Grassau. . Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen bereitet sich in Bayern auf die Weltmeisterschaft vor – die unbekannte Ausmaße annehmen wird.

Es ist ein regnerischer Tag, doch Martina Voss-Tecklenburg erscheint mit sonnigem Gemüt. Am Morgen hatte sie noch mit ihrem Team trainiert, und auch nun findet sich die Bundestrainerin nach der Mittagspause in der Rolle der Beobachterin wieder. Medientag im Teamhotel im bayerischen Grassau, 23 Tische stehen verteilt in zwei Räumen, ihre 23 Spielerinnen stellen sich den Journalisten. 60 Minuten Fragen und Antworten – eine Art Speeddating mit den Nationalspielerinnen, die in weniger als zwei Wochen bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft das deutsche Trikot tragen werden.

Neun Spielorte, 24 Mannschaften, 31 Tage, 52 Spiele – die WM in Frankreich wird ein Mammutturnier. Vier Jahre nach dem dritten Titelgewinn von Rekordsieger USA machen sich so viele Teams wie noch nie Hoffnungen auf die Trophäe beim achten Weltturnier vom 7. Juni bis 7. Juli. Gastgeber Frankreich, Vize-Weltmeister Japan, Europameister Niederlande, England, Spanien sowie Norwegen und Schweden gehören zum Favoritenkreis. Und Deutschland? „Das Finale in Lyon wäre ein Traum“, sagt Dzsenifer Marozsan. „Alles ist möglich“, glaubt Turid Knaak. „Hoffentlich sind wir vorne mit dabei“, bangt Lena Oberdorf.

Eine Essenerin ist die Jüngste

Da sitzen sie nun an ihren Tischen und berichten von den vergangenen Tagen im Trainingslager und dem Turnier, das nun folgen wird. Die 27-jährige Marozsan von Olympique Lyon, Lenkerin und Weltstar im deutschen Team. Die 28-jährige Knaak von der SGS Essen, die sich im vergangenen Jahr nach längerer Verletzungspause in die Nationalmannschaft zurückkämpft hatte. Und ihre Essener Teamkollegin Oberdorf aus Gevelsberg, mit 17 Jahren die Jüngste.

Mehrere Tage im Trainingslager liegen nun hinter ihnen. Sie residieren im schmucken Teamhotel bayerischen Baustils, mit Holzbalkons und Blick auf nebelverhangene Berge. Postkartenidylle im Chiemgau. Und doch kein Urlaubsdomizil. Die deutschen Frauen haben hier an Taktik, Physis und am Vertrauen untereinander gearbeitet. Sie haben geschwitzt, gepaukt und gelacht. „Ich habe den Eindruck, dass diese Mannschaft immer enger zusammenwächst. Die Gruppen werden größer“, sagt Voss-Tecklenburg zufrieden.

Finaler Test am Donnerstag

Wie sehr sich das Team aufeinander abgestimmt hat, wird sich auch am Donnerstag zeigen, im finalen Testspiel in Regensburg. Chile ist der Gegner (17.45 Uhr/ARD), und die Bundestrainerin weiß, dass „diese Partie auch ein Signal ist“. Ein Signal an die Vorrundengegner China (8. Juni), Spanien (12. Juni) und Südafrika (17. Juni). Ein Signal auch an die deutschen Fußballfans: So stark ist diese Mannschaft.

Es gibt auch ein Signal, das Voss-Tecklenburg an ihren Sorgenfall schickt. Stammtorhüterin Almuth Schult kämpft seit Wochen mit einer hartnäckigen Schulterverletzung, konnte jüngst aber wieder torwartspezifisch trainieren. „Sie hinterlässt einen guten Eindruck. Im Moment sind wir sehr positiv“, sagt Voss-Tecklenburg. Und sie stellt klar: „Wenn Almuth gegen Chile spielen kann, dann spielt sie 90 Minuten. Sie braucht das.“

Jede Spielerin wird benötigt

Und die 51 Jahre alte Bundestrainerin braucht ihre erfahrenste Torfrau. Wie auch die weiteren Stützen des Teams: Alexandra Popp, Melanie Leupolz und eben Marozsan. „Wir werden alle Spielerinnen brauchen“, stellt Voss-Tecklenburg noch einmal klar. „Es ist ein langes Turnier mit langen Wegen von Spielort zu Spielort. Da müssen auch die jüngeren Spielerinnen Verantwortung übernehmen. Das ist unsere eigene Tour de France.“