Mönchengladbach. Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl spricht vor dem West-Duell mit Bayer Leverkusen am Samstag über die Last der guten Tat, seine Zufriedenheit mit dem siebten Tabellenplatz und Geduld als Tugend im Fußball.

Wer genau hinschaut, entdeckt auch an diesem Tag einen dezenten Dreitage-Bart. Max Eberl reibt sich mit einer Hand durchs Gesicht und lächelt: „Es gibt zwei Dinge, die ich nicht mag“, sagt der Sportdirektor des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach vor dem West-Duell am Samstag mit Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, live in unserem Ticker): „Schlange stehen und rasieren. Für beides fehlt mir einfach die Geduld.“ Ein Gespräch über die Borussia, über Schmetterlinge und Geduld als Tugend im Fußball.

Herr Eberl, sind Sie denn ein so ungeduldiger Mensch?

Max Eberl: Das kommt darauf an. Privat und im Alltag neige ich manchmal dazu, ich stehe wirklich äußerst ungerne irgendwo an, und oft empfinde ich das Rasieren als lästig, weil es so viel Zeit kostet.

Sind Sie auch ein ungeduldiger Manager?

Eberl: Nein, ganz und gar nicht. Als ich vor viereinhalb Jahren Sportdirektor bei der Borussia geworden bin, war es mir wichtig, eins gleich klar zu stellen: Ich bin keiner, der schnell heuert und feuert. Ich halte Geduld im Profi-Fußball für eine wichtige Tugend. Leider wird es in diesem Geschäft, aber auch in unserer Gesellschaft immer schwieriger, seine Ziele geduldig verfolgen zu können. Schauen Sie sich den Umgang mit neuen Spielern an: Wer nach drei Wochen nicht mindestens vier Tore auf dem Konto hat, wird zum Fehleinkauf abgestempelt.

Sie spielen auf Ihre drei großen Sommer-Einkäufe Luuk de Jong, Granit Xhaka und Alvaro Dominguez an?

Eberl: Nicht nur. Obwohl es mir auch bei den dreien viel zu viel nach dem Motto geht: Die Borussia hat Millionen Euro ausgegeben, jetzt muss das auch perfekt funktionieren, und zwar sofort. So einfach ist das im Fußball leider nicht. Aber wir leben inzwischen in einer Zeit, auch durch die Entwicklung des Internets bedingt, in der alles sofort passieren muss. Ich gebe Ihnen ein Beispiel…

Gerne.

Eberl: Wie ist früher eine Trainer-Entlassung vor sich gegangen? Am Samstag haben sie um 17.15 Uhr verloren, am Sonntag hat sich das Präsidium getroffen, am Montag hat der Verein verkündet, dass er sich vom Trainer trennt. Drei, vier Tage später war der neue Mann da. Heute verlieren sie um 17.15 Uhr, um 17.20 Uhr müssen sie als Sportdirektor Rede und Antwort stehen, ab 18 Uhr wird nur noch spekuliert, wer der Neue ist. Dabei ist noch gar nichts entschieden worden.

Wie geht man damit um?

Eberl: Man muss einen Plan haben, und auf diesen Plan muss man setzen. Es führen viele Wege nach Rom, aber entscheidend ist, dass ich nicht ständig den Weg wechsle.

Und Gladbachs Weg?

Eberl: Ist einer mit vielen jungen Spielern, gemischt mit ein paar Identifikationsfiguren. Nehmen sie Marc-Andre ter Stegen, Patrick Herrmann oder Tony Jantschke, die alle aus unserem Leistungszentrum stammen. Das zeigt doch, dass es so gehen kann. Oder auch unsere drei Neuen: Alle sind noch jung, alle haben Entwicklungspotenzial. Und dann muss man beharrlich Schritt für Schritt gehen.

Ist denn Borussia Mönchengladbach im Moment nicht Opfer des eigenen Erfolges? Nach Platz vier in der vergangenen Saison löst der aktuelle Platz sieben weniger Begeisterung aus, zumal das Team mit Marco Reus doch an Zauber verloren hat.

Eberl: Das ist das, was ich mit der fehlenden Geduld meine. Schauen Sie, im Mai 2011 haben wir auf den letzten Drücker die Klasse gehalten. Im Mai 2012 werden wir Vierter, womit doch kein Mensch je ernsthaft gerechnet hat. Und schon wachsen die Ansprüche. Dabei sind wir jetzt mitten in einem Umbruch. Und das als Siebter. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Und es entspricht auch genau unserem Plan, sich im einstelligen Bereich dauerhaft zu etablieren. Wir spielen kommende Woche in einem europäischen Wettbewerb gegen Lazio Rom. Wann hat es das hier zuletzt gegeben? Ich sage es Ihnen: vor 16 Jahren.

Man hat Gladbach trotzdem neulich mit einem Schmetterling verglichen, der ein bisschen das Fliegen verlernt hat...

Eberl: Einspruch. Wenn, dann sind wir ein Schmetterling, der im Vorjahr ganz hoch geflogen ist. Und der jetzt lernen muss, dauerhaft in der Luft zu bleiben.

Noch einmal zurück zum Umbruch: Marco Reus, Roman Neustädter und Dante sind weg, ihre Ablösen sind in Spieler geflossen, die dieses Trio bis jetzt nicht eins zu eins ersetzen können. Macht das Ihr Leben schwerer?

Eberl: Wer ist denn da gegangen? Alle drei sind Stammspieler bei ihren neuen Vereinen, und was sind das für Vereine? Bayern, Dortmund, Schalke. Das sagt doch alles. Aber vielleicht schaut man mal zurück: Haben die drei denn alle auf Anhieb in Gladbach funktioniert? Oder gab es da nicht auch eine Zeit der Eingewöhnung? Ich bleibe dabei: Man kann Transfers erst nach einiger Zeit beurteilen. Wir sind auf unserem Weg.

Haben Sie Ihren Trainer Lucien Favre eigentlich schon auf das nächste vielversprechende Talent im Gladbacher Nachwuchs aufmerksam gemacht? Da spielt ein gewisser Max Eberl...

Eberl: Lucien und ich reden ständig über Spieler. Mein Sohn ist jetzt 12, und wissen Sie was? Der hat einen richtig guten Blick fürs Spiel. Aber ich muss auch zugeben: Er ist nicht gerade ein Trainingsweltmeister. Dazu hat er zu viele andere Interessen neben dem Fußball. Aber mal ehrlich: Das ist auch gut so.