Duisburg/Leverkusen. . In der Frauen-Bundesliga sind dreistellige Kulissen an der Tagesordnung. Die WM soll die Wende bringen.

Auf jedem Deckel: Ein Dutzend Striche. Jeder Strich steht für ein Kölsch. Sonst steht hier niemand mehr. Die Herren, in Ehren ergraut, sitzen. Sie sitzen vor ihren Deckeln im Bayer-Vereinsheim an der Leverkusener Kurt-Rieß-Sportanlage und reden über Fußball. Deshalb sind sie gekommen.

Es geht um den richtigen, den großen Fußball, um Weltklassespieler wie Arjen Robben und darum, dass der früher an keinem von ihnen vorbei gekommen wäre. Wie gesagt: ein Dutzend Kölsch. Sie sitzen, sie reden und sie schauen auf vergilbte Fotografien von Leverkusener Mannschaften. Auf die Idee, sich umzudrehen, kommt keiner.

Hinter ihnen, den Hügel runter, liegt der Fußballplatz der Sportanlage. Da unten spielt Leverkusen gegen Frankfurt. Aber der Platz könnte auch auf dem Mars liegen. Die Welt da unten ist weit weg von der hier oben. Oben geht’s um Bayer und die Eintracht, unten um Bayer und den Frankfurter FC.

450 Zuschauer

Das ist der große Unterschied. Gerecht ist es nicht. Der FFC ist die große Nummer, das Bayern München des deutschen Frauen-Fußballs: sieben Meisterschaften, sieben Pokalsiege. Keiner der elf anderen Erstligisten wird so professionell vermarktet wie der FFC, die halbe Nationalmannschaft ist unter Vertrag. Aber an diesem Tag spielt Frankfurt auf einer besseren Bezirkssportanlage. Vor 450 Zuschauern. Die Thekenrunde eingerechnet.

Siggi Dietrich kennt das. Wenn der FFC das Bayern München des Frauenfußballs ist, dann ist Siggi Dietrich sein Uli Hoeneß. Der 53-Jährige polarisiert, aber er macht den meisten Vereinen vor, wie es gehen könnte. Seit 13 Jahren führt er in Frankfurt das Kommando. Der Verein hieß früher einmal SG Praunheim, Dietrich setzte die Änderung durch: „Ich muss einen Namen bundesweit vermarkten können.“

Der Saisonetat liegt jetzt bei 1,5 Millionen Euro. Dafür zieht sich bei den Bayer-Herren kaum ein Spieler das Trikot über, aber in der Frauen-Bundesliga ist das vier Monate vor der Heim-WM das Maß aller Dinge. Es reicht, um die halbe Nationalelf zu holen. Birgit Prinz spielt für den FFC, Kerstin Garefrekes, Torhüterin Nadine Angerer, Ariane Hingst und Sandra Smisek. Knapp 2000 Zuschauer kommen zu den Heimspielen, es gibt ein Rahmenprogramm und, darauf ist Dietrich stolz, Rolf Töpperwien, der moderiert. „Die Leute“, sagt Dietrich, „wollen ein Event.“ Nach der WM will er den Etat steigern, er hofft auf einen Schub durch das Zugpferd Nationalelf: „Aber letztlich liegt alles an den Vereinen selbst.“

Der Faktor Zeit

An Leverkusen zum Beispiel. Man hat den Frauenfußball spät entdeckt, mittlerweile spielen einige der großen Männer-Vereine wie Bayer, der HSV oder Bayern München mit. „Familiär“, nennt Stephan Rehm, in Leverkusen der Projektleiter Frauenfußball, die Atmosphäre auf dem Kurt-Rieß-Platz. Ein Platz, eine Laufbahn, dahinter eine Böschung. Böse müsste man sagen: Landesliga lässt grüßen. Rehm setzt auf den Faktor Zeit: „Bei uns ist noch einiges möglich. Und im Mädchenfußball tut sich unglaublich viel, davon wird die Bundesliga noch sehr profitieren.“

Noch hapert es. Diese Saison wird wegen der WM im Rekordtempo durchgeknüppelt. Das Leistungsgefälle innerhalb der Liga ist geringer geworden, aber immer noch zu groß. Frankfurt und Potsdam machen den Meister unter sich aus, wie so oft. Ein Verein, der beiden gerne in die Suppe gespuckt hätte, hat sich gerade aus dem Titelrennen verabschiedet: Vermutlich liegt’s daran, dass der FCR Duisburg an diesem Spieltag in Homberg vor 815 Fans gegen Bad Neuenahr spielt.

Oft kommen doppelt so viele, doch dieses Mal bleiben sogar die Bandidos liegen: Brötchen mit zwei Fischfrikadellen, das Stück zwei Euro, sonst ein Renner. Zur Pressekonferenz nach der Partie hat der Verein sechs Stühle aufgebaut. Drei bleiben leer. Trainerin Martina Voss-Tecklenburg, früher eine der besten deutschen Spielerinnen, nimmt es gelassen, sie weiß um die Alltagsprobleme im WM-Jahr.

Aber nicht alles ist schlecht, im Gegenteil. „Die Liga“, sagt sie, „hat sich ja schon enorm entwickelt, alle Mannschaften sind heute taktisch gut geschult. Und die WM wird klasse, keine Frage. Was dann kommt“, da ist sie bei Siggi Dietrich, „liegt an uns.“

In Duisburg ist Schluss, 2:0, ein Sieg für die Statistik. In Leverkusen trabt Nationaltorfrau Nadine Angerer zur Kabine, ihr FFC hat gewonnen, das Titelrennen bleibt spannend. Vor der Tür warten ein paar Autogrammjäger. Oben im Vereinsheim dreht sich die Herrenrunde tatsächlich kurz um. „Wieviel?“, fragt einer. „Nullvier“, sagt ein anderer. Darauf noch ein Kölsch.