Mönchengladbach. . Spielstark ist Christoph Kramer. Und zweikampfstark. Das hat der 22-jährige Mittelfeldspieler zwei Jahre lang beim VfL Bochum bewiesen. Im Interview spricht Borussia Mönchengladbachs Neuzugang über Benfica Lissabon, seine Ziele mit der Borussia und sein besonderes Verhältnis zum VfL Bochum.
Auf dem Papier liest sich Christoph Kramer als Neuzugang der Borussia aus Mönchengladbach wenig spektakulär, stehen dort auch der Brasilianer Raffael und der deutsche Nationalspieler Max Kruse. Auf dem Platz kann der ehemalige Spieler des VfL Bochum, der eigentlich Bayer Leverkusen gehört, den namhaften Spielern durchaus das Wasser reichen.
Kramer war Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld des VfL und will am Niederrhein nun den nächsten Schritt machen. Das unterstrich der 22 Jahre alte Solinger auch beim schweißtreibenden Pendellauf am Dienstag. Danach sprach WAZ-Redakteur David Nienhaus mit dem Defensivspieler.
Herr Kramer, konditionell stecken Sie Ihre neuen Mitspieler in die Tasche, oder?
Christoph Kramer: Ich war auf jeden Fall der letzte, der noch gelaufen ist (lacht).
Sie liefen wie der berühmte Hase aus der Batterie-Werbung. Ihr neuer Coach hat Sie mit Argusaugen beobachtet. Haben Sie deshalb noch fünf Extra-Einheiten gemacht?
Kramer: Nein, der Yoyo-Test war noch nicht zu Ende. Außerdem war ich noch nicht müde. Ich hätte auch noch länger laufen können.
Ausdauer mussten Sie auch bei Ihrem Wechsel zur Borussia beweisen. Der zog sich etwas hin, weil nicht von Beginn an feststand, wohin Ihr Weg geht. Sie liebäugelten auch mit dem Ausland.
Kramer: Bis zuletzt war Benfica Lissabon mit in der Verlosung. Das wäre auch eine tolle Herausforderung gewesen, aber ich habe einen Vertrag bei Bayer Leverkusen. Bayer wollte mich nach meiner Zeit in Bochum noch ein weiteres Mal ausleihen, damit ich weiter Spielpraxis sammeln kann – verkaufen wollten sie mich aber nicht. Benfica war nur an einem Kaufgeschäft interessiert.
Es klingt ein bisschen Wehmut in Ihrer Stimme. Die Bundesliga boomt und Sie spielen mit dem Gedanken, Deutschland zu verlassen.
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Kramer: Wehmut nicht, aber Lissabon hätte mich schon gereizt. Es ist der größte Klub der Welt, darüber muss man sich im Klaren sein. Von der Mitgliederzahl gibt es keinen Größeren weltweit. Ich habe mir vor Ort alles angeguckt und es hat mich fasziniert. Aber so ein Schritt ist für einen jungen Spieler auch mit einem hohen Risiko verbunden. Letztlich musste ich bei meinem Wechsel aber nicht lange überlegen.
Denn statt Benfica heißt es jetzt Borussia für Sie.
Kramer: Borussia Mönchengladbach schaltete sich spät in die Bemühungen um mich ein. Dann aber richtig. Wenn so ein Verein wie Gladbach anfragt, fällt einem die Entscheidung nicht schwer. So wie es jetzt ist, mit den zwei Jahren hier und dem Anschlussvertrag in Leverkusen, ist es die beste Lösung.
Warum wollten Sami Hyypiä und Rudi Völler Sie denn nicht sofort in der BayArena sehen?
Kramer: Bayer verleiht immer unheimlich gerne (lacht). Sie sind in der Breite bei der Doppelbelastung Bundesliga und Champions League nicht so gut aufgestellt. Aber auf meiner Position haben sie auch in der Breite die Qualität. Für mich hätte es keinen Sinn gemacht, nur jedes zweite DFB-Pokalspiel zum Einsatz zu kommen.
Sie waren zwei Jahre an den VfL Bochum ausgeliehen. Dort waren Sie unangefochtener Stammspieler.
Kramer: Bochum war ganz, ganz wichtig für mich. Ich habe 61 Zweitligaspiele gemacht für den VfL und das ist ein richtig gesundes Fundament, auf das man aufbauen kann. Ich konnte mich in Bochum wunderbar entwickeln und bin dem Verein sehr dankbar für die Zeit.
Inwiefern?
Kramer: Ich war am Wochenende bei der Saisoneröffnung an der Castroper Straße und wie ich dort empfangen wurde, ist gar nicht in Worte zu fassen. Das ist etwas ganz besonderes und gibt mir unheimlich viel Kraft. Wenn ich bei der Borussia mal eine schlechte Phase habe, fahre ich nach Bochum, da feiern die Fans mich wie den Helden und ich hole mir wieder Mut für die Aufgabe in Gladbach. Ich glaube, dass es außergewöhnlich ist, wenn ein Spieler, der den Verein verlässt, so umjubelt wird. Das bedeutet mir viel.
Mike Hanke geht es unter anderen Umständen ähnlich wie Ihnen. Er musste Gladbach in Richtung Freiburg verlassen. Sie haben sich sogar eine Dauerkarte für den VfL Bochum gekauft.
Kramer: Das mit Mike Hanke und mir ist gut vergleichbar. Ich habe eine Dauerkarte für den VfL, weiß aber nicht, wie viele Spiele ich sehen kann. Wie Mike hier in Gladbach, habe ich viele Freunde in Bochum gewonnen.
Herrmann trainiert in Oranje
Neururer laut Kramer "einer der besten Trainer der Welt"
Sportlich waren Sie die Konstante beim VfL Bochum. Bei Ihrem neuen Arbeitgeber ist der Konkurrenzkampf wesentlich höher.
Kramer: Dessen bin ich mir natürlich bewusst. Es ist die Bundesliga und egal auf welcher Position: Der Konkurrenzkampf ist hart. Das ist normal und dem werde ich mich stellen.
Leon Goretzka, Ihr Nebenmann in Bochum, hat bei seiner Vorstellung auf Schalke das Trainingsniveau beim VfL kritisiert. Zurecht?
Kramer: Das ist eine andere Welt, aber das ist keine Kritik. Wie gesagt, es ist die Bundesliga, das Aushängeschild des deutschen Fußballs und der Sprung ist enorm. Als ich damals aus der Regionalliga zu den Profis kam, war es auch eine große Umstellung. Aber das andere Niveau ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle.
Sie haben zuletzt mit Peter Neururer gearbeitet und jetzt trainieren Sie unter Lucien Favre. Vergleichen Sie mal die beiden Trainer, die wohl unterschiedlicher nicht sein können.
Kramer: Da treffen zwei Welten aufeinander. Peter Neururer ist ein Typ, der viel über seine Ausstrahlung kommt. Er ist der berühmte Feuerwehrmann und damit einer der besten Trainer der Welt. Wenn ich Vereinsboss im Abstiegskampf wäre, ich würde Neururer holen (lacht).
Man kann die Trainer aber nicht vergleichen. Lucien Favre arbeitet auf enorm hohem Niveau im taktischen Bereich, ihm ist die Spielstruktur unheimlich wichtig. Wie ich ihn kennen gelernt habe, ist er ein sehr netter Mensch, Er probiert, jedem Spieler zu helfen und spricht sehr viel mit uns.
Lucien Favre wird mich hundertprozentig weiterbringen in meiner Entwicklung und das war auch ausschlaggebend für meine Entscheidung, nach Gladbach zu wechseln. Ich habe in Favre einen Trainer, der mich besser macht.
Wenn er Sie zur Seite nimmt und mit Ihnen spricht, was erzählt Ihnen Favre dann?
Kramer: Er hat mir erst mal die Spielstruktur und –Idee und seinen Plan erklärt. Das war enorm wichtig. Und, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, ein paar technische Dinge hat er mir auch schon erläutert.
Granit Xhaka hat im vergangenen Jahr ähnlich gesprochen wie Sie, kam aber lange nicht so zum Zuge, wie er sich das vorgestellt hatte. Wie gehen Sie mit der großen Konkurrenz auf Ihrer Position um?
Kramer: Auch in Bochum habe ich nicht von Beginn an in der Startelf gespielt. Ich spiele jetzt eine Liga höher und biete mich über das Training an und wenn ich nicht direkt Stammspieler bin, ist das wahrscheinlich ganz normal. Das war auch nicht das Ziel meines Wechsels.
Sondern?
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Kramer: Ich wollte den nächsten Schritt machen. Natürlich will ich spielen, natürlich kämpfe ich um meinen Platz in der Mannschaft und bin nicht gekommen, um nur auf der Bank zu sitzen. Aber jetzt ist nicht die Zeit, den Konkurrenzkampf anzuheizen. Ich sehe das sehr realistisch und weiß, dass das ein schwieriger Weg wird. Ich habe jetzt zwei Jahre bei Gladbach und zwei Jahre in Leverkusen, um ein vernünftiger Bundesliga-Spieler zu werden. Man wird sehen, wie lange der Weg dahin dauert.
Favre legt viel Wert auf Balleroberung, Umschaltspiel und Ballkontrolle. Alle Attribute bringen sie aus Liga zwei mit.
Kramer: Ich glaube, die Borussia weiß genau, warum sie mich geholt hat. Gladbach hat mich ja nicht nur ein Spiel beobachtet. Von den Anlagen und dem Spielsystem passe ich gut in den Verein.
Gladbach wird mit "taktischer Raffinesse" spielen
Das konnten Sie auch in den ersten Trainingseinheiten beweisen. Was haben Sie für einen Eindruck von Ihren neuen Teamkollegen gewinnen können?
Kramer: Einen richtig guten Eindruck. Über Raffael und Max Kruse braucht man nicht mehr viel zu sagen, man weiß, was man bekommt. Aber auch die Jugendspieler, die momentan bei uns mittrainieren, sind richtig stark. Ehrlich. Da sieht man tatsächlich einen großen Unterschied zum VfL Bochum. Die jungen Fohlen sind auf einem richtig guten Niveau.
Raffael, Kruse und Kramer sind drei spielstarke Neuzugänge.
Kramer: Das kann vielleicht unser großes Plus in dieser Saison werden. Wir sind in der Offensive unheimlich variabel und das passt in das Spielsystem und in die taktische Raffinesse, mit der wir Spiele angehen wollen. Wenn das greift, sind wir eine spannende Mannschaft, die richtig etwas erreichen kann.
Was sind Ihrer Ziele mit der Mannschaft – tabellarisch?
Kramer kein Freund von Social Media
Havardt Nordtveit twittert, Marc-André ter Stegen nutzt intensiv Facebook und Branimir Hrgota ist bei Instagram sehr aktiv - wie gehen Sie mit den sozialen Medien um?
Christoph Kramer: Ich gucke den Menschen lieber in die Augen, als über Social Media zu kommunizieren. Ich habe ein Handy, mehr nicht. Ich nutze weder Facebook, Twitter noch Instagram und kenne mich mit den technischen Dingen auch nicht so aus.
Kramer: Wir haben noch kein Saisonziel ausgegeben. Die Bundesliga ist eine tolle Liga, in der jeder jeden schlagen kann. Aber: Kein Spiel wird einfach für uns.
Sie können auf der ganz großen Bühne beim Bundesliga-Auftakt den Triple-Sieger Bayern München schlagen – und eigentlich nur gewinnen.
Kramer: Als der Spielplan bekannt gegeben wurde, musste ich erstmal schlucken. Es gibt nichts Schöneres als so einen Auftakt – für die Fans, den Verein und auch für uns Spieler. Ich freue mich sehr drauf, wenn ich dabei bin. Dass es ist nicht einfach wird für uns in München, ist klar. Aber damit beschäftigen wir uns jetzt noch nicht.
Davor steht aber noch ein Trainingslager am Tegernsee. Am Donnerstag geht es los. Was erwarten Sie von den sieben Tagen im Süden der Republik?
Kramer: Alleine durch die Vielzahl der Einheiten wird das eine harte Woche werden. Aber Lucien Favre lässt viel mit dem Ball arbeiten und das ist angenehm für uns Spieler. Wir werden viel im technischen und taktischen Bereich arbeiten und das wird anstrengend, aber es ist auch immer schön, mit der Mannschaft zusammen zu sein.