Mönchengladbach.. Berti Vogts wird 75 Jahre alt. Er war Weltmeister als Spieler und Europameister als Trainer. Doch die große Wertschätzung blieb ihm oft verwehrt.
Uwe Bein war der Mann, der für seinen „tödlichen Pass“ gerühmt wurde, für den wohltemperiert gespielten Ball in die Tiefe. Der Top-Techniker aus Frankfurt war in allen drei Vorrundenspielen dabei, als die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien schon früh zu erkennen gegeben hatte, dass beim Kampf um den Titel mit ihr zu rechnen war. Doch als dann die K.o.-Spiele kamen, wurde der Mittelfeld-Regisseur nur noch einmal eingesetzt, beim glücklichen 1:0-Sieg im Viertelfinale gegen die Tschechoslowakei.
Keine Nominierung für das Halbfinale gegen England, keine für das Finale gegen Argentinien. Uwe Bein war deprimiert, und Berti Vogts merkte das. „Wir müssen ihm das wenigstens erklären“, sagte der Co-Trainer zum Teamchef Franz Beckenbauer. Der winkte ab, wollte sich vor dem Endspiel nicht mit den Empfindlichkeiten Einzelner abgeben. Also ging Berti Vogts zu Uwe Bein aufs Zimmer und schenkte dem sensiblen Spieler Zuwendung, bevor die anderen den Titel holten.
Berti Vogts bestach durch seinen Kampfgeist
Ein Rollentausch. Als Spieler war Franz Beckenbauer der Feinfühlige, der immer wusste, was zu tun ist, während Berti Vogts durch seinen nimmermüden Kampfgeist bestach und einen eroberten Ball am liebsten direkt weiterleitete. Als Trainer verließ sich Beckenbauer auf Fußballer, von denen er wusste, dass sie in großen Duellen auch ihre Ärmel hochkrempelten. Während Vogts spürte, wenn ein Profi mehr brauchte als taktische Anweisungen.
An diesem Donnerstag wird Berti Vogts 75 Jahre alt. Wenn er auf seine Karriere zurückblickt, kann er stolz sein. Trotz seiner bescheidenen technischen Qualitäten hat er es als Spieler bis zum Weltmeister gebracht, als zuverlässiger Abwehrmann war er einer der Hauptdarsteller in der großen Ära der Mönchengladbacher Borussia in den 70er-Jahren. Als DFB-Nachwuchstrainer setzte er Maßstäbe, und so war es damals logisch, dass er nach dem WM-Triumph 1990 Franz Beckenbauer als Bundestrainer ablöste. Doch obwohl Berti Vogts 1996 die Nationalelf mit dem perfekten Motto „Der Star ist die Mannschaft“ zum Europameistertitel in England führte, blieb ihm stets die große Anerkennung der Öffentlichkeit verwehrt. Vielleicht, weil bei zwei Weltmeisterschaften im Viertelfinale Schluss war. Vielleicht auch, weil er sich manchmal etwas ungelenk ausdrückte – zu viele Sätze formulierte er anders, als er sie gemeint hatte („Hass gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben“).
Ein Problem aber war auch, dass sich der Titelsammler selbst manchmal kleiner machte, als er es war. „Wenn ich übers Wasser laufe, sagen meine Kritiker: Nicht mal schwimmen kann er.“ Ein typisches Zitat von ihm, mit wahrem Kern. Einen weiteren bemerkenswerten Satz sagte er ebenfalls zu seiner Zeit als Bundestrainer: „Einer wie ich hätte in meiner Mannschaft heute keine Chance mehr.“ Der Weltmeister von 1974 schmälerte die eigene Leistung, um die Klasse seiner vielseitig ausgebildeten Spieler zu verdeutlichen. Das war im Grunde Größe.
In acht Jahren als Bundestrainer schaffte er es aber nicht, lockerer zu werden. Witterte er Ungerechtigkeit oder las er Kritik, dann gab er sich bissig wie der Verteidiger Vogts, der einst respektvoll „Terrier“ genannt wurde. Dabei ist Berti Vogts im kleineren Kreis, ohne Kameras und Aufnahmegeräte, immer auch aufgeschlossen und humorvoll gewesen, ein netter Kerl voller Tatendrang.
Berti Vogts: Sein Ehrgeiz zahlte sich aus
Mit Beharrlichkeit, mit zähem Willen hatte er es ja nach oben geschafft, der Junge aus dem niederrheinischen Büttgen, der mit zwölf Jahren die Mutter und mit dreizehn den Vater verloren hatte, der bei einer Tante aufwuchs und eine Lehre als Werkzeugmacher absolvierte, bevor er bei Borussia Mönchengladbach durchstartete: „Es gab Tausende von Fußballern, die begabter waren als ich, doch ich war ehrgeiziger.“ Die Grenze vom Ehrgeiz zur Verbissenheit aber hat er nach der Spielerkarriere zu oft überschritten.
Der Terrier kann auch heute noch zuschnappen, aktuell haben das die Wadenbeine der Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach zu spüren bekommen, denen er fehlende Wertschätzung vorwirft. So kauft er seit sechs Jahren zwei Dauerkarten für die Heimspiele selbst. „Es kommt mir schon mal in den Sinn, dass ich in meiner Laufbahn doch einiges hätte anders machen sollen,“ sagte Berti Vogts in einem Interview mit der Redaktionsgemeinschaft „G14plus“. Er sei „14 Jahre einem Klub treu geblieben, der nun mit seinen Legenden nicht mehr viel zu tun haben will“. Das liege „vor allem am Präsidenten“ – den Namen Rolf Königs sprach er nicht aus. Berti Vogts will „mit dem Klub nichts mehr zu tun haben“. Sein Fazit klingt verbittert: „Wir hatten eine tolle Zeit: Ein Dorfverein wurde zu einem Topklub. Heute ärgere ich mich darüber, nicht auf Franz Beckenbauer gehört zu haben. Er wollte mich nach München holen und später zu Cosmos New York.“
Die Welt hatte er schon immer gern bereist, auch abseits der Touristenpfade. Nachdem der Versuch, als Bundesligatrainer bei Bayer Leverkusen Fuß zu fassen, im Jahr 2001 nach nur sechs Monaten gescheitert war, lockten Berti Vogts auch sportlich manche Abenteuer im Ausland: Er trainierte die Nationalmannschaften von Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidschan.
Eine kleine Enkelin macht Berti Vogts Freude
Seit acht Monaten hat er Freude an dem neuen Familienmitglied Emyli – sein Sohn Justin und dessen schottische Frau Claire haben ihn zum Opa gemacht. Seinen Geburtstag feiert er privat in einem von ihm seit vielen Jahren geschätzten Hotel im Schwarzwald.
75 – das könnte eine Gelegenheit sein, eine Biografie zu schreiben, doch schon vor fünf Jahren entschied er sich dagegen: „Ich packe nicht aus, wie es andere getan haben“, hat Berti Vogts gesagt. „Dafür liebe ich den Fußball zu sehr. Ich habe ihm alles zu verdanken.“