Duisburg. Der MSV Duisburg erfand sich nun als „Ausbildungsverein“ neu. Was dahinter steckt, blieb bislang unklar. Ein Erklärungsversuch.
Der MSV Duisburg hat sich in der vergangenen Woche per Pressemitteilung als Ausbildungsverein vorgestellt. Damit die Bedeutung der Aussage deutlich wird, hat man das Wort gleich in Großbuchstaben geschrieben: AUSBILDUNGSVEREIN. Vorstandschef Ingo Wald wird mit dem Ausrufezeichen „einer neuen Ära“ zitiert. Die Idee scheint aber nicht die des Präsidenten gewesen zu. Andreas Rüttgers, Marketing-Chef des Hauptsponsors Schauinsland-Reisen, kündigte die neue Zeit zunächst im MSV-Fan-Forum im Internet an.
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Da fragt man sich, ist es üblich, dass ein Sponsor an einem Konzept eines Profi-Fußball-Klubs mitarbeitet? Zumal Uwe Schubert, der Chef des Nachwuchsleistungszentrums, in die Entwicklung des Plans offenbar nicht eingebunden war. Weil der Internetbeitrag und die Pressemitteilung sonst wenig Inhalt hatten und nicht sehr intensiv erklären, was denn nun mit Ausbildungsverein gemeint ist, tauchte in der Fan-Diskussion der Eindruck auf: Die Zebras wollen es sich in der Dritten Liga einrichten. Der Aufstiegstraum ist ausgeträumt.
Es geht um Transfererlöse
Ingo Wald räumte beim Trainingsauftakt ein: „Da haben wir mit unserem Statement ein paar Fragen offen gelassen.“ Bevor es ins Detail geht, eine Erklärung des Vorsitzenden: „Wir wollen junge Spieler, die schon aus dem NLZ herausgewachsen sind, im Profibereich weiterentwickeln und mit langfristigen Verträgen ausstatten. Wir wollen ihnen dann den nächsten Schritt zu einem höherklassigen Verein ermöglichen.“
Mit anderen Worten, es geht um Transfererlöse. Die Geschichte soll also Geld in die Kasse spülen. Die Idee hat einen gewissen Charme. Wald mag zudem nicht gerne hören, dass sich die Wortwahl aufs Nachwuchsleistungszentrum beschränkt. Wald: „Da würde man die Arbeit des jetzigen NLZ nicht würdigen, denn die Leute machen gute Arbeit und haben gut ausgebildet.“
Das NLZ bewirbt sich um den nächsten DFB-Stern. Die Arbeiten dafür wurden vorher erledigt. Mit Ahmet Engin zum Beispiel, Lukas Daschner oder Vincent Gembalies und Migel-Max Schmeling und Jonas Brendieck. Jan Niklas Pia schaffte es zu Borussia Mönchengladbach. Dieses Konzept will man erweitern: Also mehr junge Leute im Kader. Die Aufstiegspläne untergrabe das keineswegs, denn der Etat für Spieler sei in der Größenordnung eines Aufstiegskandidaten. Wald: „Wir setzen vermehrt auf junge hungrige Spieler, aber der Anspruch, dass wir die Zweite Liga angreifen wollen, ist davon nicht berührt.“
Spielen dann entweder die Kicker, die man weiterbilden will, oder die erfahrenen aufstiegsfähigen Profis? Steht die Elf mit Sieg-Erwartung (Punkte) oder die mit der größten Gewinn-Erwartung (Euros) auf dem Platz? Wald: Wir wollen eine gesunde Mischung von Führungsspielern und den jungen Spielern, die wir heranführen, dass sie die Leistung bringen, um oben anzugreifen.“
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Die Suche nach den Perlen
Nach neuer Ära klingt das nicht. Eher nach einem zurück in die Zukunft: Als der MSV noch eine U 23 hatte, bildete der Verein unter anderem Mirko Boland, Adam Bodzek, Simon Terodde und Sascha Mölders aus. Die „Amateure“ schaffte der MSV – sehr zum Bedauern von Legende Bernard Dietz – aus Kostengründen ab. Jetzt holt der MSV Spieler aus den zweiten Mannschaften anderer Klubs wie Werder Bremen (Joshua Bitter) – Hannover 96 (Torwart Leo Weinkauf).
Transfersummen bezahlte der MSV für die jungen Talente keine. Der MSV selbst verkaufte zuletzt Mittelfeldspieler Fabian Schnellhardt – und das nicht ganz freiwillig. Das Konzept erfordert zudem ein sehr ausgefeiltes Scouting. Denn die Zebras müssen Perlen an Land ziehen, die finanzstärkere Klubs wie Schalke, Dortmund, Mönchengladbach, der 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf übersehen. Der VfL Bochum fischt in dem Teich ebenfalls mit. Warum sollten die Jungs zum MSV kommen oder dort im Nachwuchs spielen? Weil man einen Kunstrasenplatz mehr hat? Eher nicht.
Langfristige Verträge ziehen zudem langfristige Verpflichtungen nach sich. Wenn der vermeintliche Rohdiamant nur ein Glaskarfunkel ist, muss Sportdirektor Ivica Grlic schauen, dass er seinen Fehlgriff zurück an den Mann bringt. Wie leicht kann man selbst bei gestandenen Personal daneben liegen! Da denke man nur an John Verhoek, Richard Sukata-Pasu oder Yanni Regäsel.
Bei Talenten richtig zu liegen, ist ungleich schwerer. Ungeklärt ist auch das Problem mit dem Platz: 23 Männer sollen zum Beispiel in diesem Jahr im Kader stehen. Fünf Arbeitsplätze gehören bereits Spielern aus dem eigenen Nachwuchs. Drei Spieler kommen aus der vierten Klasse. Zwei Spieler kommen aus einer U 23. Bleiben nicht mehr so viele Beschäftigungsmöglichkeiten für routiniertes Personal, das sich nach Möglichkeit nicht verletzten darf.
Erweitert der MSV den Kader, dann wächst die Zahl der Spieler ohne Einsatzchancen. Die bekommen keine Spielpraxis und steigern damit keineswegs ihren Marktwert. Schaut man auf Chancen und Risiken, dann verdient der Begriff Ausbildungsverein keine Großbuchstaben. Von neuer Ära lohnt es sich ebenfalls nicht zu sprechen.
Die Pressemitteilung raschelt wie viel buntes Packpapier, das um ein sehr luftiges Paket gewickelt ist. Über den Inhalt der Kiste weiß man weniger. Was man sich zudem fragt: Hat der Verein mit 19 Spielern im Kader nicht gerade ganz andere Sorgen als den Bau von Schlössern in den Wolken?