Gladbach. .

In Mönchengladbach zeichnet sich nach der Pleite gegen St. Pauli und vor dem Spiel auf Schalke eine Zittersaison ab. Der Trainer klagt über Fehlentscheidungen der Referees - doch die Ursachen liegen woanders.

Michael Frontzeck stand im Bauch des Mönchengladbacher Stadions und guckte auf einen Fernsehschirm. Es waren tolle Bilder, die er da zu sehen bekam. Ein Tor nach dem anderen rauschte am Trainer vorbei. Zu sehen waren Dortmunder Fußballer, die zauberten und immer wieder jubelten. Frontzeck verzog keine Miene, und doch konnte man sich in diesen Sekunden nach dem Abpiff nur allzu gut vorstellen, wie gerne er ein kleines Häppchen dieser Spielkultur für seine Borussen abhaben würde.

Denn Spielkultur haben sie in Mönchengladbach gerade nicht im Angebot. Und nach der 1:2-Pleite gegen den FC St. Pauli kann man sich auch kaum vorstellen, dass sich an diesem Manko kurzfristig etwas ändert. Was muss passiert sein, wenn Holger Stanislawski, der Trainer einer Aufstiegsmannschaft, nüchtern feststellt, dass man „gegen einen sehr tief stehenden Gegner” versucht habe, „unsere Art von Fußball durchzuziehen”?

Aus Sicht von St. Pauli war der Satz eine Analyse, aus Sicht von Mönchengladbach war der Satz eine Anklage. Der unausgesprochene Vorwurf lautet: St. Pauli spielt modern, mit kurzen Pässen und beweglichen Spielern. Gladbach dagegen verkriecht sich im eigenen Stadion, das Team stellt sich mit zwei Viererketten vors eigene Tor, ist ängstlich, mutlos und nur darauf bedacht, keinen Fehler zu machen und keinen Gegentreffer zu kassieren.

Chance zur Wiedergutmachung verpatzt

Frontzeck wollte seinen Stuttgart-Verlierern die Chance geben, etwas gutzumachen. Doch daraus wurde nichts. Am Ende erhärtete sich der Eindruck, dass dies nicht mehr die Borussia ist, die im vergangenen Jahr noch eine stabile Saison gespielt hat. Was möglich ist, wenn alles optimal läuft, hat der 6:3-Erfolg in Leverkusen gezeigt. Und was möglich ist, wenn alles schief läuft, hat das 0:7 in Stuttgart gezeigt. Aber diese beiden Spiele sind kaum der Maßstab. Der Maßstab sind die Heimspiele gegen den 1. FC Nürnberg, gegen Eintracht Frankfurt und jetzt gegen St. Pauli.

Das sind Gegner, die man besiegen muss, wenn der Plan gelingen soll, eine Spielzeit ohne Abstiegsangst über die Bühne zu bringen. Doch derzeit deutet nichts auf eine sorgenfreie Saison hin. Ein einziger Punkt ist die Ausbeute nach drei lösbaren Heimspielen, und jetzt wartet ein ziemlich ordentliches Programm auf die Borussia: Samstag gibt’s den Auftritt auf Schalke, dann kommt der VfL Wolfsburg, ehe es nach Hoffenheim geht.

Fragwürdige Schiedsrichter-Pfiffe

Man habe „eine komplizierte Situation”, in der alles zusammen komme, sagte Michael Frontzeck. Es gebe so viele fehlerhafte Schiedsrichterentscheidungen gegen seine Mannschaft, die in dieser Häufigkeit „nicht mehr nachzuvollziehen” seien. Darüber kann man durchaus diskutieren. Tatsächlich wurden die Borussen auch gegen St. Pauli benachteiligt. Doch als Ursachenanalyse taugt ein verweigerter Handelfmeter dennoch nicht, weil das Team gerade jegliche Qualität vermissen lässt. Die Abwehr ist komplett verunsichert, allen voran Torhüter Logan Bailly, die Führungsspieler spielen nur mit, und die jungen Talente wie Marco Reuss oder Patrick Herrmann fehlt es noch an Routine und Kraft.

Wenn Michael Frontzeck also behauptet, dass seine Mannschaft verstanden habe, „dass es so wie in Stuttgart nicht” gehe, und dass es sogar einen „ersten Schritt” in die richtige Richtung gegeben habe, dann dürfte das kalkulierte Aufbauarbeit sein. Der Trainer will nicht auf seine Truppe einhauen, weil es einem Taumelnden wenig hilft, wenn er gestoßen wird. Zumal wenn mit Dante, der wegen eines Fußwurzelbruchs wochenlang ausfallen soll, auch noch der beste Mann nicht mehr helfen kann.

„Wir müssen hart arbeiten und den Kopf oben behalten”, betont der Trainer, der mit seinem Team nach dem Abpfiff in ein „Regenerationstrainingslager“ nach Holland aufbrach. Gemeinsames Essen, eine Trainingseinheit, viele Gespäche und dann zurück nach Gladbach. „Wir wären auch gefahren, wenn wir gewonnen hätten.”