Winnipeg. . Trotz des 4:0-Erfolgs gegen Thailand ärgerte sich Torhüterin Nadine Angerer über die Vorstellung. Am Samstag tritt das DFB-Team im WM-Achtelfinale an.

„Steht in meinem Buch, oder?“ Reflexartig erklingt die Antwort von Nadine Angerer, wenn jemand zu oft aus ihrer Autobiografie zitiert. Aber bitte, wer so detailliert vom Innenleben der deutschen Frauen-Nationalmannschaft berichtet wie die Torhüterin, darf sich nicht wundern, damit konfrontiert zu werden. Vor allem, wenn Angerer Klartext redet, wie nach dem 4:0-Sieg gegen Thailand in Winnipeg. „Das war Standfußball. Die erste Halbzeit können wir in die Tonne kloppen, und so können wir nicht noch mal auftreten. Sonst scheiden wir aus.“

Die 36-Jährige bewegte dabei zwar lässig einen Getränkebecher, aber derlei Nachlässigkeiten will die Torfrau auf der Zielgerade der Karriere nicht hinnehmen. „So können wir dieses Spiel nicht stehen lassen.“ Die Meinungsmacherin möchte vor dem WM-Achtelfinale am kommenden Samstag (22 Uhr/MESZ) mit den „älteren Mitspielerinnen“ die Köpfe zusammenstecken. Angerer: „Wir können uns das nicht erlauben. Das ist eine Einstellungssache. Man muss wachsam sein. Ab jetzt kommen nur noch starke Gegner.“

Nur die Sachen zu packen und nach Ottawa zurückzufliegen, damit könne es nicht getan sein. Kündigt sich damit etwa eine Krisensitzung hinter verschlossenen Türen wie bei der EM 2013 an? Vor zwei Jahren nach einem 0:1 gegen Norwegen in Kalmar verabredete Angerer noch auf der Busfahrt mit Abwehrchefin Saskia Bartusiak eine Aussprache – ohne Silvia Neid. In ihrem Buch („Im richtigen Moment – Meine Story“) handelt fast ein ganzes Kapitel davon, wie sie die Bundestrainerin überstimmte: „Wer von den Spielerinnen fertig ist, kommt jetzt in den Besprechungsraum. Alle.“

Das reinigende Gewitter

Im Dachgeschoss von Färjestaden auf Öland kam es zum reinigenden Gewitter, das rückblickend als Erweckungserlebnis zum EM-Gewinn galt. Ist es nun bei der WM-Mission wieder so weit? Offiziell war bei der deutschen Delegation am Dienstag im Delta Hotel an der Lyon Street unweit des Supreme Court of Kanada nur Regeneration angesagt. Im Obersten Gerichtshof von Kanada sind schon Beschlüsse von immenser Tragweite ergangen, es bleibt nun abzuwarten, zu welchen internen Urteilen der Führungszirkel bei der DFB-Auswahl gelangt. Neid weiß, dass ab sofort jeder Fehler fatale Folgen haben kann: „Jetzt geht es eigentlich erst los.“

Ein möglicher Achtelfinalgegner könnte die Niederlande sein, aber sicher steht der Gegner erst fest, wenn am Mittwochabend kanadischer Zeit alle Vorrunden-Spiele beendet sind. Kein Zufall also, dass Angerer zu diesem Zeitpunkt die Defizite anspricht. „Alles was uns stark macht – Einsatz, Leidenschaft, Zweikampfstärke – haben wir nicht gezeigt.“

Nein, diese Dienstreise nach Winnipeg war aus ihrer Sicht nicht nötig. Nur eines hätte die Weltenbummlerin gerne für die Rückkehr ins Quartier nach Ottawa mit in den Flieger verfrachtet: „Das Stadion in Winnipeg war gut – die Stadt werde ich nicht vermissen.“ Aber vielleicht wird sie sich irgendwann an ihren Weckruf noch erinnern. In einem neuen Kapitel von ihrem Buch.