Hamburg. In der ersten Halbzeit mit Problemen, im zweiten Durchgang souverän - Borussia Mönchengladbach hat das DFB-Pokalspiel bei St. Pauli mit 4:1 gewonnen.
Das Riesenrad leuchtete auf dem Heiligengeistfeld auf St. Pauli, aus den Karussells dröhnte aktuelle Chartsmusik und die Luft roch nach Popkorn. Es war Dom in Hamburg, das größte Volksfest des Nordens - doch die Amüsiermeile lag am Montagabend knapp 50 Meter entfernt. Denn es war DFB-Pokalabend am Millerntor. Flutlicht und Pokalfight. Der FC St. Pauli empfing Borussia Mönchengladbach und zumindest eine Halbzeit hatte der Kiezklub mehr Spaß als die Menschen auf der Kirmes. Doch der Bundesligist legte in der zweiten Hälfte einen Gang zu, drehte das Spiel und gewann 4:1. Aber von vorne.
Die größten Geheimnisse um die Borussia wurden um 19:19 Uhr aufgelöst: Wo darf Neuzugang Lars Stindl spielen, darf Zehn-Millionen-Mann Josip Drmic auflaufen und wie heißt das Innenverteidiger-Pärchen der Gladbacher? Lucien Favre überraschte alle: Tatsächlich durfte die "Bubi"-Abwehr mit Marvin Schulz und Andreas Christensen von Beginn an ran, Stindl spielte auf der Doppelsechs neben Granit Xhaka und nicht offensiv hinter Raffael. Der Brasilianer gab das Sturmduo mit Drmic. So weit, so überraschend.
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Aber damit nicht genug. Nationalspieler Patrick Herrmann nahm vorerst auf der Bank Platz, für ihn spielte Ibrahima Traoré rechts. Der Offensivmann aus Guinea war Gladbachs Gewinner der Vorbereitung. Links - auch das war nicht zu erwarten - setzte der Trainer auf Fabian Johnson, der nicht mal die Hälfte der Vorbereitung mitmachen konnte, weil er mit dem US-Team beim Gold Cup weilte.
Die Anfangsphase gehörte St. Pauli
Die ersten fünf Minuten gehörten klar dem Gastgeber und sie standen stellvertretend für das, was den Bundesligisten am Millerntor zu erwarten hatte. Kampf, Leidenschaft, mit 28.175 Zuschauern - und ein Abwehrbollwerk des Gastgebers. Der Kiezklub verstand es trotz der defensiven Einstellung, immer wieder Nadelstiche in der Offensive zu setzen; das Umschaltspiel der Hamburger konnte sich sehen lassen. Begünstigt wurde das allerdings auch durch schludriges Passspiel der Gladbacher, die sich nicht nur gegen den kompakten Gegner enorm schwer taten, sondern auch immer wieder falsche Laufwege wählten und somit den Ball vertändelten.
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Traoré (7.) und Drmic (31.) hatten die einzigen beiden halbgaren Chancen der Gäste, die überhaupt kein Mittel fanden. Taktgeber Xhaka wirkte lustlos, Johnson war kaum zu sehen und Stürmer Drmic hing völlig in der Luft. Anders die Hausherren. Immer wieder nutzte der Zweitligist die Räume der weit aufgerückten Borussen - St. Pauli war vor allem durch die Chancen von Lennart Thy der Führung näher als der Champions-League-Teilnehmer.
Ein gebürtiger Bochumer traf für St. Pauli
Plötzlich führte der Underdog tatsächlich. Und wie. Marc Rzatkowski, der gebürtige Bochumer, knallte den Ball aus 21 Metern in den Winkel, Gladbachs Torwart Yann Sommer war chancenlos (31.). Xhaka verlor vor dieser Szene den Ball, bezeichnend für seine gebrauchte erste Hälfte, und St. Pauli machte es wieder schnell, spielte den Ball auf den Flügel zu Kyoungrok Choi, der Rzatkowski zentral anschleichen sah. Ansatzlos hämmerte der den Ball in die Maschen.
Mit dem 0:1-Rückstand ging es in die Kabine und Favre musste dringend an die Einstellung seiner Mannschaft appellieren, wollte Gladbach nicht auch neben Hamburg, Ingolstadt und Hoffenheim als Bundesligist die Fahne im Pokal streichen.
Traoré machte die katastrophale erste Halbzeit vergessen
Und die Borussia wehrte sich, lief fast wütend an und machte nach zwei guten Möglichkeiten von Johnson (49.) und Stindl (53.) dank Traoré binnen zwei Minuten die katastrophale erste Hälfte vergessen. Erst dribbelte sich der Mann aus Guinea in den Strafraum und legte für Stindl auf, der sich die Chance aus kurzer Distanz von halbrechts zum Ausgleich nicht nehmen ließ (54.). Keine 120 Sekunden später machte es Traoré dann selbst. Nach einem Doppelpass mit Drmic schlenzte er den Ball aus 14 Metern ins linke Eck (56.) - die Borussia hatte das Spiel gedreht. Vom FC St. Pauli kam gar nichts mehr. Der Bundesligist dominierte die Partie und Stindl erzielte noch seinen zweiten Treffer zum 3:1 (67.), bevor Thorgan Hazard den 4:1-Endstand markierte (87.).
Die 3500 mitgereisten Gladbach-Fans allerdings feierten einen anderen Spieler. "Ibo Traoré"-Gesänge wurden angestimmt. Unter stehenden Ovationen der Borussen wurde der Offensivmann kurz vor dem Abpfiff ausgewechselt. Doch der Applaus konnte nicht überdecken: Vor dem Bundesligaauftakt am Samstag bei Borussia Dortmund war es für die Namenscousine aus Mönchengladbach ein Arbeitssieg im Pokal.