Mönchengladbach. Hennes Weisweiler hat Gladbach zum Meisterteam geformt. Den 1. FC Köln führte er zum Double. Heute wäre der Fußballlehrer 100 geworden.
Wenn Herbert Laumen anfängt über die Glanzzeit bei Borussia Mönchengladbach in den Siebziger Jahren zu reden, dann gerät er ins Schwärmen: „Wir sind damals mit einer sehr jungen Mannschaft als Bundesliga-Aufsteiger drauflosgestürmt. Damit hätte niemand gerechnet.“
Und kaum einer kann es besser beurteilen, denn Laumen ist Zeitzeuge und trug mit seinen Toren maßgeblich dazu bei, dass die Borussia den Gladbacher Mythos prägte. Erfolgstrainer Hennes Weisweiler, der Vater dieses Mythos, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Er erlag bereits 1983 im Alter von 63 Jahren einem Herzinfarkt.
Hennes Weisweiler sah seine Spieler eher als seine Söhne an
Der gebürtige Erftstädter gewann mit der Mannschaft vom Bökelberg vier Deutsche Meisterschaften, den DFB-Pokal und den Uefa-Cup. Die Borussia spielte unter seiner Regie das, was man heute unter Fußball modernster Prägung versteht.
Aber er war mehr als das. Er war ein Übervater, der in den Spielern seine Söhne sah. „Für uns junge Spieler war er damals wie eine Vaterfigur. Man konnte mit jedem privaten Problem zu ihm kommen“, sagt Laumen. Weisweiler setzte auf Talente wie Günter Netzer, Jupp Heynckes und Rainer Bonhof. Und die spielten die Gegner schwindelig.
Spiel ohne taktisches Konzept
Der Journalist Wilhelm August Hurtmans prägte seinerzeit in einem Spielbericht den Begriff „Fohlenelf“. Weisweiler ließ den Spielern ihre Freiheiten und drängte sie nie in ein taktisches Korsett. „Er gewann lieber 5:4 als 1:0“, sagt Laumen, der heute im Alter von 76 Jahren die Weisweiler-Traditionself betreut.
Sein Entdecker verkörperte aber auch Eigenschaften, die man heute der jungen Trainergeneration um Julian Nagelsmann und Florian Kohfeldt zuschreibt: „Er war seiner Zeit voraus und hat die Spieler extrem in die Verantwortung mit einbezogen“, sagt Laumen.
1966 fuhr Weisweiler zusammen mit Laumen und Berti Vogts zur Weltmeisterschaft nach England. Privat, denn für die Nationalmannschaft waren sie damals noch nicht gut genug. Es war eine Fortbildung. Die Spieler führten dort lange Gespräche mit dem Trainer. „Ich habe ihn davon überzeugt, mehr im vorderen Mittelfeld zu spielen“, erzählt Laumen. Ergebnis: In seiner zweiten Bundesliga-Saison erzielte er 18 Tore für Gladbach.
Günter Netzer wechselte sich bei Gladbach selbst ein
Zu den ganz großen Stars hielt Weisweiler höflichen Abstand. Wenn er sich mit Günter Netzer unterhielt, musste Berti Vogts oft als Vermittler zwischen zwei Fußball-Ideologien herhalten. War das denn für die Mannschaft ein Problem? „Nein“, sagt Laumen: „Wir wussten ja: Wenn der Günter Stress mit dem Trainer hat, dann macht der seine besten Spiele.“
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Netzer hatte immer seinen eigenen Kopf, was er mit seiner denkwürdigen Selbsteinwechselung vor dem 2:1-Siegtor gegen den 1. FC Köln im DFB-Pokalfinale 1973 unter Beweis stellte. Am Respekt zwischen dem Trainer und seinem Topstar habe es jedoch nie gemangelt: „Günter war damals einer der ersten, die nach dem Aufstieg darauf hingewiesen haben, dass wir auch in der Abwehr etwas tun müssen.“
Weisweiler wich auf Netzers Anraten vom Fohlenkonzept ab und verpflichtete Ludwig Müller (1. FC Nürnberg) und Klaus-Dieter Sieloff (VfB Stuttgart) für die Abwehr.
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Auch von Netzer hört man heute kein böses Wort. In einem Interview mit der FAZ sagte er: „Unsere Konfrontation hatten wir immer über fußballfachliche Themen.“
1978 gewinnt Hennes Weisweiler das Double mit dem 1. FC Köln
Auch nach seinem Abgang aus Gladbach in Richtung FC Barcelona legte sich Weisweiler weiter mit den ganz Großen an – vor allem mit Johan Cruyff. Der Trainer musste nach acht Monaten wieder gehen.
Es ging zum 1. FC Köln. Dort gab es Konflikte mit Wolfgang Overath – und weitere Erfolge: Noch heute verbindet man den Namen Weisweiler stärker mit Mönchengladbach als mit Köln – obwohl er schon 1948 bis 1952 dort als Spielertrainer arbeitete und 1978 mit dem FC das Double gewann. Sogar das Kölner Maskottchen ist nach Weisweiler benannt. 1950 schenkte eine Zirkusdirektorin dem Klub einen Geißbock, der „Hennes“ getauft wurde.
Die Frage bleibt, ob Weisweiler mit seiner Art heute noch Erfolg haben könnte. Laumen hat dazu eine klare Meinung: „Das glaube ich schon. Er würde sich sicherlich anpassen. Aber er wäre aufgrund seiner kommunikativen Art auch heute noch ein sehr guter Trainer.“