Mönchengladbach. Für den gegenwärtigen Erfolg von Borussia Mönchengladbach ist ein Mann hauptverantwortlich: Trainer Lucien Favre. Einer seiner engsten Mitarbeiter ist Frank Geideck, sein Co-Trainer. Im Interview spricht er über die Kommunikation mit Favre, den Spielern und die Evolution von Taktiken.

Frank Geideck, kennen Sie den Blog „spielverlagerung.de“?

Frank Geideck: Natürlich. Lese ich sogar gerne und regelmäßig.

Und, haben die Macher Ahnung vom Fußball?

Geideck: Durchaus. Ich bin zwar nicht immer einer Meinung mit den Aussagen – gerade, wenn es um unsere Spiele geht – aber die stecken schon ziemlich drin in der Materie. Soll ich Ihnen verraten, was mir am meisten Freude bei dieser Seite macht?

Gerne.

Geideck: Die zahlreichen Wortneuschöpfungen. Zum Beispiel die „fluide“ Position. Sehr hübsch.

Sie sind inzwischen seit 2009 Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach, seit 2011 unter Lucien Favre. Können Sie Ihren Chef mit solchen Neologismen noch beeindrucken?

Geideck: Das weiß ich nicht, aber über Fußball kann man mit Lucien Favre den ganzen Tag sprechen, so viel ist sicher.

Wie viel Kommunikation bedarf es denn in Ihrem Job?

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Geideck: Wir kommunizieren eigentlich den ganzen Tag. Sprechen die Trainingseinheiten durch, beraten uns im Training, diskutieren nach dem Training, bereiten gemeinsam Spiele vor, analysieren Partien und unterhalten uns über kommende Gegner. Jeder im Trainerstab hat seine Rolle – ich kümmere mich beispielsweise vorrangig um die Gegnervorbereitung – aber wir diskutieren die wesentlichen Dinge natürlich gemeinsam aus. Davon abgesehen ist Lucien Favre natürlich der Chef und entscheidet letztlich wie wir trainieren und spielen.

Wie sieht die Kommunikation mit den Spielern aus?

Geideck: Das ist ebenso essentiell wie der Austausch mit dem Trainerstab. Das kann dann so aussehen, dass wir im Training die Spieler beobachten, und wenn wir es für nötig halten, auf Einzelne zugehen. Fühlst du dich fit? Gibt es Probleme? Solche Dinge. Erfahrene Spieler in unserem Kader wie Filip Daems oder Martin Stranzl kennen ihren Körper natürlich in- und auswendig, die wissen viel früher als wir, wenn etwas nicht stimmt.

Wie häufig kommt es eigentlich vor, dass Sie zu Lucien Favre gehen und sagen: „Chef, ich habe da eine neue Idee fürs Training, die wir umsetzen sollten.“

Geideck: Wie gesagt, wir kommunizieren permanent. Für neue Ideen ist er grundsätzlich offen, aber man erfindet ja auch nicht jeden Tag das Rad neu. Was ich in den Jahren unter Lucien Favre vor allem gelernt habe, ist, dass es im Spitzenfußball der Gegenwart auf Kleinigkeiten und Details ankommt, wenn es um Erfolg oder Misserfolg geht.

Was meinen Sie konkret?

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Geideck: Details werde ich nicht verraten, aber man muss sich im klaren sein, dass heutzutage jeder Meter auf dem Spielfeld entscheidend bzw. vor- oder nachteilig sein kann. Mit welchem Fuß gehe ich zum Ball? Wie stehe ich beim Gegenangriff zu meinem Gegenspieler? Es geht immer darum, Fehler zu vermeiden und mögliche Chancen auszuloten. Das definiert ganz grob unsere Arbeit.

Hatte Karl-Heinz Rummenigge also Unrecht, als er Ottmar Hitzfeld vor Jahren vorwarf, Fußball sei keine Mathematik?

Geideck: In diese Diskussion will ich mich nicht einmischen. Nur so viel: Eine ganze Menge Wahrscheinlichkeitsrechnung ist schon mit dabei.

Inwiefern profitieren Sie dabei von Ihrer eigenen Karriere als Profifußballer?

Geideck: Das wirkt sich sicherlich nicht negativ auf meine Arbeit als Co-Trainer aus, aber ich habe ja nie wirklich im Spitzenbereich mitgemischt. Einige Jahre mit Arminia Bielefeld, viele Auf- und Abstiege, etwa 450 Presschläge in der zweiten und dritten Liga, das war es auch schon. Aber ich habe das Klischee bestätigt und mein Hobby zum Beruf gemacht. Mit fünf Jahren bin ich in einen Verein eingetreten, wurde dann Fußballer, habe später Sport studiert und bin heute Trainer. Und was ganz entscheidend ist: Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals nicht gerne zur Arbeit gegangen zu sein.

Interessieren Sie sich eigentlich für Geschichte und Evolution der Taktiken? Oder würde Sie dieses historische Denken in Ihrer Arbeit behindern?

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Geideck: Im Gegenteil: Das Wissen kann ja nur von Vorteil sein. Ich interessiere mich sehr für die Evolution des Spiels und über die großen Entwicklungen und Neuerungen. Arrigo Sacchis AC Mailand der späten achtziger Jahre. Die Holländer in der siebziger Jahren. Die Einführung der Viererkette. Das ist alles hochinteressant.

Inwiefern spielt es eine Rolle für Ihre Arbeit in der Gegenwart?

Geideck: Aus dem, was war, kann man ja entschlüsseln, was richtig und falsch gemacht wurde. Und im Idealfall für die Zukunft lernen. Darum geht es ja auch im Spitzenfußball: die Vermeidung von Fehlern.

Haben Sie denn bereits Entwicklungen in der laufenden Saison festgestellt?

Geideck: Immer häufiger vertrauen Trainer auf die Dreierkette in der Defensive. Das haben einige Mannschaften bei der WM vorgemacht und jüngst hat sich ja auch Joachim Löw lobend über diese Entwicklung geäußert. Ich gespannt, wie das weitergeht.