Duisburg. Der MSV Duisburg steht nach der 1:4-Niederlage in Essen vor dem Absturz in die Regionalliga. Spannung vor der Mitgliederversammlung.
Marvin Bakalorz mag die Diskretion. Laute Stimmen waren aus der Gäste-Kabine des Stadions an der Essener Hafenstraße zu hören. Die Kicker des Fußball-Drittligisten MSV Duisburg hatten sich nach dem 1:4 im Derby bei RWE offenbar einiges zu sagen. Bakalorz, erst verletzt, jetzt erkrankt und deshalb in zivil, durchschritt lautlos die Mixed-Zone, schloss die Tür zum Kabinengang. Stille. Totenstille.
Kein Wort kam auch von Stürmer Daniel Gincezk auf die Frage, ob die Niederlage nun den Abstieg der Zebras in die Regionalliga besiegelt. Bei acht Punkten Rückstand auf die Konkurrenz, zwei Niederlagen in Folge und nur noch sechs Spielen auf der Uhr lag der Gedanke irgendwie nahe. „Wenn du noch eine Frage hast zum Derby, dann antworte ich dir. Ansonsten gehe ich jetzt rein“, antwortete Ginczek keineswegs unhöflich, aber bestimmt.
Später in der Pressekonferenz erklärte Trainer Boris Schommers: „Natürlich haben wir noch die Chance. Daran glaube ich.“ Es klang wie Pfeifen im Walde eines Menschen, dessen Gesichtsmuskeln mit Botox lahmgelegt wurden. Was ihn hoffen macht? Das wollte er ab Montag für sich klären. „Heute sitzt einfach der Schmerz zu tief, weil wir dieses Derby hier verloren haben. Das hätte nicht sein müssen.“ Erst einmal wollte er nach Hause fahren, sich um die Mannschaft kümmern und ab Montag wieder aufrichten. Über den Vortrag des Ensembles vorher vor laufender Fernsehkamera erklärte er: „Wir sind zu dumm.“ Das Wort „blauäugig“ benutzte er ebenfalls. In den Trostspender-Modus musste Schommers erst noch wechseln.
Aus der Chefetage des Spielvereins war derweil niemand bei der Pressekonferenz. Präsident Ingo Wald hatte in der vergangenen Woche ein Treffen im Vorfeld der Jahreshauptversammlung angeboten. Am Sonntag ließ er über seinen Pressesprecher Martin Haltermann ausrichten: Er schaffe das doch nicht. Es gebe zu viele geschäftliche Termine. Geschäftsführer Michael Preetz war ebenfalls nicht da. Man kennt das. Der Sieg hat viele Väter. Das Untergeschoss des Essener Stadions glich einem Waisenhaus für die unartigen Kinder des Spielvereins.
Man muss nicht lange nachkarten, was alles schief lief beim Derby, dem übrigens auch die Essener Trainer-Legende Otto Rehhagel beiwohnte. Die Partie ging 1:4 verloren. Damit ist alles gesagt. Immerhin ließ Daniel Ginczek wissen: „Dass die Jungs und Mädels, die da mitgereist sind, sauer sind, kann man verstehen.“ Eine Polizeistaffel auf dem Rasen schirmte nach Schlusspfiff die Kicker vor ihren Kritikern ab. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Auf den Rängen herrschte vor allem entsetzte Lähmung.
Vor dem Spiel hatte Ursel Preuß, die Frau des Vizemeister-Kapitäns Günter Preuß, eine Whatsapp mit einem Zitat ihres Mannes verschickt: „Wenn eine Mannschaft gewillt ist, alles zu geben, dann hat sie letztendlich auch Erfolg.“ Wie schon mehrfach erwähnt: Der MSV verlor das Derby, das Spiel zur letzten Hoffnung, den Griff zum Strohhalm mit 1:4.
Daniel Ginczek war Manns genug zuzugeben, dass er die Chance zum 2:2 nach einer Stunde hätte verwerten müssen. „Es ist Wahnsinn. Ich hinterfrage mich natürlich auch selbst.“ Nein, das muss er jetzt nicht mehr. Ginny trifft nicht. Warum auch immer. Die „Fahrkarten“, die er gegen Halle, in Münster und in Unterhaching schoss, wird der MSV in der kommenden Saison aller Voraussicht nach für Reisen nach Rödinghausen und Lippstadt nutzen. Ginczek wird dann kein Billett vorweisen müssen, dass er zurecht im Bus sitzt. Die Aussicht auf Weiterbeschäftigung ist umschrieben.
Wo gerade von Schwarzfahren die Rede ist: Peter Neururer, der auch mal Trainer beim MSV war, sieht schwarz für den Verein und nannte die Entwicklung „grauenhaft schlecht“. Das sagte er in einem Interview mit Magenta zur Pause in Essen. Bernard Dietz sprach da gegenüber Sport1 aufbauender: „Es muss klar Schiff gemacht werden“.
Das Deck ist so verschmutzt, dass gleich jetzt die Putzeimer zu füllen sind. Am Mittwoch ist die Mitgliederversammlung: Kann sein, dass dann Ingo Wald selbstreinigend mit dem Wischmopp auf der Bühne steht. Mal sehen, wer sich danach als Putzfrau oder Putzmann für die Zukunft zur Verfügung stellt.
Es ist ja nicht alles hoffnungslos: Michael Preetz hat bekannt, dass er einen Vertrag für die Regionalliga hat. Eine Reihe von Sponsoren haben ihre Zusage gegeben, bei einem Abstieg zum Verein zu stehen. Das Stadion steht voraussichtlich ebenfalls zur Verfügung. Die Stadt Duisburg als Eigner des Stadions und Propagandist der „Sportstadt Duisburg“ muss ein Interesse haben, die Immobilie möglichst hochklassig zu bespielen und die Marke mit Leben zu füllen. Die Fans werden sich wieder hinter das neue Team stellen, wenn es sich diese Rückendeckung verdient. Es gibt viel zu tun. Dann fangt schon mal an.
Nur fürs Protokoll: Der Abstieg des MSV begann am 12. Mai 2019: Nach dem 3:4 gegen Heidenheim und dem besiegelten Zweitliga-Abstieg ohne Not versprach Ingo Wald alles auf den Prüfstand zu stellen. Bis hin zur Arbeit des Platzwarts. Das war nur sehr schön gesagt.