Köln. Die 19-jährige Fußball-Nationalspielerin aus Gevelsberg trifft mit den Fußballerinnen des VfL Wolfsburg am Sonntag auf Eintracht Frankfurt.

Wenn Lena Oberdorf an das DFB-Pokalfinale denkt, dann schießen ihr spontan diese Bilder durch den Kopf: „Feiernde Wolfsburgerinnen – und wir stehen mit Tränen in den Augen daneben.“ Es sind Bilder aus dem vergangenen Jahr, Szenen aus dem Müngersdorfer Stadion in Köln. Die SGS Essen hatte das Pokalfinale mit 5:7 nach Elfmeterschießen verloren und der VfL Wolfsburg sich den sechsten Titel in Folge gesichert. Lena Oberdorf stand in diesem riesigen Stadion vor leeren Tribünen und versuchte, ihre Mitspielerinnen zu trösten. „Wir waren in diesem Spiel über uns hinausgewachsen“, erinnert sie sich. „Es war das letzte Spiel in einer tollen Teamzusammensetzung, danach haben viele Spielerinnen die SGS verlassen – auch ich.“

Auch sie. Lena Oberdorf war an diesem 4. Juli längst bewusst, dass das Pokalfinale 2020 auch ein Abschiedsspiel werden würde. Der letzte Auftritt vor dem Wechsel zum VfL Wolfsburg, vor dem Sprung vom familiär geführten Außenseiterverein zum dominantesten Bundesligateam der vergangenen Jahre. Für das größte Talent des deutschen Frauenfußballs war es der nächste Karriereschritt.

Keine Zeit für Komplimente

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Nun, ein knappes Jahr später, steht Lena Oberdorf wieder im Pokalfinale in Köln – und es wird zur Reifeprüfung. Die 19-Jährige aus Gevelsberg hat sich durchgesetzt in Wolfsburg, schnell wurde sie in der Abwehr unverzichtbar. Nun will sie am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt (16 Uhr/ARD) ihren ersten Titel gewinnen und damit die Erinnerungen an die Finalniederlage des Vorjahrs endlich verblassen lassen. „Ich werde am Sonntag alles daran setzen, diesen Titel zu holen.“

Denn: Ja, ein solcher Triumph würde gut in die Vita der jungen Fußballerin passen. Juwel, Überfliegerin, Jahrhunderttalent, das große Versprechen – das sind nur einige der Lobpreisungen, mit denen sie überschüttet wird, seit sie als 16-Jährige für Essen in der Bundesliga debütierte und dabei direkt zwei Tore im Derby gegen den MSV Duisburg schoss. 2019 wurde sie in Frankreich Deutschlands jüngste WM-Spielerin. Eine Bilderbuchkarriere, die mit dem Wechsel nach Wolfsburg ihre logische Fortsetzung fand. „Die Komplimente und Medienberichte sind schön, aber ich versuche, das alles nicht so an mich rankommen zu lassen“, sagt Oberdorf. „Wichtig ist ohnehin nur, was auf dem Platz geschieht.“

Der Gegner ist ein früherer Gigant

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Die Rollen auf ebenjenem sind auf den ersten Blick klar verteilt: Der VfL Wolfsburg geht als Favorit ins Pokalfinale. Der zweite Blick offenbart aber auch ernstzunehmende Chancen der Eintracht. Die dürfte selbst Nicht-Frauenfußball-Fans unter dem Namen 1. FFC Frankfurt noch ein Begriff sein. Dort spielte unter anderem Weltfußballerin Birgit Prinz, zwischen 1999 und 2015 wurde der 1. FFC siebenmal Deutscher Meister, neunmal Pokalsieger und gewann viermal die Champions League. Seit dieser Saison spielt Deutschlands erfolgreichster Frauenfußballklub allerdings unter dem wirtschaftlich sicheren Dach des Männer-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Beim Bundesliga-Aufeinandertreffen am vergangenen Sonntag machten es die Frankfurterinnen dem Favoriten bereits schwer, Wolfsburg erarbeitete sich am Ende einen glücklichen 3:2-Erfolg, der die Chance auf den Meistertitel wahrt. Bei einem Unentschieden hätte Tabellenführer Bayern München vorzeitig gefeiert. „Im Pokalfinale müssen wir gegen Frankfurt fokussierter bleiben, eine 2:0-Führung dürfen wir uns nicht noch einmal aus der Hand nehmen lassen“, sagt Lena Oberdorf.

„Wie ein großer Rausch“

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Fußballspiele können in Sekunden kippen und entschieden werden, und manchmal kommt es der 19-Jährigen so vor, als würde auch ihr Leben rasend schnell vorbeiziehen. Die WM-Spiele mit der Nationalmannschaft, das bestandene Abitur, Champions-League-Partien mit dem VfL Wolfsburg – „es ist wie ein großer Rausch“, sagt Oberdorf. „Manchmal wünschte ich, dass alles ein bisschen langsamer vonstatten ginge, um alles auch mal richtig genießen zu können.“

Abschalten und Genießen will sie im Sommer, nach der Saison und den Länderspielen im Juni. Sie freut sich, dann endlich wieder nach Gevelsberg zurückzukehren, bestmöglich als Pokalsiegerin und vielleicht sogar als Meisterin zu „Garten, Hund und Familie“. Als sie das sagt, muss Lena Oberdorf selbst lachen. „Krasse Reihenfolge, das müssen wir ändern. Ich meine natürlich: Familie, Hund und Garten.“