Frankfurt. Der DFB-Beauftragte Dietrich sieht Klubs der Frauen-Bundesliga für die Pause gewappnet. Vom Gehaltsverzicht wird abgeraten.
Eine der wichtigsten Schaltstellen für den deutschen Frauenfußball versteckt sich im Frankfurter Stadtteil Heddernheim hinter hohen Hecken. Im Erdgeschoss des villenartigen Gebäudes mit seinen gepflegten Terrassen sind eine Physiotherapie- und Arztpraxis beherbergt, im obersten Stockwerk ist Siegfried Dietrich mit seiner Agentur SIDI-Sportmanagement untergebracht. Von hier aus führt der Manager und Investor des 1. FFC Frankfurt schon im Normalfall täglich fast unzählige Telefonate. Nun kommen durch das Coronavirus noch die vielen Krisengespräche dazu. Am Mittwochabend ist sein Klub von einer ersten Erkrankung betroffen: Eine Akteurin klagte über die typischen Symptome.
Weil die Ansteckung aber im persönlichen Umfeld stattgefunden habe und die Spielerinnen bereits individuell trainiert hätten, müssten Mannschaft, Trainer und Betreuer nicht getestet werden, teilte der Verein mit. „Mit der schnellen Verbreitung von Covid-19 war klar, dass auch der FFC früher oder später von Corona-Fälle betroffen sein wurde“, sagt Dietrich. Der 62-Jährige arbeitet aktuell mit drei Mitarbeitern selbst an der Belastungsgrenze. Seitdem er auch den Vorsitz des neuen DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen besetzt, gilt seine Mitverantwortung dem weiblichen Gesamtbereich.
Kaum Existenzängste in der Bundesliga
Die vergangenen Tage hat der Sohn eines Theologieprofessors ein Meinungsbild von den Vereinsvertretern eingeholt. Wie bedrohlich ist die Lage? Wie soll mit der bislang erst zum 19. April ausgesetzten Saison verfahren werden? Anfang nächster Woche soll in einer Telefonkonferenz das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Existenzängste halten sich bislang in Grenzen. „Ich glaube, dass alle Klubs die Situation meistern können, weil die Zuschauereinnahmen nicht so entscheidend sind wie beispielsweise in der Dritten Liga und den Regionalligen der Männer. In der Frauen-Bundesliga machen diese deutlich weniger als zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus“, sagt Dietrich. „Wesentlich sind für uns die Vermarktungserlöse – die individuellen sowie die zentralen durch den DFB.“ Jetzt ist es von Vorteil, dass die großen Erlösströme weitgehend an den Frauen vorbeigeflossen sind.
Zuschauer-Einnahmen machen nur geringen Teil aus
Der Rekordmeister aus Frankfurt arbeitet mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro. Bei Turbine Potsdam, der durchschnittlich 1300 Fans im Karl-Liebknecht-Stadion begrüßt - der Schnitt der Frauen-Bundesliga liegt bei rund 900 - , decken die Eintrittsgelder gerade die laufenden Kosten eines Heimspiels, wie Präsident Rolf Kutzmutz betont. Für seine größte Säule im Etat garantieren die vielen regionalen Sponsoren. Bedrohlich könne es dann werden, sagt Kutzmutz, „wenn unsere Partner in solch wirtschaftlichen Schwierigkeiten geraten, dass sie sich das Engagement bei uns nach dem Sommer nicht mehr leisten können.“
Am wenigsten Sorgen hat die Hälfte der zwölf Frauen-Bundesligisten, die an Lizenzvereine der Männer angebunden sind: Bayer Leverkusen, 1. FC Köln oder SC Freiburg, TSG Hoffenheim, Bayern München und Meister VfL Wolfsburg werden in diesen schwierigen Zeiten an dieser Sparte kaum den Rotstift ansetzen. Zu fatal wäre solch ein Signal.
Wolfsburgerin Engen will auf Gehalt verzichten
Ein Zeichen wollte die norwegische Nationalspielerin Ingrid Engen vom VfL Wolfsburg setzen, die ihren Verein bat, zehn Prozent ihres Gehalts zu spenden, „um Menschen zu helfen, die in diesen Tagen wirklich finanzielle Unterstützung benötigen“. Just jenes Thema ist heikel. „Wenn unsere Spieler auf Gehalt verzichten, verzichten sie auf den Lebensunterhalt. Außer einer symbolischen Geste würde das gar nichts bringen“, betont Kutzmutz. Auch Dietrich beteuert: „Die Spielerinnen sind die Hauptakteurinnen, die jeden Cent verdient haben und auch für den Lebensunterhalt brauchen.“
Der Macher hat viele Spielerinnen vermarktet, dass diese vom Fußball irgendwann gut leben konnten: Birgit Prinz, Nia Künzer oder Steffi Jones. Deren Aktenordner stehen fein säuberlich in seinen Büroschränken. Doch inzwischen wechseln deutsche Topspielerinnen lieber nach Wolfsburg und München. Deshalb ist für den FFC die für den Sommer verabredete Fusion mit Eintracht Frankfurt so wichtig. Die Pandemie könnte dazu führen, dass der einst aus der SG Praunheim hervorgegangenen Frauenfußballverein bereits am 1. März das letzte Mal gespielt hat.
Dietrich denkt noch nicht an Abbruch
Erste Stimmen ertönen, dem Beispiel der Volleyball-Bundesliga oder Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu folgen. Dietrich will den Gesprächen zwar nicht vorgreifen, mag aber noch nicht an einen Abbruch denken. „Grundsätzlich wäre es wichtig, die Saison fertig zu spielen, um präsent zu sein und die sportlichen Entscheidungen herbeizuführen. Notfalls auch ohne Zuschauer.“ Es sei mit Blick auf die Gesundheit und die behördlichen Verordnungen angesagt. „sich nicht mit ständigen Spekulationen zu überfordern“, teilte er schon vor Tagen mit. Als hätte da einer geahnt, dass die dynamische Entwicklung auch in Frankfurt-Heddernheim täglich neues Handeln erforderlich macht.