Essen. Rot-Weiss hechelt den Ansprüchen hinterher. Niemand kann sich den Leistungseinbruch erklären. Trainer Sven Demandt bangt um seinen Job.

  • Die Rot-Weissen hecheln weit hinter ihren Ansprüchen zurück und können sich ihr Tief nicht erklären
  • Sportdirektor Jürgen Lucas weist Probleme zwischen Trainer Demandt und der Mannschaft zurück
  • Vieles deutet darauf hin, dass sich der Essener Fußball-Regionalligist von seinem Trainer trennen wird

Die Rot-Weissen rauften sich die Haare, waren entsetzt, konnten es nicht fassen. Aber irgendwie war diese finale Szene bezeichnend für den aus ihrer Sicht katastrophalen Nachmittag. Sekunden vor dem Schlusspfiff stand Torjäger Marcel Platzek frei vor dem gegnerischen Tor, köpfte aber seinen Gegnerspieler Danny Fäuster an. Unglücklich zwar, aber zuvor hatte ihnen Fortuna oft genug geholfen.

Der FC Wegberg-Beeck hatte sich dieses 1:1 (1:0) mehr als verdient, hätte sogar gewinnen müssen, denn nach der Pause hatte der Gast drei, vier super Chancen verbaselt, war an einem famos parierenden Keeper Robin Heller gescheitert.

Famose Paraden von Robin Heller

Aber eine Blamage ist dieses Unentschieden gegen einen vermeintlichen Abstiegskandidaten allemal. Und natürlich wurde damit die Trainerdiskussion weiter befeuert (siehe Zweittext). Denn erneut boten die Rot-Weissen, das selbsternannte Spitzenteam, eine indiskutable Leistung vor eigenem Publikum. Nach der 2:4-Pleite vor einer Woche gegen den SC Wiedenbrück hatten sie Besserung gelobt. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Leistungskurve sackte weiter in den Keller. Nach dem 1:3 gegen Wuppertal hatte Sportdirektor Jürgen Lucas noch betont, dass eine solch schwache Vorstellung nur einmal in der Saison vorkommen dürfe. Nun war es der dritte unsägliche Auftritt an der Hafenstraße. Auch wenn man zugestehen muss, dass Wiedenbrück mit dem 4:0 gegen RWO an diesem Spieltag gezeigt hat, das dieses Team mehr kann, als manche sich bei dem Namen vorstellen können.

Es gibt schönere Tage: Marcel Platzek (RWE).
Es gibt schönere Tage: Marcel Platzek (RWE). © Michael Gohl

In der ersten Hälfte agierten die Gastgeber noch halbwegs solide, in Hälfte zwei waren sie verzweifelt, einfach schlecht. Und vor allem fern jeglicher Sicherheit. Die sportliche Misere hat offensichtlich tiefe Spuren hinterlassen. Und der 3:1-Sieg unter der Woche im Pokal gegen den Landesligisten Kleve war ja auch keine Gala, die großartig Selbstvertrauen vermitteln konnte.

Kai Pröger kann es nicht fassen. Foto
Kai Pröger kann es nicht fassen. Foto © Michael Gohl

Gleichwohl übernahm der Favorit von Beginn an die Initiative und kontrollierte das Geschehen. Doch das Aufbauspiel war oft zu bedächtig, um die Wegberger zu überrumpeln. So war der gegnerische Abwehrriegel der Gäste nur schwer zu knacken. Der Aufsteiger verbarrikadierte sich keineswegs. Er wagte sich schon nach vorne, doch bei den Versuchen wurde deutlich, dass die Mittel eher begrenzt sind. Was sich auch später zeigte, denn die Möglichkeiten, die sich ihnen boten, waren hundertprozentige.

Nach sechs Minuten hatten die Gastgeber die erste große Chance -- und Pech. Kevin Grund zirkelte den Ball per Freistoß an die Unterkante der Latte (6.). Das war’s aber erst einmal mit den Chancen. Nur einmal ging es richtig flott, schon war die Lücke da. Nach einem schönen Doppelpass drang Kamil Bednarski in den Strafraum ein, seine Hereingabe verpassten die Mitspieler (23.). Dann fiel er, der erlösende Treffer. Nach einer Ecke von Pröger, verlängerte Zeiger mit dem Scheitel, und Kamil Bednarski drückte den Ball über die Linie zum 1:0 (31.).

Bednarski trifft zur 1:0-Führung

Sicherheit und Schwung brachte das nicht. Das Spiel plätscherte dahin, Wegbergs Trainer Friedel Henßen hatte jedoch seine Jungs in der Pause offenbar zu mehr Mut aufgefordert. Nach einer Flanke wehrte Rot-Weiss den Ball ab, doch Shpend Hasani stand 20 Meter vor dem Tor völlig frei und nahm Maß: 1:1.

Und plötzlich wankte RWE. „Ich weiß auch nicht, warum wir nach dem ersten Negativerlebnis so zusammenfallen, Wir hatten keine Körpersprache mehr und keine Überzeugung“, schilderte Lucas.

Trainer Sven Demandt reagierte, und wechselte Benjamin Baier aus. Ein eindeutiges Signal. Ausgerechnet der Kapitän musste gehen. Baier ist der Führungsspieler in diesem Team, einer der lenken, der vorausgehen soll. Und das auch schon oft genug getan hat mit einer schier unwiderstehlichen Körpersprache. Doch von all dem war an diesem Tag nichts zu sehen, schon gegen Wiedenbrück nicht. Und es gab niemanden, der seine Rolle übernahm. Kopflos torkelte RWE dem Ende entgegen. Sven Demandt wollte es direkt nach Spielende nicht kommentieren: „Ich muss das Ganze erst einmal sacken lassen.“

Jürgen Lucas sieht kein Problem zwischen Trainer und Team

Mit versteinerter Miene steuerte Sportdirektor Jürgen Lucas nach dem Schlusspfiff die Kabine an. Man brauchte nicht lange zu rätseln, wie es in ihm aussah. Es brodelte. „Ich bin schockiert und frustriert“, sagt Lucas einen Tag später. Und noch immer ratlos. „Aber klar ist, dass wir das Ganze möglichst schnell aufarbeiten müssen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber jetzt zu sagen, wir drehen nur an einem Hebel und sind überzeugt, dass die Jungs am Freitag in Wattenscheid anders auftreten, das wäre zu einfach.“

Nach wie vor sei er von der Qualität dieser Mannschaft absolut überzeugt, versichert Lucas. Und auch von der Arbeit von Trainer Sven Demandt. „Er ist 36 Jahre im Trainergeschäft und weiß, was er macht. Wir tauschen uns ständig aus und jeder von uns hat seinen Verantwortungsbereich. Unser Verhältnis ist absolut intakt, da gibt es keine Probleme.“ Und was läuft zwischen Demandt und der Mannschaft? Hat sie ein Problem mit dem Chefcoach? „Das Gefühl habe ich überhaupt nicht. Diese Baustelle gibt es nicht. Sicher, es gibt immer mal Phasen in der Saison, in denen man sich nicht freudestrahlend um den Hals fällt. Dass aber jemand in irgendeiner Form gegen den Trainer spielt, halte ich für unmöglich. Dafür gibt es absolut keine Anzeichen.“

Allein mit dem Frust: Boris Tomiak . Foto: Michael Gohl
Allein mit dem Frust: Boris Tomiak . Foto: Michael Gohl

Und dennoch: Eine mögliche Trennung von Sven Demandt wird nicht nur unter den Fans diskutiert. Hat er noch das Vertrauen bei den Verantwortlichen oder wird sich RWE von dem Fußballlehrer trennen? „Diese Frage kann ich in dieser Situation nicht beantworten“, weicht RWE-Chef Michael Welling aus. „Wir tauschen uns ständig intensiv aus – unabhängig vom Ergebnis. Fest steht aber, dass wir eine Lösung finden müssen. Das ist unsere Aufgabe und eine Verpflichtung.“

Wann eine Entscheidung fallen wird, konnte Welling am Samstag nach dem Spiel nicht sagen. Nur so viel: In dieser Woche tagt der Beirat und der Aufsichtsrat – turnusmäßig. Dieser Termin stünde seit vier Wochen fest.

Der Vorsitzende steht bekanntlich selbst in der Kritik bei den Fans und hatte sich nach dem Schlusspfiff auch zur Westtribüne begeben, wo der Anhang noch lange und heftig diskutierte, um dort Rede und Antwort zu stehen.

Genauso wie Sven Demandt. Der Trainer war bereits auf dem Weg in die Kabine, als die Fans, nachdem sie „Demandt raus“ gefordert hatten, auch seine Person noch einmal zum Statement aufforderten. Demandt kehrt um und marschierte zur West, wo er vor allem die Wut und Beschimpfungen über sich ergehen lassen musste. „Ich war noch nie vor der Tribüne, auch nicht, wenn die Mannschaft gewonnen hat“, sagte Demandt. „Ich finde, das gebührt dann der Mannschaft. Weil die Fans aber gefordert haben, ich solle kommen, bin ich dann auch dorthin.“ Mutig der Mann, jedenfalls mutiger als seine Spieler zuvor im Spiel gegen Wegberg-Beeck.