Essen. Mit viel Müh und Not stolpern Poldi & Co. den Ball ins Tor und retten die Führung über die Zeit. Für die Fans in der Heimat ist's egal. Nach Abpfiff stürzen sich tausende in ihre Autos und fahren hupend und Fahnen schwenkend durch die Gegend, als gelte es die Erlangung des Weltfriedens zu feiern. Lasst den Quatsch!

Dreimal hat die DFB-Elf bei der EM 2012 gespielt, drei gewonnen, dreimal zogen anschließend Horden von Menschen los, setzten sich in ihre Autos und fuhren hupend durch die Innenstädte. Die neue Trendsportart der Massen heißt "Autokorso". Was früher anlässlich eines Finaleinzugs, vielleicht gar nur eines Turniersiegs veranstaltet wurde, ist heute Standard nach jedem Spiel. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch Siege in Freundschaftsspielen ausreichen, um halb Deutschland wild hupend durch die Gegend fahren zu lassen.

Doch die Statistik geht noch weiter, drei Spiele, drei Siege, dreimal Autokorsos - und dreimal Meldungen über Verletzte. Bei einem Autokorso nach dem Zittersieg gegen Dänemark verletzte sich ein Quadfahrer in Recklinghausen schwer. Die Fahne hatte sich in seinem Fahrzeug verfangen, deshalb kippte sein Quad um. In Frankfurt ist vor drei Tagen ein kroatischer Fan bei einem Autokorso ums Leben gekommen. Er hatte im offenen Beifahrerfenster gesessen und war während der Fahrt herausgefallen.

Die Unfallgefahr ist in Autokorsos hoch

Und nein: Die Unfallgefahr ist nicht die gleiche wie bei einer normalen Autofahrt. Hochkochende Emotionen und nicht selten Alkoholeinfluss - wenn nicht beim Fahrer, dann doch zumindest häufig bei seinen Mitfahrern - senken die Konzentration und erhöhen das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden. Nicht umsonst hat die Polizei vor Autokorsos gewarnt und angekündigt, Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung streng zu ahnden.

Hinzu kommen zahllose Unfälle, bei denen zwar außer Blechschäden glücklicherweise nichts geschehen ist, aber mit welchem Gefühl wachen Fahrer und Eigentümer dieser Fahrzeuge am nächsten morgen auf? "Das war es wert", wird kaum ihr erster Gedanke sein. Wie viele dieser Unfälle als Versicherungsfälle gemeldet werden und somit letztendlich von der Allgemeinheit bezahlt, darüber gibt keine Statistik Aufschluss.

Dass das sinnlose Gehupe - teils zu nachtschlafener Zeit - Anwohner belästigt und durch die Autoschlangen andere Verkehrsteilnehmer behindert werden, spielt da schon nur noch eine Nebenrolle.

Feiert gemeinsam - aber nicht mit euren Autos

Dies ist kein Plädoyer gegen das Feiern. Im Gegenteil: Die Euro 2012 macht Spaß und gemeinsam mit Bekannten oder auch Fremden Fußball zu gucken sowieso. Wer nicht allein feiern will, kann zum Public Viewing gehen, oder in die Kneipe oder sich mit Freunden treffen. Das Gemeinschaftsgefühl dabei ist in jedem Fall stärker als in Autos hintereinanderher zu fahren.

Wer noch glaubt, mit einem Autokorso etwas Originelles zu tun, wird durch Tausende Bilder aus Hunderten Städten in ganz Deutschland wiederlegt. Autokorsos sind so originell wie Deutschlandfahnen am Fenster oder Wackeldackel auf der Hutablage.

Hier geht's zum Pro:

Warum Autokorsos zur EM 2012 dazugehören