Köln. SGS Essen verliert das Pokalfinale nach Elfmeterschießen. Es deutet sich an, dass Schwergewichte wie Sieger VfL Wolfsburg ihre Dominanz festigen.
Am Sonntag kamen sie noch einmal im Essener Rathaus zusammen und nahmen den Stift in die Hände, um sich im Goldenen Buch der Stadt zu verewigen. Sie trugen schwarze Trainingsanzüge, in den Gesichtern der Fußballerinnen der SGS Essen spiegelte sich noch immer Enttäuschung wider. Statt ihre Namen als Finalverlierer ins Goldene Buch zu setzen, hätten sie lieber am Vortag in Köln die silberfarbene Trophäe in die Arme geschlossen. Den DFB-Pokal, dem sie am Samstag so nahe waren und der nach dem 5:7 (3:3/2:1) nach Elfmeterschießen nach Wolfsburg ging.
Mal wieder nach Wolfsburg. Es war der sechste Pokalsieg des VfL in Serie, der siebte insgesamt, seit 30 Pokalspielen ist das Frauenteam aus Niedersachsen nunmehr ungeschlagen. Damit war auch das vierte Double perfekt, war das Team von Trainer Stephan Lerch doch vergangene Woche bereits als Bundesligameister geehrt worden, zum vierten Mal hintereinander.
Die Dominanz des VfL Wolfsburg ist erdrückend. Cinderella-Stories, also sogenannte Aschenputtel-Geschichten von Siegen des Außenseiters, sind meist die schönsten Geschichten im Sport, insofern hätte ein Erfolg der SGS Essen die seit Jahren gefestigten Verhältnisse im deutschen Frauenfußball ein bisschen aufgelockert. Doch am Ende standen oder saßen die Spielerinnen aus dem Essener Stadtteil Schönebeck mit Tränen in den Augen oder ausdruckslosen Gesichtern auf dem Rasen im Müngersdorfer Stadion und mussten zusehen, wie die Wolfsburgerinnen im Konfettiregen den Pokal in die Höhe stemmten.
SGS Essen mit schnellstem Tor der Pokalgeschichte
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Sie hatten gekämpft, sie hatten sich besser verkauft, als es viele Szenekenner für möglich gehalten hätten. Die SGS Essen hatte überrascht, nicht nur mit dem schnellsten Tor der Frauen-Pokalgeschichte durch Lea Schüller nach zwölf Sekunden, sondern auch mit ihrem starren Festhalten an dem Vorhaben, den haushohen Favoriten zu stürzen, trotz nachlassender Kräfte, trotz individuell größerer Klasse des Gegners. Zweimal hatten die Essenerinnen geführt durch Schüller (1.) und Marina Hegering (18.), in der 90. Minute schossen sie sich per direktem Freistoß durch Irini Ioannidou zum 3:3 – und in die Verlängerung. Mit schnellem Aufbauspiel, viel Bewegung und noch mehr Wut über den gegnerischen Kampfgeist drängte der VfL auf den Sieg, fand aber kaum Lücken in der dichtgestaffelten gegnerischen Defensive.
Es war das wohl beste Frauenfinale seit vielen Jahren, vielleicht das beste überhaupt, zweifelsfrei das spannendste. „Da steht nicht der verdiente Sieger auf dem Podest“, sagte Marina Hegering tief enttäuscht kurz nach dem Spielende, als der Frust einfach noch zu groß war, die zurückliegenden Minuten noch gar nicht richtig verarbeitet werden konnten. Dieser lange Nachmittag in Köln, der in seiner Dramatik auch die übertragende ARD in Sendezeit-Nöte brachte, könnte möglicherweise der letzte seiner Art gewesen sein. Essen gegen Wolfsburg, David gegen Goliath – eine Spielpaarung, die in den kommenden Jahren so kaum noch einmal möglich scheint. Weil der Frauenfußball sich verändert, weil die Bundesliga sportlich zunehmend von wenigen großen Klubs beherrscht wird und weil Vereine wie die SGS Essen eben dadurch weiter geschwächt werden, wenn die Konkurrenz deren beste Spielerinnen abwirbt.
Macht des VfL Wolfsburg und Bayern München wächst
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Die vier aktuellen deutschen Nationalspielerinnen werden den Klub aus dem Essener Westen verlassen. Bei Turid Knaak (29) ist das Ziel noch unbekannt. Lena Oberdorf, die 18-jährige Gevelsbergerin und seit vergangenem Sommer jüngste deutsche WM-Debütantin, wird zum Pokalsieger Wolfsburg wechseln, dessen Titelhunger längst nicht gestillt scheint und der seinen Blick bereits auf den Gewinn der Champions League im August richtet. Stürmerin Lea Schüller (22) und Abwehrchefin Marina Hegering (30) gehen nach München zum FC Bayern, der weiter emsig daran arbeitet, auch im Frauenbereich eine Fußballmacht zu werden. Seit 2016 vertreten Wolfsburg und die Bayern die Bundesliga in der Champions League. Zu den Bayern wird auch das Riesentalent Klara Bühl (19) vom SC Freiburg wechseln. Was vermuten lässt, dass sich die Nationalmannschaft künftig zum Großteil aus Spielerinnen dieser beiden (auch wirtschaftlichen) Schwergewichte zusammensetzen wird. Ein Umstand, den selbst Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg skeptisch sieht. „Am Ende können immer nur elf Spielerinnen auf dem Platz stehen. Ich weiß nicht, ob jede mit ihrer Entscheidung glücklich wird.“
Nimmt man noch hinzu, dass der einstige Serienmeister 1. FFC Frankfurt künftig als Eintracht Frankfurt firmiert und Turbine Potsdam von Hertha BSC Schützenhilfe erhält, dann unterstreicht dies den Seltenheitswert der SGS Essen als einer der wenigen verblieben Klubs ohne Anbindung an einen Männer-Bundesligisten. Was nicht ausschließen soll, dass es gerade im Pokal zu Überraschungen kommt. Doch die Wahrscheinlichkeit sinkt mit dem Erstarken der Konkurrenz.
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Zumal die Essenerinnen nun wieder ausbilden, wieder formen, wieder einen Prozess beginnen, der viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen wird. „Wir werden eine neue Mannschaft aufbauen und wir werden wieder neue Talente entwickeln“, sagte Trainer Markus Högner. Wenngleich auch er seine Enttäuschung nach den überraschend erfolgreichen jüngsten Jahren nicht vollends verbergen konnte: „Wir hätten diese Ära gerne mit diesem Titel gekrönt.“