Essen. RWE-Vorstandschef Michael Welling im Interview über die Anerkennung als Nachwuchsleistungszentrum seitens des DFB, Abgänge zum Nachbarklub und wichtige Personalien.
Frisch erholt kehrte RWE-Vorstandschef Michael Welling vergangene Woche aus dem USA-Urlaub zurück. Dorthin hatte es ihn zu einer privaten Hochzeitsfeier gezogen. Mit auf der Gästeliste: Nasser al-Khalifa, der mächtige Präsident von Paris Saint-Germain. Somit sollte das Hauptthema natürlich ein Wechsel von Mesut Özil werden.
Hallo, Herr Welling, wie ist die Sache mit dem Scheich gelaufen?
Michael Welling: Wie es im Fußball so ist, sind sportliche Erfolge dazwischen gekommen. PSG hat das Pokalfinale erreicht und gewonnen, sodass der Scheich die Hochzeit absagen musste. Aber über den Bräutigam habe ich nochmal meine intensive Empfehlung ausgesprochen, genauso wie die Familie von Mesut Özil weiß, dass für die Persönlichkeitsbildung Paris ein ganz wichtiger Baustein werden kann.
Hatten Sie denn genug Gelegenheit, einen fetten Haken unter die abgelaufene Saison zu machen, die mit dem Pokalfinale ja ein versöhnliches Ende fand?
Welling: Ja, wobei das aufgrund unserer Aufgaben ja eigentlich immer ein schleichender Prozess ist. Das Pokalfinale hat uns mit der Saison versöhnt, die Vorbereitungen der neuen Saison laufen natürlich schon etwas länger.
Mit der Abwesenheit des Vorsitzenden hatte die Fangemeinde den Eindruck, die Geschäfte wären auf Sparflamme herunter gefahren, können Sie die Ungeduld der Fans nachvollziehen?
Welling: Ich glaube, da wird meine Rolle überschätzt und die Arbeit der Kollegen unterschätzt. Die Ungeduld kann ich nachvollziehen, weil das natürlich spannende Fragen sind, die Nicht-Kommunikation heißt aber nicht, dass wir nicht arbeiten. Und selbst im afrikanischen Busch oder auf dem Amazonas hätte ich im steten Kontakt stehen können.
Die meiste Unruhe kam auf, als es den einen oder anderen Jugendlichen über den Kanal zog. Kann RWE seine Talente nicht mehr halten, fragen sich die Pessimisten?
Welling: Ich glaube, dass wir diejenigen, die wir halten wollen, auch halten können. Abgänge gehören einfach dazu. Bei manchen ist es auch für deren persönliche Entwicklung besser den Verein zu wechseln, wenn es bei uns nicht reicht. Bei anderen wiederum dürfen wir als Ausbildungsverein aber auch nicht im Wege stehen, wenn das Angebot eines Bundesligisten wie im Fall von Moritz Nicolas kommt. Richtig ist aber, dass wir an der Durchlässigkeit zwischen U19 und erster Mannschaft weiter arbeiten müssen.
So gesehen war die frohe Kunde vom DFB zum Nachwuchsleistungszentrum dann auch ein richtiges Signal zur rechten Zeit?
Welling: Zunächst ist das Anerkennung langer und harter Arbeit, schon während der Insolvenzphase hatten wir uns zum Ziel gesetzt, als NLZ anerkannt zu werden. Wir haben dann im März 2014 die Unterlagen unter Federführung von Andreas Winkler eingereicht. Wir sind im Westen der einzige Regionalligist, der diese Anerkennung geschafft hat. Dies wird uns helfen, Talente für uns zu gewinnen und ermöglicht es uns, nun auch formal diese längerfristig an uns zu binden. Bislang wurden die größten Talente schon ab der U15 von größeren Vereinen weggeholt.
Nichtsdestotrotz werden auch neue hinzugewonnen, wie zuletzt Cokkosan und Gubini. Jedes Mal zeichnete Andreas Winkler gegen. Wann will der Verein denn endlich offiziell verkünden, was alle ja schon längst vermuten: Dass er der neue Sportliche Leiter wird?
Welling: Andi Winkler ist de facto in der Tat der Kopf unseres sportlichen Kompetenzteams. Wie immer verkünden wir Dinge erst dann offiziell, wenn formal alles sicher ist. Die Tinte ist also noch nicht trocken.
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Aber Winkler hält den Füller schon in der Hand?
Welling: Die Mannschaft der neuen Saison wird auf jeden Fall zu großen Teilen auch die Handschrift von Andreas Winkler tragen.
Um im Konjunktiv zu bleiben: Markus Reiter ist als Interimscoach in den Urlaub gefahren, als was ist er denn zurückgekehrt, wenn Winkler in der Nachwuchsabteilung den Posten des Leiters zwangsläufig abgeben wird?
Welling: Auch die Gespräche mit Markus Reiter haben sehr früh angefangen, Markus hat schon vor seinem Urlaub komplette Transparenz über unsere gemeinsamen Pläne gehabt. Auch hier gilt: Kommunikation nach außen erst dann, wenn alle formalen Dinge auch mit dem Aufsichtsrat, wie es bei uns immer schon Usus war, geregelt sind.
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Aber wollen will er schon?
Welling: Markus ist gebürtiger Essener, er ist über sechs Jahre für den Verein tätig gewesen, ist ausgebildeter Fußballlehrer und in seinen Adern fließt rot-weisses Blut.
Muss sich der Fan auch auf den einen oder anderen überraschenden Abgang einstellen?
Welling: Einstellen sicherlich nicht, aber im Wort Überraschung steckt ja, dass nicht immer alles planbar ist. Wir bauen auf den Kern der letztjährigen Herbstmeistermannschaft, sollte uns ein Spieler verlassen wollen, müsste man natürlich die Umstände abklären.
Man könnte sich vorstellen, dass einer wie Sven Kreyer mit seiner Leistung in der ersten RWE-Saison nicht zufrieden ist, was sich auch in mancher Unmutsäußerung seitens der Fankurve äußerte.
Welling: Die Saison war für Sven sicherlich nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Zugleich tun manche Fans ihm auch Unrecht. Sven selbst ist unzufrieden über seine dennoch beachtliche Torquote und seine Spielanteile. Dass man ihm den Frust darüber anmerkt, ist mir lieber, als würde er das emotionslos hinnehmen. Natürlich würden wir uns aber alle freuen, wenn wir gemeinsam mit Sven und den Fans in der neuen Saison viele Tore bejubeln dürfen. Dieser Aufgabe wird sich Sven stellen müssen.