Essen. . Am Freitag rollt der Ball wieder in der Frauenfußball-Bundesliga. Siegfried Dietrich ist einer der entscheidenden Akteure. Das große Interview.

In den vergangenen Wochen war Siegfried Dietrich ein vielbeschäftigter Mann. Der Manager des Frauen-Bundesligisten FFC Frankfurt ist auch Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen und somit einer der entscheidenden Akteure beim Wiederbeginn der Frauen-Bundesliga am Freitag.

Herr Dietrich, ab diesem Freitag wird die Saison der Frauen-Bundesliga fortgesetzt. Wie groß ist die Erleichterung?
Siegfried Dietrich: Für uns alle ist es eine ungewohnte und nicht ganz einfache Situation, umso schöner, dass die gesamte Fußball-Familie gemeinsam mit Partnern und Politik mit dem grünen Licht für einen Re-Start unter besonderen Bedingungen eine herausragende Lösung realisiert hat, die uns allen eine große Erleichterung bringt. Ich habe in den vergangenen Wochen in vielen Telefon- und Video-Konferenzen bei den Vereinen reingehört und bin mit dem Status Quo durchaus zufrieden.

Wie blicken Sie dem ersten Spieltag am 29. Mai und der damit verbundenen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit entgegen?
Siegfried Dietrich: Ich bin sicher, dass wird ein guter ReStart – und natürlich sind wir alle auch stolz darauf, dass wir auch in schwierigen Zeiten mit großem Zusammenhalt der Vereine und in enger Zusammenarbeit mit dem DFB ein europaweiter Vorreiter im Frauensport sind, der professionell und richtungsweisend aufgestellt ist und auch so wahrgenommen wird.

"Spielzeit nicht am grünen Tisch beenden"

Auch interessant

Der Wiederbeginn galt als Formsache. Mussten die Klubs trotzdem beim DFB-Bundestag am vergangenen Montag um die offizielle Erlaubnis zittern?
Siegfried Dietrich: Die Vorarbeit hat der DFB und der DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen in Telefon- und Video-Konferenzen im engen Austausch mit allen Vereinen im Vorfeld erledigt, sodass von „Zittern“keine Rede sein darf. Das deutliche Votum der Vereine, die Saison fortsetzen zu wollen, war die Grundlage für das Votum der Gremien und des Bundestages.

Warum wird die Saison überhaupt fortgesetzt?
Siegfried Dietrich: Alle Vereine haben sich das Ziel gesetzt, die Spielzeit sportlich auf dem grünen Rasen und nicht am grünen Tisch beenden zu wollen. Es geht um unsere einheitliche Haltung und unseren Anspruch als auch für die Fans und Sponsoren zuverlässige Profi-Liga wahrgenommen werden zu wollen.

Fast geschlossen für den Wiederbeginn

Auch interessant

Die Liga hat fast geschlossen für die Wiederaufnahme gestimmt haben. Bei den Männern sah es teilweise anders aus, wenn man die Proteste von Drittliga-Klubs wie beispielsweise den 1. FC Magdeburg bedenkt...
Siegfried Dietrich: Die Frauen-Bundesliga hat sich in großer Geschlossenheit mit dem DFB auf die Fortführung der Saison vorbereitet, dabei standen bei allen Dinge wie Herausforderung, Verantwortung und Chancennutzung im Vordergrund. Wir wissen um die enorme Aufgabe, sind uns aber gleichzeitig auch dessen bewusst, diese nur gemeinsam bewältigen können: solidarisch und zukunftsgewandt.

Wie gehen Sie mit möglichen Ängsten der Spielerinnen um?
Siegfried Dietrich: Die Ängste und Zweifel von Spielerinnen müssen alle Vereine ernst nehmen. Betrachtet man aber die Risiken im teilweise ungeschützten Alltag und klärt gleichzeitig über die Maßnahmen und Sicherheitsfaktoren des Hygienekonzeptes im Profifußball auf, sollte es gelingen, einen durchaus überdurchschnittlich sicheren Arbeitsplatz vorzustellen und Vertrauen für das sportliche Miteinander auf dem Spielfeld gewinnen zu können.

"Ein historischer Moment"

Auch interessant

Ist der Neustart auch ein historischer Moment?
Siegfried Dietrich: Deutschlands Frauen spielen wieder, während selbst die Männer-Spitzenligen in England und Spanien noch immer um die Fortsetzung zittern. Englands Frauen haben am Montag gar den Abbruch beschlossen. Auf jeden Fall! Ich sehe den Re-Start als große Chance für unsere Liga, in Deutschland und Europa ein wichtiger Vorreiter zu sein und auch symbolisch für die Gesellschaft ein Signal zu senden, dass wir mit dem Teamgedanken große Problemzeiten überwinden und in die Normalität zurückfinden können!

Mehr als zwei Monate verharrten die Teams in der Corona-Zwangspause. Viele Männer-Teams beschworen schon nach wenigen Tagen Untergangs-Szenarien herauf. Die Frauenteams nicht. Warum?
Siegfried Dietrich: Ich bin generell ein optimistisch denkender Mensch, der lösungsorientiert gemeinsam mit der gesamten Fußball-Familie arbeitet. Frühzeitig haben die Vereine sich geschlossen mit dem DFB – stets in engem Austausch mit den Behörden, die Entwicklung der Pandemie verfolgend – über Zukunfts-Möglichkeiten ausgetauscht.

"Kein Klub stand auf der Kippe"

Auch interessant

Der Zuschauerzuspruch ist bei vielen Vereinen in „normalen“ Zeiten überschaubar, die Zuschauereinnahmen spielen also eine untergeordnete Rolle im Etat der Teams und den Planungen für den Wiederbeginn. Welche Rolle spielen denn die TV- und Sponsorengelder in dieser Situation überhaupt?
Siegfried Dietrich: Es ist richtig, dass bei den meisten Vereinen die Zuschauereinnahmen lediglich rund fünf Prozent ausmachen. Gerade die reinen Frauenfußball-Vereine müssen jeden Euro selbst verdienen und sind auf ihr Netzwerk an Sponsoren angewiesen, welche einen Großteil der Budgets ausmachen. Hinzu kommt die DFB-Zentralvermarktung, die solidarisch unter den zwölf Ligavereinen aufgeteilt wird.

Wie hätte die Zukunft der Frauen-Bundesliga in der Corona-Krise ohne die Solidaritätszahlungder DFL ausgesehen?
Siegfried Dietrich: Diese Solidarität mit der „kleinen Schwester“ ist ein gesellschaftspolitisch wichtiges Zeichen mit Vorbildcharakter und hilfreicher Schutzschirm. Unser Dank gilt der DFL mit ihren Champions-League Vereinen Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen, die mit ihrem Solidarfonds eine wesentliche Grundlage für den Re-Start der Frauen-Bundesliga gegeben haben. Damit können diese Vereine mögliche Sponsoren-Ausfälle kompensieren. Aber mir ist kein Verein bekannt, der ohne diese Zahlung auf der Kippe gestanden hätte.

"Eine noch nie dagewesene Situation"

Auch interessant

Orientiert wird sich in der Frauen-Bundesliga am Hygienekonzept der DFL. Wie sieht das eigentlich aus?
Siegfried Dietrich: Das Hygiene-Konzept wurde gemeinsam von DFL und DFB für die ersten drei Männer-Ligen und die Frauen-Bundesliga entworfen. Für unsere Liga sind es lediglich geringeNuancen der Unterscheidung, beispielsweise was die Anzahl der Personen im Stadion betrifft, weil die meisten Frauen-Stadien kleiner sind.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Klubs bezüglich der Umsetzung dieses Konzepts im Zuge der Wiederaufnahme der Saison?
Siegfried Dietrich: Die Corona-Pandemie ist für uns alle eine sehr spezielle, noch nie dagewesene Situation, mit der wir uns in unseren Bereichen entsprechend beschäftigen müssen. Das Konzept versprichteine sehr hohe Sicherheit für alle Beteiligten am Spieltag und im Trainingsbetrieb – ich bin davon überzeugt, dass alle Personen alle Punkte verantwortungsbewusst umsetzen. Ich habenach den letzten Videokonferenzen von vielen Vereinsverantwortlichen den Eindruck gewinnen können, dass sich die Vereine sehr sorgsam und verantwortungsbewusst mit dem vorgegebenen Konzept beschäftigt haben und trotz vieler Hürden in der Lage sein werden, die Spiele nach Plan vorbereiten und durchführen zu können.

Anders als die Männer der 1. und 2. Liga sind viele der Spielerinnen keine Profis, haben Jobs oder studieren. Da fällt eine Quarantänephase teilweise schwer...
Siegfried Dietrich: Grundsätzlich gilt, dass wir eine Profi-Liga mit Berufsspielerinnen sind. Das legitimiert uns, unter den behördlichen Vorgaben nun auch in Corona-Zeiten unserem Beruf nachzugehen! In den Fällen, in denen Spielerinnen neben dem Sport auch noch einen anderen Job haben beziehungsweise studieren oder sogar noch zur Schule gehen, ist es natürlich wichtig, dass die Vereine mit den Spielerinnen für die Wochen der „Nachspielzeit“ bis zum Saisonende Lösungen finden, die möglichst beiden Seiten gerecht werden und die in verantwortungsbewusster Orientierung am Hygiene-Konzept umgesetzt werden. Letztlich geht es um das große Ganze und die sportliche und wirtschaftliche Stabilität der Liga und der Vereine. Damit soll und muss auch die Zukunft der Spielerinnen und Mitarbeiter gesichert werden.

Jena kämpft mit erschwerter politischer Situation

Die Voraussetzungen der Klubs vor dem Neustart sind ohnehin unterschiedliche: In Thüringen ist ein Mannschaftstraining beispielsweise noch immer verboten, der FF USV Jena geht also nach dem Training in Fünfergruppen mit einem Nachteil in die Saison.
Siegfried Dietrich: Der DFB und auch ich als Liga-Ausschuss-Vorsitzender waren von Anfang an in einem engen lösungsorientierten Austausch mit dem USV Jena, der in Thüringen unter einer erschwerten politischen Situation steht. Ich freue mich, dass Jena nun konsequente Entscheidungen getroffen hat und nach der vorgeschriebenen einwöchigen Quarantäne in Form eines vorbereitenden Trainingslagers ab dem 7. Juni in den Spielbetrieb einsteigt. Sehr hilfreich waren auch die Änderungen im DFB-Statut, dass Heimspiele auch an anderen Standorten ausgetragen werden können oder das Heimrecht getauscht werden darf.

Jena dürfte für die Liga überhaupt ein heikles Thema sein: Der USV wird laut neuem Spielplansieben Spiele in 22 Tagen absolvieren, einige Spielerinnen haben über die Sozialen Medien Kritik daran geübt und auf das hohe Verletzungsrisiko eines solchen Mammutprogramms ohne entsprechendes Training hingewiesen...
Siegfried Dietrich: Natürlich sind die Voraussetzungen in unseren Klubs sehr unterschiedliche, zumal auch die behördlichen Vorgaben nicht überall gleich sind. Der FF USV Jena hat aber wie zehn weitere Vereine der Frauen-Bundesliga – sowie der Enthaltung des 1. FC Köln – sich klar für eine Saisonfortsetzung ausgesprochen und zunächst auch auf angemessene Lockerungen in Thüringen gehofft. Alles andere als ein Saisonabbruch ist für alle Vereine in der extrem dynamischen Zeit ein Erfolg! Die Belastung mit englischen Wochen ist generell hoch – das betrifft aber einige Vereine, wie auch den 1. FC Köln mit zwei Nachholspielen sowie den Klubs, die noch in den Pokal-Wettbewerben vertreten sind.