Mönchengladbach. Gladbachs Florian Neuhaus spielt eine starke Saison. Ein Gespräch über den Rose-Wechsel zum BVB, die Nationalelf und Manchester City.
Im Champions-League-Spiel bei Inter Mailand gelang Florian Neuhaus am 21. Oktober 2020 eine Torvorlage, die im Gedächtnis haften blieb: Ein Flachpass mit dem Vollspann aus der eigenen Hälfte, vorbei an sechs Gegenspielern, durch drei Schnittstellen, genau in den Lauf von Jonas Hofmann, der den Ball verwertete. Die Fußballwelt staunte über das Kunststück von Neuhaus, auf den es sicherlich auch am Mittwoch (21 Uhr/DAZN) ankommen wird, wenn er mit Borussia Mönchengladbach in Budapest zum Achtelfinal-Hinspiel gegen Manchester City antritt. Vor dem Duell spricht der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler über die Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale der Königsklasse, seine Ziele als Jung-Nationalspieler und den nahenden Abschied des Trainers.
Herr Neuhaus, wie haben Sie Marco Roses Entscheidung aufgenommen, im Sommer von Gladbach nach Dortmund zu wechseln?
Florian Neuhaus: Es kam ja nicht mehr ganz so überraschend. Wenn sich Gerüchte so lange halten, konnte man damit schon ein bisschen rechnen. Es ist jetzt für Klarheit gesorgt. Das kann auch etwas Positives nach sich ziehen.
Was hat der Trainer dem Team zu seinem Entschluss gesagt?
Neuhaus: Dass es eine persönliche Entscheidung, ein Bauchgefühl war. Ich glaube auch nicht, dass im Profifußball die Gründe immer so naheliegend sind. Manchmal gibt es auch einfach ein Gefühl, eine Bauchentscheidung, eine Veränderung haben zu wollen. Für uns gilt es, diese Entscheidung zu respektieren.
Hat sich die Stimmung in der Mannschaft verändert?
Neuhaus: Nein, wir sind in der Mannschaft professionell genug, dass wir es nicht an uns heranlassen. Ich habe eine ähnliche Situation schon vor zwei Jahren erlebt, als bekannt wurde, dass Dieter Hecking den Verein am Saisonende verlassen wird. Wir haben es dennoch geschafft, uns für die Europa League zu qualifizieren und die Saison damit erfolgreich abzuschließen.
Sehen Sie dennoch eine Gefahr, dass der Gladbacher Saisonverlauf nun durch den beschlossenen Trainer-Abschied negativ beeinflusst werden könnte?
Neuhaus: Das wird unsere Leistung nicht negativ beeinflussen. Wir wissen auch: Wenn wir Spiele gewinnen, wird sich alles im Rahmen halten, wenn wir hingegen Spiele verlieren, wird das Thema immer wieder aufkommen. Wir haben den Anspruch, dem Ganzen mit erfolgreichen Spielen entgegenzuwirken.
Sie haben in den vergangenen rund anderthalb Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Welchen Anteil hat Marco Rose daran?
Neuhaus: Er hat einen großen Anteil an meiner Entwicklung. Die Versetzung auf die Sechser-Position, also weiter nach hinten, hat meinem Spiel und mir gut getan. Am Anfang seiner Amtszeit habe ich ihm gesagt, dass ich diese als Chance sehen möchte, ein kompletterer Spieler zu werden. Das ist mir bis hierhin gut gelungen. Trotzdem habe ich aber noch Potenzial. Ich kann mich auf jeden Fall noch weiter entwickeln.
Auf Ihrer Position sind Sie eine tragende Säule im Gladbacher Spiel. Worauf achten Sie besonders auf dem Feld?
Neuhaus: Auf die Balance zwischen Offensive und Defensive. Ich habe natürlich defensive Aufgaben, muss die Wege mit nach hinten machen. Mit Ball bin ich dafür zuständig, das Aufbauspiel mitzugestalten, eine Überzahl auf der Ballseite zu schaffen. Es geht für mich aber auch darum, im Übergangspiel nach vorne etwas zu probieren, zum Beispiel mit einem Dribbling. Man sieht in dieser Saison, dass ich bei der Torgefahr und den Assists etwas zugelegt habe.
Stichwort Assist: Ihr Traumpass auf Jonas Hofmann im Spiel bei Inter Mailand ist in Erinnerung geblieben. Kann man eine solche Torvorlage eigentlich trainieren?
Neuhaus: Die Passtechnik mit dem Vollspann kann man natürlich trainieren. Die Situation, die entstand ist auch unserem Spielsystem geschuldet. Wir denken alle ähnlich, haben unsere Prinzipien, wollen also nach vorne spielen und den Ball hinter die Abwehrkette bringen. Ich habe den Raum in der Szene ein bisschen gesehen. Dass der Ball dann so durchgeht, kann man aber vorher nicht planen.
Welche Rolle spielt Intuition im Spiel?
Neuhaus: Das Spiel läuft mittlerweile so schnell, dass es darum geht, ein Gefühl für eine Situation zu haben. Im Fußball ist das heutzutage sehr wichtig. Intuitiv macht man viele Sachen richtig.
Ausstiegsklausel von 40 Millionen Euro
- Florian Neuhaus wurde am 16. März 1997 in Landsberg am Lech (Bayern) geboren. Er wuchs in Kaufering auf.
- 2017 wechselte er von 1860 München zu Borussia Mönchengladbach und wurde zunächst nach Düsseldorf ausgeliehen. 2018 feierte er mit der Fortuna den Bundesliga-Aufstieg.
- In seinem bis 2024 datierten Gladbach-Vertrag soll eine Ausstiegsklausel in Höhe von 40 Millionen Euro verankert sein.
Beschäftigen Sie sich auch in Ihrer Freizeit eigentlich viel mit Fußball?
Neuhaus: Ich bin sehr fußballinteressiert. Das ist mein Leben, das kann man so sagen. Ich schaue auch viel Fußball im Fernsehen.
Ihr Vater ist großer Fan des FC Bayern München. Wie konnte er seinen Sohn damals in der Jugend des TSV 1860 spielen lassen?
Neuhaus: (lacht) Mein Papa hat das so hingenommen. Es war schon immer ein gewisser Aufwand, mich zum Training zu fahren. Ihm war es aber immer wichtig, dass ich mit Spaß bei der Sache war. Das war auch der Fall. Deshalb konnte er auch in meinem Sinne zurückstecken. Er hat es so akzeptiert. Ich hatte immer den Traum, Fußballprofi zu werden. Aber als kleiner Junge realisiert man ja gar nicht, was für ein Weg das eigentlich ist. Früher bin ich dorthin gefahren, um mit meinen Freunden und den anderen Jungs Fußball zu spielen. Und wenn ich mal kein Training bei 1860 hatte, bin ich mit meinen Freunden aus meiner Heimat in Kaufering auf den Bolzplatz gegangen und habe dort gespielt.
Wie hat Ihre Familie am 7. Oktober 2020 reagiert, als Sie in der Nationalmannschaft debütierten und beim 3:3 gegen die Türkei gleich ein Tor erzielten?
Neuhaus: Alle haben sich für mich gefreut. Das war schon ein besonderer Moment für mich. Meine Eltern waren sehr stolz auf mich. Ich habe direkt nach dem Spiel mit ihnen telefoniert. Ich habe Ihnen gesagt, wie dankbar ich ihnen bin, dass sie mir diesen Weg ermöglicht haben. Das war ein toller Tag, den ich nie vergessen werde.
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Vor drei Jahren spielten Sie noch mit Fortuna Düsseldorf in der 2. Bundesliga. Hätten Sie sich damals einen solchen Weg zugetraut?
Neuhaus: Ich bin keiner, der immer so weit in Zukunft schaut. Aber ich bin jemand, der sich einer Aufgabe mit einer hundertprozentigen Hingabe widmet. Es ist mir immer gelungen, mich an das jeweilige Niveau anzupassen. So war es beim Schritt von der Jugend zu den Profis, mit dem Wechsel nach Düsseldorf und auch beim Einstieg in die Erste Liga.
Ist Ihnen auch der Einstieg ins Training der Nationalmannschaft leicht gefallen?
Neuhaus: Es war nicht so, dass ich gedacht habe: ,Boah, hier komme ich ja gar nicht hinterher.‘ Ich war gleich mittendrin. Ich bin nicht schüchtern oder zurückhaltend. Ich verstecke mich nicht.
Würden Sie sich als selbstbewusst bezeichnen?
Neuhaus: Ich finde es schwierig, das über sich selbst zu sagen. Aber ich glaube schon, dass man es braucht, um im Profifußball zurechtzukommen. Man muss wissen, welche Stärken man hat, was man kann. Genauso wichtig ist es aber auch zu wissen, was man nicht kann.
Was bedeutet es Ihnen, jetzt mit 23 Jahren Nationalspieler zu sein?
Neuhaus: Das ist eine super Sache. Auch davon träumt man als kleines Kind. Ich bin in der Nationalmannschaft die ersten Schritte gegangen. Aber auch dort ist noch Luft nach oben. Ich will schauen, wie weit es für mich gehen kann und meine Grenzen austesten.
Im Sommer soll die im vergangenen Jahr verschobene Europameisterschaft ausgetragen werden. Was ist der deutschen Mannschaft bei dem Turnier zuzutrauen?
Neuhaus: Unter dem Vorbehalt, dass es stattfinden kann, können wir dort eine gute Rolle spielen. Deutschland hat oft gezeigt, dass es eine Turniermannschaft ist. Mein Ziel ist, bei der EM dabei zu sein. So selbstbewusst bin ich dann auch. Es gibt noch einen Lehrgang im März. Dann will ich wieder mit guten Leistungen im Training oder vielleicht sogar im Spiel überzeugen.
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Mehrere Top-Klubs sollen Interesse daran haben, Sie zu verpflichten. Marco Rose hat zwar versprochen, keine Spieler von Gladbach nach Dortmund mitzubringen, der BVB soll aber auch ein Auge auf Sie geworfen haben. Können Sie für sich auch einen Wechsel nach Dortmund ausschließen?
Neuhaus: Für mich ist das kein großes Thema. Ich sehe das entspannt, habe einen Vertrag bis 2024 und fühle mich aktuell wohl bei Borussia Mönchengladbach. Ich kommentiere Vertragsinhalte grundsätzlich nicht. Alles andere wird sich zeigen.
Was denken Sie die BVB-Mannschaft, die ja auch Gladbachs Pokalgegner am 2. März ist?
Neuhaus: Wir haben in der Liga schon gezeigt, dass wir gegen den BVB eine gute Rolle spielen können. Die Dortmunder sind in der Offensive gespickt mit guten Einzelspielern wie Marco Reus und Erling Haaland. In der Defensive haben sie erfahrene Spieler wie Mats Hummels. Aber auch wir haben Qualität und wollen im Pokal natürlich ins Halbfinale kommen.
Ihr Vater würde sich vielleicht darüber freuen, Sie mal im Trikot des FC Bayern zu sehen. Könnten Sie sich einen Wechsel nach München vorstellen?
Neuhaus: Meinen Vater freut es, wenn ich mit Spaß zum Fußball gehe. Das ist aktuell der Fall. Deswegen gibt es derzeit nicht viel darüber zu sagen.
Verfolgen Sie langfristige Ziele mit Gladbach?
Neuhaus: In dieser Saison ist viel möglich. Das Spiel gegen Manchester City wird ein absolutes Highlight, dann kommt das Pokal-Viertelfinale. In der Meisterschaft sind wir in Lauerstellung. Wir haben große Ziele, die wir erreichen wollen.
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In der Champions League wartet nun allerdings eine hohe Hürde. Manchester City hat wettbewerbsübergreifend 18 Spiele in Serie gewonnen. Wie stehen Borussias Chancen auf den Viertelfinal-Einzug?
Neuhaus: Wenn Manchester City seine Top-Leistung abruft, wird es schwer für uns. Wenn uns das aber auch gelingt, wird es für den Gegner nicht einfach. Wir müssen uns nicht verstecken. Vieles ist möglich, gerade in diesen Zeiten. Wir spielen ja zunächst in Budapest, ohne Zuschauer.
Ist die Verlegung des Spielorts ein Nachteil für Ihre Mannschaft?
Neuhaus: Nicht unbedingt, ich sehe da kein großes Problem. Aber Manchester City ist zurzeit in hervorragender Form. Trotzdem würde ich uns noch nicht abschreiben.
Worauf kommt es für Gladbach in dem Spiel am Mittwoch nun an?
Neuhaus: Wir müssen sehr effizient vor dem Tor sein. Viele Chancen werden wir nicht kriegen. Aber die wenigen, dir wir bekommen, müssen wir eiskalt nutzen. Das wird der Schlüssel sein. Wir müssen aber auch gegen den Ball sehr leidensfähig sein und es aushalten, wenn Manchester City uns in unsere eigene Hälfte drängt.