Essen. Bernard Dietz steht für Bescheidenheit, Leistungswille, Bodenständigkeit. Der Respekt vor der Lebensleistung dieses Mannes ist riesig. Ein Kommentar.
In meinem Jugendzimmer hing, als ich gerade zwölf war, über dem Bett ein Poster, von dem ich immer noch behaupte: Ein schöneres hat es nie gegeben. Ein gutes Dutzend Männer winkte müde, aber glücklich in die Kamera, vor ihnen ein kleiner Silberpokal. Mittendrin: ein Kapitän, der mein Herz rührt. Heute noch.
Der Kapitän war Bernard Dietz, die Mannschaft die Nationalelf, die gerade mit ihrem Bundestrainer Jupp Derwall in Rom Europameister geworden war. Zwei Hrubesch-Tore reichten zum 2:1 über Belgien, die Nation war aus dem Häuschen. Nur zwei Jahre vorher hatte Deutschland die Schmach von Córdoba erlebt, das 2:3 gegen Österreich. Ein einziger Weltmeister von 1974 war noch im Team, Bernd Cullmann vom 1. FC Köln. Alle anderen: Burschen, die sich in sechs Jahren hochgedient hatten. Karl-Heinz Rummenigge. Hansi Müller. Klaus Allofs. Manfred Kaltz. Toni Schumacher. Uli Stielike. Bernd Schuster. Allesamt Stars.
Einer stach in diesem Ensemble aus großen deutschen Städten wegen Unauffälligkeit hervor. Bernard Dietz. Der ohne h im Vornamen. Die Position: Linker Verteidiger. Sein Verein: MSV Duisburg. Seine Erfolge vorher: alle ohne Pokal. Und trotzdem wurde so einer der Spielführer?
Der Respekt vor der Lebensleistung hat sich noch gesteigert
Der Respekt vor der Lebensleistung dieses Mannes, der Donnerstag 70 Jahre alt wird, hat sich seit jenen Jugendtagen von 1980 noch gesteigert. Ohne Übertreibung, seine Bescheidenheit, sein Leistungswille, seine Bodenständigkeit sind sinnstiftend: Damit verbindet das Ruhrgebiet seinen Fußball. Schon höre ich die Leser sagen: Ach, wären die Spieler von heute doch genauso!
Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, das will auch keiner. Aber man sollte daran erinnern dürfen, wofür die Legenden, die das Revier hervorgebracht hat, standen und stehen. Kein anderer Fußballer aus dem Pott hat die Nationalelf jemals als Kapitän zu einer Trophäe geführt: Bernard Dietz selbst würde das nie sagen. Allein das macht ihn zu einem besonderen Menschen.