Essen. Das oft beschriebene, kaum zu greifende RWE-Feeling war gegen Wiedenbrück wieder da. Mannschaft und Fans sind zu einer verschworenen Einheit gewachsen.
Studentischer Besuch am Freitag im Stadion an der Hafenstraße: Ein Medien-Wissenschaftlicher bat im Presseraum mit einem Umfragebogen um Unterstützung für seine Arbeit, die da wohl lautete: Was ist das Besondere an RWE?
Nun, der gute Mann hätte sich einfach auf die Tribüne setzen und staunen sollen, dann hätte er die Kreuze auf seinem Papier selbst setzen können. Denn geboten wurde gegen Wiedenbrück endlich mal wieder Hardcore-Fußball Marke RWE: Erdig, echt, authentisch, wild, schmutzig, feucht, rotzig – will sagen: einfach schön!
Applaus statt Schweigeminute
Es gibt sie noch, diese Momente, wo der Hauch des alten Georg-Melches-Stadions, mittlerweile im Bauschutt begraben unterm neuen Parkplatz, herüberweht in die neue Arena. Schon vor dem Anpfiff machte er sich breit, initiiert von einem Riesen-Plakat der Ultras, die dem verstorbenen Idol August Gottschalk gedachten. Hoffentlich keine einmalige Aktion der Ultras, die vor den restriktiven Auflagen der Ordnungskräfte zuletzt kapituliert hatten. Denn nun wissen wieder alle: Fußball ohne Choreo bei RWE ist nur ein Light-Produkt – einfach nicht vollwertig!
RWE gewinnt Spitzenspiel
1/45
Und anstelle einer Schweigeminute erhoben sich die Zuschauer von den Plätzen und applaudierten, applaudierten, applaudierten – im Stakkato zu den Regentropfen, die auf das Tribünendach prasselten. Und beim Besucher machte sich breit, was Leadsänger Samu Haber von Sunrise Avenue in der Sendung „Voice of Germany“ immer so herrlich schräg in seinem Finnisch-Deutsch beschreibt: Hühnerhaut. Ergreifender kann es damals ‘54 im Berner Wankdorfstadion auch nicht gewesen sein.
Danach lieferte die Mannschaft – und wie. Die Phrase vom „jeden Meter Rasen umgepflügt“, sie wurde schon oft strapaziert, an diesem Abend stimmte sie. Das Team mit der unbändigen Lust am Spielen und Siegen, es holt jeden ab. Zuvor hatte die Mannschaft auf der RWE-Homepage sich in einem offenen Brief an die Fans gerichtet: „Für uns war es kein leichter Start in die Saison. Einige Veränderungen im Verein erzeugten im Umfeld eine gewisse Unsicherheit, der zunächst ausbleibende sportliche Erfolg Unzufriedenheit.“ Und weiter: „Durch Moral und Leidenschaft haben wir es zudem geschafft, auch den größten Kritikern zu beweisen, dass diese Mannschaft alles für den Verein gibt.“ Wohl wahr. Inzwischen hat man sich ausgesprochen, nun ist wohl zusammengewachsen, was zusammengehört, wenn man große Ziele hat. Nach vollbrachter Arbeit gegen Wiedenbrück wollten Mannschaft wie Fans eigentlich gar nicht mehr voneinander lassen.
AnalyseTrainer mental ausgelaugt
Und jetzt soll Pause sein? Der Trainer ist froh, fühlt sich mental ausgelaugt und leer. Nicht jedem Spieler ergeht es ähnlich, manch einer hätte gerne diesen Moment in die Unendlichkeit geführt. Tim Hermes stand da in den Katakomben wie ein Monument: In eine Filz-Decke gehüllt, mit Erdklumpen im Haar und Grashalmen an der Stirn. Und meinte: „Schade, dass jetzt die Winterpause kommt, klar, wir sind gut drauf, hätten gerne weiter gespielt. Aber wir haben ein gutes Vorbereitungsprogramm und werden für den Start zu 100 Prozent wieder fit sein.“ Marwin Studtrucker relativierte nach seinen beiden ersten Heimtoren: „Wir sind schon kaputt, aber wir sagen uns, solange das Spiel dauert, versuchen wir alles zu geben – wenn einer gar nicht mehr kann, dann fällt er halt um.“
Draußen hüpften die Fans auf dem Heimweg durch die Wasserlachen, nass waren sie eh schon bis auf die Haut, und sangen ihren Klassiker: „Der RWE ist wieder da!“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.