Duisburg. Christoph Gebhard ist als Taktikfuchs bekannt. Der Jugendtrainer von Viktoria Buchholz nimmt die Spiele der Zebras unter die Lupe.

Mit dem Jahn aus Regensburg hatte der MSV eine Mannschaft zu Gast, die die wenigsten Pässe der 3. Liga spielt und den geringsten Ballbesitz vorzuweisen hat. Dafür ist der Jahn das Team mit den meisten Kopfballduellen aller 20 Teams in der Liga. Die Bayern sind dafür bekannt, den Ball nicht unbedingt lange in den eigenen Reihen laufen zu lassen. Wie schon in Zwickau lässt Trainer Joe Enochs seine Mannschaft schnell den langen Ball schlagen. Er gibt dem Gegner die Verantwortung für die Spielgestaltung und wartet aus einer guten defensiven Ordnung auf Fehler und schnelle Umschaltmomente.

Das ist eigentlich eine Spielanlage, die man eher im Abstiegskampf vermutet als bei einem Tabellenführer. Erfolgreich wird dieser Ansatz durch die vergleichsweise hohe Kaderqualität mit dribbelstarken und quirligen Spielern vorne, enormer Zweikampfstärke hinten und hoher Laufbereitschaft in allen Mannschaftsteilen.

MSV Duisburg beim Gegentor unharmonisch im Kettenverhalten

Die Versuche des MSV, in der Anfangsphase mit hohem Pressing zu tornahen Ballgewinnen zu kommen, beantwortete der Jahn dann auch prompt mit langen Bällen. Demzufolge formierte sich der MSV mit der Zeit immer öfter in einem kompakten 4-4-2-Block. Das hatte zudem den Vorteil, die zweiten Bälle besser zu verteidigen und einsammeln zu können. Trotzdem hatten Santiago Castaneda und Caspar Jander allerhand zu tun und konnten nicht alles löschen. Auch die langen Diagonalbälle auf den Flügel, aus denen der Jahn dann mit schnellen Flachpässen sofort die Halbräume attackierte und die Verlagerung oder den Flügeldurchbruch inszenierte, stellte den MSV zeitweise vor Probleme.

Bezeichnenderweise geriet der MSV nach einem langen Schlag, den Regensburg im zweiten Versuch erobern konnte, in Rückstand. Der MSV hatte in dieser Situation eigentlich genug Personal hinterm Ball, ließ sich aber durch die klugen Bewegungen der Gäste zu leicht aus seinen Positionen ziehen und war zu unharmonisch im Kettenverhalten.

Im eigenen Ballbesitz spielte der MSV nominell ein 4-2-3-1. Trainer Boris Schommers reagierte auf die anfänglichen Probleme im flachen Spielaufbau mit dem Abkippen von Castaneda, sodass eine Dreierkette in der ersten Aufbaulinie entstand. Gegen die zwei Stürmer hatten die Zebras dann Überzahl. Innenverteidiger Tobias Fleckstein konnte die erste Presssinglinie der Gäste aus einer breiteren Position immer wieder überdribbeln und versuchen, mit Flachpässen Thomas Pledl oder Ahmet Engin zu füttern. Dieser Ansatz war fast alternativlos, da der MSV die kopfballstarken Regensburger mit langen Bällen selten in Verlegenheit bringen konnte. Zu routiniert verteidigten die Gäste diese Angriffsversuche der Meidericher. Da der MSV aber auch im offenen Spiel aggressiv vorwärts verteidigte und gut gegenpresste, konnten sich die Zebras so immer mehr Spielanteile und Chancen erarbeiten.

Santiago Castaneda (links) hatte im defensiven Mittelfeld des MSV Duisburg viel zu tun.
Santiago Castaneda (links) hatte im defensiven Mittelfeld des MSV Duisburg viel zu tun. © Jan Fromme /firo Sportphoto | Jan Fromme

Nach der Führung passierte das, was zu erwarten war. Regensburg gab die Initiative an den MSV weiter ab. Der Gast verlegte sich aufs Verteidigen und versuchte über Konter, den Deckel zuzumachen. Mit der Einwechslung von Neuzugang Erik Zenga in der Halbzeit wurde die Rollenverteilung auf der nominellen Doppel-Sechs gerade im Ballbesitz differenzierter: Castaneda wirkte spielaufbauend mit vielen Abkippbewegungen in die erste Linie. Zenga attackierte und stand höher als alleiniger Achter. Durch die hochgeschobenen und Breite gebenden Außenverteidiger ergaben sich oft 3-3-1-3-Staffelungen mit dem umtriebigen Pledl als freies Radikal zwischen den Linien.

Im Chaos fühlt sich der Jahn wohl

Regensburg antwortete mit starken Mannorientierungen und zwang den MSV so in viele 1:1-Duelle und entlastete über vereinzelte lange Bälle. Es ergab sich ein relativ hektisches Spiel, das den MSV im Angriffsdrittel selten in klare Abläufe kommen ließ. Das war weniger eine Schwäche des MSV, sondern eher eine Stärke der Gäste. Diese Spielweise ist seit Jahren in deren DNA verankert. Im Chaos fühlt sich der Jahn einfach wohl und kann seine Qualitäten im Spiel gegen den Ball einbringen.

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Zudem setzten die Regensburger immer wieder Akzente aus dem Umschalten oder – wenn der MSV kompakt stand – mit langen Bällen, die immer wieder gut eingesammelt und dann sofort tief gespielt wurden (Pfostentreffer in der 67. Minute).

Obwohl sich der MSV tapfer gegen die Niederlage stemmte, einige Torannäherungen hatte und Regensburg in Sachen Intensität und Zweikampfhärte (fast) auf Augenhöhe begegnete, nahmen die Gäste aufgrund der größeren Chancen nicht unverdient die drei Punkte mit. Auch wenn das nicht Fußball mit der feinsten Klinge war, so muss man anerkennen: Regensburg hat eine klar erkennbare Spielidentität entwickelt. Diese wird bei der Kaderplanung und der Trainerwahl stets berücksichtigt. Das ist etwas, was dem MSV seit langem fast völlig abgeht.

Das ist Christoph Gebhard

Trainer Christoph Gebhard ist in der Amateur-Fußball-Szene als Taktikfuchs bekannt. Davon profitieren in erster Linie die A-Jugendfußballer von Viktoria Buchholz, mit denen der 46-Jährige in der vergangenen Saison in der Niederrheinliga an den Start gegangen ist. Gebhard ist zudem Fan des MSV Duisburg. Er verfolgt die Spiele der Zebras nicht nur mit Herzblut, sondern auch als Fachmann mit dem Blick auf das taktische Geschehen auf dem Platz. Für die Sportredaktion analysiert Christoph Gebhard die Spiele der Meidericher.