Mönchengladbach. Der Aufschwung von Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga zu einem Spitzenteam ist eng verknüpft mit Trainer Lucien Favre. Der Coach will mit seinem Team in dieser Saison die Champions League erreichen. Als Spitzentrainer hat er sich für diesen Wettbewerb noch nie qualifiziert.

Die Sekunden verstreichen, während Lucien Favre mühsam nach einer passenden Antwort sucht. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach ist ein Freund des Understatements, „Champions League?, Nein!“, dazu sei die Konkurrenz zu stark, predigt er mit maximaler Beharrlichkeit, und nun war er gefragt worden, was sein Team denn unterscheide von einem echten Spitzenklub.

Favres Blick senkt sich, er denkt nach, und irgendwann verkündet er vage: „Zeit und ein wenig Geld.“ Wirklich überzeugend klingt der Schweizer nicht. Denn natürlich ist Borussia Mönchengladbach als drittbeste Mannschaft der Hinserie längst eine Spitzenkraft der Fußball-Bundes-
liga.

Trotz Abgang von Ter Stegen herrscht Ruhe bei Gladbach

Freitagabend (20.30 Uhr/ ARD und im Live-Ticker) kommt nun der übermächtige FC Bayern an den Niederrhein, und viele Experten meinen: Wenn einer das Team von Pep Guardiola besiegen kann, dann Favres Gladbacher, die in den vergangenen Jahren gute Spiele gegen die Bayern hinbekommen haben. Und die derzeit so gut sind wie seit Jahrzehnten nicht, das kann auch Favre nicht leugnen.

Daher gibt es durchaus Momente, in denen hinter der Fassade aus Skepsis große Zuversicht hervorschimmert. Der dritte Platz täusche, alle Siege seit September seien sehr knapp gewesen, sagt Favre zwar, „aber ich bin trotzdem sehr optimistisch, denn wir hatten immer viele Torchancen, manchmal sogar sieben oder acht pro Spiel.“

Favre coachte bis jetzt noch keinen Champions-League-Teilnehmer 

Und nun blickt der Fußball-Lehrer auf eine Winterpause zurück, in der er sich praktisch ohne störende Nebengeräusche seiner geliebten Arbeit an den Details widmen konnte. Mit dem Trainingslager ist er „sehr zufrieden“, die Ankündigung, dass Torhüter Marc-André ter Stegen den Klub im Sommer verlassen werde, hat allenfalls einen kleinen Moment der Unruhe erzeugt, und von den Stammspielern fehlt gegen den FC Bayern nur Tony Jantschke. Mönchengladbach ruht in sich wie lange nicht, und dennoch sagt Max Eberl: „Ich werde die vor der Saison ausgegebene Zielvorstellung mit einem einstelligen Platz nicht korrigieren.“

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Wer den ehrgeizigen Sportdirektor allerdings ein bisschen kennt, der ahnt, dass es sich bei diesem Satz um eine strategische Äußerung handelt. Natürlich wollen die Gladbacher unbedingt in den Europapokal, und vermutlich wäre Favre sogar tief enttäuscht, wenn es am Ende nur die Europa-League ist und nicht die Champions League, die er 2009 mit Hertha BSC Berlin knapp verpasste, bevor er vor eineinhalb Jahren mit der Borussia in den Playoffs zu diesem Wettbewerb scheiterte. Er ist ein Spitzentrainer geworden mit dem Makel, noch nie in der Champions League gecoacht zu haben.

Favre denkt nicht an die Verlängerung seines Vertrages bei Gladbach

Kein Wunder, dass er ausweichend reagiert, wenn er nach der von Eberl angestrebten Verlängerung seines 2015 endenden Vertrages gefragt wird. „Darüber denke ich im Moment wirklich nicht nach“, sagt er. Favre soll, wie auch einige Gladbacher Spieler, angeblich das Interesse der Vereinsführung von Manchester United geweckt haben. Gespannt wird man nun verfolgen, wie seine auf Ballbesitz ausgebildete Mannschaft nun gegen die Kombinationsmaschine aus München funktioniert.

Eberl warnt vor zu großen Erwartungen: „Eine Bestätigung ist schwieriger als eine Überraschung zu erreichen“, sagt er zwischen seinen Geschäftsreisen. Sie versuchen den wechselwilligen Luuk de Jong zu verkaufen, außerdem suchen sie einen Ersatz für ter Stegen, angeblich gab es ein Treffen mit Freiburgs Oliver Baumann. Auch um Kevin de Bruyne haben sie sich bemüht. „Aber da hatten wir keine Chancen“, weil Wolfsburg mehr Geld bieten könne, sagt Favre. Er nickt, als sei er froh, dieses Argument für seine These gefunden zu haben, dass die Borussia kein Spitzenklub sei.