Essen. Nach dem Halbfinal-Aus der deutschen Nationalmannschaft fordern Unionspolitiker eine “Hymnen-Pflicht“ für die deutschen Nationalspieler. Wer für Deutschland spiele, müsse auch die Nationalhymne singen. Doch die Debatte führt in die falsche Richtung. Ein Kommentar.

Weil nach der EM immer auch vor der WM ist, führt kein Weg an der Aufarbeitung der Titelkämpfe in Polen und der Ukraine vorbei. Plumpe, undifferenzierte Trainerschelte ist dabei nicht hilfreich. Erst recht keine nationale Keule, die jetzt – wieder einmal – von Politikern geschwungen wird, die einer Singpflicht der DFB-Kicker beim Abspielen der Nationalhymne das Wort reden. Hat je ein Fußballer ein dümmeres Eigentor geschossen?

Richtig ist, dass viele Fernsehzuschauer vor dem Halbfinale Deutschland gegen Italien irritiert waren beim Vergleich der beiden Nationalmannschaften. Hier die voller Inbrunst singenden Azzurri, dort die vergleichsweise teilnahmslos wirkenden deutschen Spieler. Patriotische Aspekte dürften beim Betrachten dieser Bilder dennoch eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. War doch das Verhalten der Italiener vor allem eine Hymne auf die Lust und die Leidenschaft.

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Die Frage ist also nicht, ob Deutschlands Nationalkicker, auf deren multikulturelle Herkunft wir vor noch gar nicht langer Zeit so stolz waren, über eine ausreichend patriotische Gesinnung verfügen. Sondern: Warum war ihnen, anders als den Italiener, keine rechte Vorfreude auf das prickelnde Halbfinale, dem Millionen entgegenfieberten, anzumerken? Noch 2010 hatte die weitgehend identische Elf ihre Fans mit ihrer Spielfreude mitgerissen – ohne, dass irgendjemand an ihren kaum stärker ausgeprägten „Gesangskünsten“ Anstoß genommen hätte.

Die Frage, die für die Zukunft der Nationalmannschaft relevant ist, lautet daher: Wo, wann und wodurch ist den Spielern auf dem Weg zur EM 2012 ihre Leidenschaft abhanden gekommen? Wichtiger, noch: Wie ist sie wiederzubeleben? Bei der Suche nach einer Antwort darauf könnte ein Blick nach Dortmund hilfreich sein...