht. Welling muss sich vorwerfen lassen, bei der Auswahl der sportlich Verantwortlichen bisher kein glückliches Händchen gehabt zu haben. Kein Trainer hat es in Zusammenarbeit mit der sportlichen Leitung geschafft, die Mannschaft in einen Lauf zu bringen, kein Duo hat auch nur im Ansatz um die Meisterschaft mitgespielt. Stattdessen gab es häufige Wechsel auf der Kommandobrücke, einhergehend mit teuren Abfindungen. Immer wieder wirkte es so, als würde die Mannschaft mit einem Rucksack herumlaufen, der es unmöglich macht, das ganze Potential abzurufen.

Jetzt steht RWE wieder am Scheideweg. Wieder ist ein Trainer weg, wieder scheinen die Fans mit der Geduld am Ende und wieder ist eine Saison gefühlt im Herbst gelaufen. Daher muss der nächste Schuss sitzen - auch für Welling. Der nächste Trainer muss mit der Mannschaft die Kurve kriegen. Spätestens im kommenden Jahr, wenn sich die Hoch3-Kampagne, nach der RWE innerhalb von drei Jahren den Drittliga-Aufstieg anpeilt, auf der Zielgeraden befindet. Vermutlich muss daher ein erneuter personeller Umbruch her, denn viele Spieler der aktuellen Mannschaft haben bereits über Jahre gezeigt, dass sie den Kampf um Platz eins nicht aufnehmen können.

Der sollte am besten schon im Winter beginnen, damit ein neuer Trainer seine Vorstellungen einbringen kann. Und dann muss im Sommer 2018 durchgestartet werden. Natürlich kann auch dann der Aufstieg nicht versprochen werden, aber noch eine Saison ohne Ambitionen bis zum Ende der Meisterschaft kann in dieser Konstellation in Essen nicht verkauft werden...