Mönchengladbach. Michael Frontzeck spricht über den Umbruch bei Borussia Mönchengladbach, den Spielstil des VfL Bochum und das Duell im Ruhrstadion am Samstag.
Michael Frontzeck blickt relativ entspannt in seine Zukunft. Er würde wieder über ein Engagement nachdenken, „wenn etwas reinkommt, was Spaß macht“, sagt er. „Und was Spaß macht, entscheide ich von Fall zu Fall.“ Der 59-Jährige hat zwar derzeit keinen Trainerjob, verfolgt die Fußball-Bundesliga aber trotzdem genau – vor allem dann, wenn Borussia Mönchengladbach spielt. An diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) tritt sein langjähriger Klub zum West-Duell beim VfL Bochum an, für den er ebenfalls einst als Profi am Ball war.
Bereitet Ihnen die Entwicklung von Borussia Mönchengladbach Sorgen, Herr Frontzeck?
Michael Frontzeck: Die Gladbacher haben im Sommer einen großen Kaderumbruch vollzogen. Die Mannschaft hat auf den ersten Blick viel Qualität verloren. Finanziell ist der Klub nicht so gebettet, dass er alles eins zu eins ausgleichen kann. Aber ich glaube, dass er gute Transfers getätigt hat, die sich im Laufe der Saison und in den nächsten Jahren auszahlen werden. Fußball ist ein nervöses Geschäft geworden, nach fünf Spielen muss allerdings noch niemand nervös werden. Ich mache mir keine Sorgen um Gladbach. Dennoch ist das angesichts der Konstellation in Bochum nun eine schwierige Aufgabe.
Was erwarten Sie von dieser Partie im Ruhrstadion?
Ein sehr kampfbetontes, ausgeglichenes Spiel. Das Bochumer 0:7 in München würde ich nicht zu hoch hängen. Wenn es bei den Bayern läuft, kommen dort auch ganz andere Mannschaften unter die Räder. Ich glaube, dass Kleinigkeiten die Partie in Bochum letztlich entscheiden werden.
2011 markierte die Rettung in der Relegation gegen Bochum den Beginn einer sehr erfolgreichen Gladbacher Dekade. Warum scheinen diese Zeiten jetzt erst einmal vorbei zu sein?
Diese Zeiten müssen gar nicht unbedingt vorbei sein. Borussia Mönchengladbach ist ein Traditionsklub mit riesigen Erfolgen in der Vergangenheit, gerade in den Siebziger Jahren. Es ist ein sehr beliebter Verein, bei dem auch immer eine gewisse Erwartungshaltung vorherrscht. Im gesamten Umfeld – ich wohne ja in Mönchengladbach – weiß man die Situation richtig einzuschätzen. Da steht eine neue, teilweise sehr junge Mannschaft auf dem Platz, die ihre Zeit braucht. Man kann jetzt noch nicht sagen, dass es in die eine oder andere Richtung geht.
Wie denken Sie über Sie denn über die gesunkenen Ansprüche der Gladbacher Verantwortlichen im Vergleich zu früheren Zeiten?
Es ist objektiv betrachtet die einzig Möglichkeit, wie man die Sache sehen kann. Ich habe nichts gegen Träume, jeder darf sie haben. Aber die Bundesliga ist ein hartes Geschäft, in dem es wichtig ist, einen Bezug zur Realität zu haben, den es in Gladbach auch gibt.
Was halten Sie von Trainer Gerardo Seoane?
Ich kannte ihn zuvor aus Leverkusen. Dort hat er einen guten Eindruck gemacht, wie auch jetzt in Gladbach. Er ist sich der Schwere der Aufgabe sicherlich bewusst. Jedoch ist es, wie bereits gesagt, ein sehr unruhiges Geschäft geworden, in dem man als Trainer relativ wenig Zeit hat. Ich hoffe, dass er sie ausreichend hier in Gladbach kriegt.
Sie sind in Mönchengladbach geboren. Ihr Vater spielte bereits für Borussia, sie selbst waren dort auch Spieler und Trainer. Was bedeutet Ihnen der Verein heute noch?
Gladbach ist Heimat für mich. Ich bin ja in diesem Klub groß geworden, habe sicherlich auch für andere gespielt, aber Borussia bin ich immer noch sehr verbunden.
Im März 1995 spielten Sie im Ruhrstadion als Profi des VfL Bochum gegen Gladbach. Wie blicken Sie auf Ihre Zeit im Revier zurück?
Es war leider das erste Jahr, in dem ich mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Ich hatte durchgängig Probleme, habe viel verletzt und dementsprechend auch schlecht gespielt. Wir sind damals abgestiegen; sportlich war es nicht so schön, aber ansonsten habe ich Bochum gut Erinnerung. Ich habe gerne im Ruhrstadion gespielt, dort herrscht eine super Atmosphäre. Ich habe mich unabhängig von den Leistungen sehr wohl in Bochum gefühlt.
Wenn Sie auf Ihre aktive Laufbahn zurückschauen: Was war das schönste Erlebnis?
Mein erstes Jahr als Profi, als ich anfing, auf dem Bökelberg zu spielen, war mit das schönste. Wenn man in Gladbach groß wird, dort in der Jugend spielt, zunächst am Stadion vorbeigeht zum Training und dann darin spielen darf, ist es etwas ganz Besonderes.
Später waren Sie Trainer in Gladbach. 2011 trennte sich der Klub im Abstiegskampf von Ihnen.
Man hat sich damals entschlossen, den Trainer zu wechseln, was absolut okay war. Lucien Favre hat es nach einem gewissen Anlauf auch geschafft, dann ist die Mannschaft in eine andere Richtung gegangen. Qualitativ, wenn alle Spieler fit gewesen wären, hätte man in dieser Saison eigentlich nichts mit dem Abstieg zu tun haben dürfen.
Die Borussia wurde zuletzt zweimal Zehnter, belegt jetzt mit zwei Punkten Rang 15. Hätten Sie mehr erwartet?
Bei dem Auftaktprogramm mit Spielen gegen Leverkusen, Bayern und Leipzig nicht, das waren drei Bretter zu Hause. Allerdings muss man auch, wenn man auswärts sieben Tore schießt, mehr als zwei Punkte haben. Das hätte zu einem Sieg reichen müssen, dann sähe die Situation schon anders aus. Die Qualität der Mannschaft wird sich allerdings erst im Saisonverlauf zeigen. Man muss ihr die nächsten Monate geben, um zu sich zu finden.
Meistertitel 1992 mit dem VfB Stuttgart
- Michael Frontzeck, geboren am 26. März 1964 in Mönchengladbach, absolvierte insgesamt 436 Bundesliga-Spiele. Sein größter Erfolg war der Meistertitel 1992 mit dem VfB Stuttgart. In England stand der Linksverteidiger bei Manchester City unter Vertrag, in der deutschen Nationalmannschaft kam er zwischen 1984 und 1992 auf 19 Einsätze und wurde 1992 in Schweden Vize-Europameister.
- Frontzeck war Cheftrainer bei Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld, Borussia Mönchengladbach, dem FC St. Pauli, Hannover 96 und dem 1. FC Kaiserslautern. Zuletzt arbeitete er in der Saison 2021/22 als Co-Trainer beim VfL Wolfsburg.
Wie muss sich Gladbach nun am Samstag präsentieren, um in Bochum bestehen zu können?
Man sollte die Dinge aus dem 0:1 gegen Leipzig mitnehmen, als man relativ wenig zugelassen und aus einer Kompaktheit heraus gespielt hat. Die Gladbacher haben zudem schon bewiesen, dass sie auswärts in der Lage sind, Tore zu erzielen. Für sie geht es darum, eine richtige Mischung, eine Kombination zu finden. Gleichzeitig müssen sie sich darüber bewusst sein, was in Bochum auf sie zukommt.
In der vergangenen Saison verlor Gladbach dort mit 1:2. VfL-Trainer Thomas Letsch lässt seine Mannschaft ein sehr intensives Pressing spielen. Wie kann Borussia damit zurechtkommen?
Es hängt immer davon ab, welches Risiko man eingeht und wie man in der Lage ist, hinten herauszuspielen. Durch das hohe gegnerische Pressing hat man vielleicht im letzten Drittel riesige Möglichkeiten zu kontern. Die Bochumer haben es allerdings in der Vergangenheit sehr gut gemacht. Wenn sie es wieder zu 100 Prozent wieder so hinkriegen, dann tun sie nicht nur Borussia weh, sondern auch noch anderen Mannschaften.