Erfurt. Bei seinem Abschied auf der Trainerbank kann sich Horst Hrubesch sogar über eine Nullnummer der deutschen Fußballerinnen freuen.

Am Ende tischte Horst Hrubesch noch einmal eine Episode aus dem wahren Leben auf. Worum es ihm geht, wenn ein Fußballteam – ganz gleich, ob es sich um Männer oder Frauen handelt – für längere Zeit zusammen ist: „Dem Kellner mal Danke zu sagen; ein Löffel aufheben, der runter gefallen ist.“ Grundwerte wie Respekt und Achtung, dozierte der 67-Jährige im Pressekonferenzraum des Steigerwaldstadions von Erfurt, seien ihm immer heilig gewesen. „Die Philosophie ist ganz einfach.“ Es waren die letzten Ausführungen, mit denen sich der Fußballlehrer nach einer Nullnummer der Frauen-Nationalmannschaft im Testspiel gegen Spanien in den Ruhestand verabschiedete. Er werde nun aus der Ferne verfolgten, wie „seine Mädels“ (Hrubesch) bei der WM 2019 in Frankreich abschneiden. Seine Mission ist definitiv beendet.

Zuvor hatte der mal wieder als Übergangslösung aushelfende DFB-Sportdirektor glaubhaft vermittelt, warum ihm der torlose Abschied richtig gut gefallen habe: „Die Mannschaft hat sich toll entwickelt, auch wenn wir vor der Pause drei Stück hätten kriegen können. Die zweite Halbzeit war eine Werbung für den Frauenfußball: mit Tempo und Chancen.“ Hrubesch hatte meist stehend mit verschränkten Armen vor dem mächtigen Oberkörper den Härtetest gegen einen zeitweise spielstärkeren Gegner verfolgt, was ihn angeblich schon nach 20 Minuten an seine größten Begegnungen als Spieler erinnerte. „Ich mag es, wenn es Spitz auf Knopf zugeht.“ Der ehemalige Mittelstürmer spannte selbst den größtmöglichen Bogen: „Wie damals bei HSV gegen Real. Oder im EM-Finale gegen Belgien: Entweder die schießen ein Tor oder dir fällt der Ball auf den Schädel.“ So ist es ja damals in Rom vor mehr als 38 Jahren gewesen.

Die Weltreise wartet

Nur 3169 Augenzeugen erlebten in Erfurt den letzten Trainer-Auftritt eines Charakterkopfes, der mal ein Kopfballungeheuer war. Der achte Sieg im achten Spiel blieb ihm allerdings mit den DFB-Frauen verwehrt. Aber sonst hätte seine Nachfolgerin Martina Voss-Tecklenburg ja auch kein Steigerungspotenzial mehr ausmachen können, wie Spielführerin Alexandra Popp anmerkte: „Wäre ja schlimm gewesen, wenn jetzt alles klappt. Ich bin guter Dinge, dass es nächstes Jahr funktioniert.“

Das deutsche Team fand gegen die aufstrebenden Spanierinnen lange nicht die richtigen Mittel, wobei die Gäste in den vergangenen Jahren auf Vereins- und Verbandsebene vieles eingeleitet haben, um zu einer der führenden Frauenfußball-Nationen zu werden. Topvereine wie der FC Barcelona streben nach vorne, spanische Nachwuchsteams räumen Titel reihenweise ab. Im Grunde war es nur der starken Torfrau Merle Frohms (SC Freiburg) zu verdanken, dass das deutsche Team nicht in Rückstand geriet.

Hinterher mischte sich bei den Spielerinnen fast mehr Wehmut in den Abschied als beim Trainer selbst. „Es kommt echt rüber, dass ihm das Spaß gemacht hat“, räumte Mittelfeldspielerin Lina Magull (FC Bayern) ein. „Wir bedauern, dass wir ihn loslassen müssen.“ Hrubesch hätte einerseits vielleicht gerne weitergemacht, freut sich aber andererseits, sich endlich mal anderen Dingen als dem Fußball zuzuwenden. Er werde gewiss nicht nur auf der faulen Haut liegen, „aber endlich mal das tun, was man möchte.“ Nach der aktiven Karriere sei er acht Wochen durch Alaska getourt, jetzt führt ihn bald eine Weltreise von Neuseeland über Singapur und Las Vegas bis nach Hawaii. Auch wegen dieser Aussicht trug er fortwährend ein Lächeln auf den Lippen.