Solna. . Deutschland trifft am Sonntag im Finale der Europameisterschaft auf das Team aus Norwegen und träumt vom Titel. Mit einer Mischung aus Jung und Alt und einer Torhüterin in Glanzform will Deutschland das Endspiel gewinnen.
Eigentlich kann am Sonntag in Solna nicht viel schief gehen: Zumindest, wenn sich ihre Mitspielerinnen fürs Finale der Frauenfußball-EM gegen Norwegen (16 Uhr/ARD) möglichst viel von der Form ihrer Spielführerin und Torhüterin abschauen. Zur Mittagszeit hockte sich Nadine Angerer entspannt auf einen Holzstuhl und stellte das gesamte deutsche Aufgebot vor. Talent Melanie Leupolz ist also „die perfekte Schwiegertochter“, Mittelfeldspielerin Lena Goeßling eine „Beauty-Queen“, Stürmerin Anja Mittag „die Anführerin der Shopping-Fraktion“ und Edel-Reservistin Fatmire Bajramaj „ein total sozialer Mensch.“ Und: „Als ich meinen ersten EM-Titel gewonnen habe, hat unsere Sara Däbritz gerade Laufen gelernt.“ Und mit dieser Mischung aus Jung und Alt und einer Torhüterin in Glanzform will Deutschland den Titel holen.
Duell der Torhüterinnen - Angerer gegen Hjelmseth
Was die Torhüterin Nadine Angerer gerade bei diesem Turnier tut, geht ihr richtig gut von der Hand, vom Fuß oder eben von der Zunge. Andere Nationalspielerinnen wären vielleicht verkrampft, aber die 34-Jährige, wegen der schwedischen Sommerhitze ausnahmsweise ohne Kopfbedeckung unterwegs, scheint gerade mit so viel Selbstbewusstsein vollgetankt, dass gar nichts schiefgehen kann. Nicht auf der Terrasse. Und erst recht nicht im Tor.
„Ich kenne sie noch anders“, erinnert sich Even Pellerud, Norwegens Nationaltrainer. „Früher, als ich sie das erste Mal in den 90er Jahren sah, war sie steif, kräftig und unbeweglich. Heute ist sie eine der besten Torhüterinnen der Welt.“ Gemeinsam mit derjenigen, die seinen Spielerinnen den Rückhalt und die Ruhe gibt. Ingrid Hjelmseth, ein Jahr jünger als Angerer, hat allerdings erst das Elfmeterschießen gegen Dänemark gebraucht, um sich einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Famos, wie die blonde Powerfrau in ihrem 73. Länderspiel mit zwei Paraden zur Matchwinnerin aufschwang – auch wenn sie dabei ein bisschen unsportlich vorging.
Ihr Handtuch hatte sie nämlich an der Eckfahne platziert, und während die dänischen Schützinnen ungeduldig am Kreidepunkt warteten, trottete sie gemächlich wie beim Sonntagsspaziergang unter die Latte. Das Nervenspiel hatte sie sich gemeinsam mit ihrem Torwarttrainer Roger Eskeland ausgedacht. „Außerdem hatte ich alle Schützinnen auf Video studiert.“ Dazu besticht die exzellente Strafraumbeherrschung der ausgebildeten Ingenieurin. „Sie bringt totale Fitness mit und kann sich auf den Punkt konzentrieren“, lobt Pellerud. Seine Kollegin Silvia Neid darf von Nadine Angerer dasselbe sagen, die von den Einheiten mit Torwarttrainer Michael Fuchs profitiert.
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Dass die Welt- und Europameister mit mittlerweile 123 Länderspieleinsätzen zeitweise beim 1. FFC Frankfurt in eine Formkrise geschliddert war, negiert sie gar nicht. „Ich habe das erste Mal mit einer ernsten Verletzung zu tun gehabt, aber ich habe nie an mir gezweifelt.“ Ihre einstige Konkurrentin Silke Rottenberg, die als Fernsehexpertin durch Schweden tourt, sagt: „Sie spielt ein bemerkenswertes Turnier. ‚Natze’ ruft hier ihre Leistung auf den Punkt ab. Sie hat ja alles, was die Torwarttechnik verlangt.“ Und: „Nicht viele besitzen solch eine Sprungkraft wie sie. Mit einer jungen Torhüterin hätte es das deutsche Team vielleicht nicht so weit gebracht.“
Keine Bewegung zu viel
Über Ingrid Hjelmseth erklärt die Torfrau vom Fach: „Mir gefällt ihre ganze Ausstrahlung. Und sie hat einen wunderbaren Abschlag.“ Kein Zufall, dass Teams mit starken Torhüterinnen das Finale bestreiten – hier die unangepasste Deutsche, dort die bodenständige Norwegerin. Auch dank ihren Taten gilt: Die Zahl der Treffer sinkt und die Resultate werden knapper. Es ist nämlich auch das Turnier der Torhüter. Auf diesem Posten hat sich in den vergangenen Jahren am meisten getan; auffällig die Sachlichkeit, mit der die Protagonisten die Arbeit verrichten. Getreu der Devise: keine Bewegung zu viel, eine Bewegung zur richtigen Zeit.
DFB-Frauen im Finale
Nach dem Turnier wird Ingrid Hjelmseth übrigens schon bald für Stabæk FK die Saison in der norwegischen Liga fortsetzen, während Nadine Angerer an ihrem Haus auf Fuerteventura werkelt. Ihr nächstes Pflichtspiel steht erst am 21. September an: WM-Qualifikation gegen Russland in Cottbus. Am Tag danach fliegt sie dann nach Australien. Zu ihrem neuen Arbeitgeber, Brisbane Roar. Wäre gut, wenn ihr dort auch jemand so präzise alle künftigen Kolleginnen vorstellt, wie sie das am Freitag tat.