Warschau. Ein Traumtor von Jakub Blaszczykowski lässt EM-Gastgeber Polen weiter auf den Viertelfinal-Einzug hoffen. Der Flügelspieler rettete im brisanten Duell mit Russland ein 1:1 (0:1). Vor dem Spiel gab es Ausschreitungen mit Verletzten.

Jakub Blaszczykowski hat mit einem Traumtor Polen die Chance aufs EM-Viertelfinale gewahrt. Der Dortmunder sorgte in der 57. Minute mit einem fulminanten Linksschuss für den Ausgleich gegen Russland, das durch Alan Dsagojew (37.) in Führung gegangen war. Durch das 1:1 (0:1) im Warschauer Nationalstadion verpassten die Russen den vorzeitigen Einzug in die K.o.-Runde, nachdem Tschechien zuvor in Breslau die Griechen mit 2:1 bezwungen hatte. Co-Gastgeber Polen erwehrte sich tapfer der spielerisch überlegenen Russen und kann mit einem Sieg gegen Tschechien am Samstag noch das Viertelfinale erreichen.

Das zweite Spiel der Gruppe A zwischen den Nachbarn mit dem komplizierten Verhältnis galt schon lange vor dem Turnier als größte Gefahr für die Sicherheit. Ein massives Polizeiaufgebot ließ aber vor dem Spiel nur wenige Scharmützel zwischen einigen tausend russischen Fans, die geschlossen über die Weichsel zum Stadion marschierten, und gewaltbereiten Polen zu. Bei diversen Ausschreitungen kam es laut Polizeisprecherin Monika Brodowska zu 56 Festnahmen. Unter zehn Verletzten soll auch ein Deutscher sein.

Gigantisches Transparent der russischen Anhänger

Im Stadion schwenkten 40.000 polnische Fans ihre Schals, kaum einer hatte einen Faden am Körper, der nicht rot oder weiß gewesen wäre. Der russische Block mit etwa 10.000 Anhängern entrollte zur eigenen Hymne ein ebenso gigantisches wie abstoßendes Transparent in drastischem Comic-Stil, das einen Kämpfer mit Schwert zeigte. Nein, dies würde ganz sicher kein Spiel wie jedes andere werden.

Die perfekt eingespielten Russen wirkten erwartungsgemäß feldüberlegen, doch die besseren Chancen hatte zunächst Polen. In der 7. Minute scheiterte Sebastian Boenisch per Kopf aus kurzer Entfernung an Russlands Torwart Wjatscheslaw Malafejew, und in der 11. Minute gab Robert Lewandowski mit einem Volleyschuss mit links einen ersten Beweis seiner Klasse.

Im brodelnden und sirrenden Stadion musste Schiedsrichter Wolfgang Stark aus dem bayerischen Ergolding die Übersicht behalten und besonderes Augenmerk auf die Zweikämpfe mit Lewandowski richten, dessen Beine nahezu jedes Mal mit im Visier der russischen Verteidiger waren. Der einzige deutsche EM-Referee zeigte sich dem hohen Tempo und der bisweilen harten Gangart gewachsen.

Russland kombinierte gefälliger, doch Polen zehrte, wie im Eröffnungsspiel, vom Dortmunder Element im Team: Nach einer Balleroberung suchte man in wenigen Sekunden den Abschluss. Lukasz Piszczek, der starke Rechtsverteidiger vom Deutschen Meister, war diesmal durch die gefährlichen russischen Flügel Arschawin und Alexander Kerschakow hinten gebunden, was seinen Klubkameraden Jakub Blaszczykowski mit dem Aufbau der Konter allein ließ.

Führungstor für Russland durch Dsagojew

Die nächste Chance hatten denn auch die Russen: Boenisch entblößte seine linke Seite, Kerschakow gab nach innen, Andrej Arschawin verpasste nur um Zentimeter. Das Führungstor der Russen in der 37. Minute offenbarte die Schwächen der polnischen Verteidigung: Ein Freistoß Arschawins, scharf und mit Effet, glitt durch die hektisch manövrierende Verteidigung, Alan Dsagojew verlängerte den Ball zu seinem dritten Turnier-Treffer ins Tor.

Polen musste nun kommen, reagierte aber eher geschockt. Zum leichtfüßigen und sicheren Spiel der Russen zeigte sich ein Qualitätsunterschied, der die Hoffnungen der jungen polnischen Mannschaft auf die Rolle eines Geheimfavoriten als Illusion erwies.

Polens Nationaltrainer Franciszek Smuda hatte den nach seiner Roten Karte gesperrten Stammtorwart Wojciech Szczesny erwartungsgemäß durch Przemyslaw Tyton ersetzt, der beim 1:1 gegen Griechenland einen Elfmeter pariert hatte. Zudem kam Dariusz Dudka, mit nun 63 Länderspielen erfahrenster Akteur im polnischen Kader, für Maciej Rybus. Ein Mehr an defensiver Stabilität war zwar zu erkennen, aber auf Kosten der offensiven Stärken, die Polen jetzt so dringend brauchte.

In der zweiten Hälfte ging Polen größere Risiken ein und wurde belohnt. In der 57. Minute setzte Blaszczykowski auf der rechten Seite zu einem Dribbling an, zog nach innen und drosch den Ball mit links ins Tor - eine enorme Energieleistung, ein fantastischer Treffer. Beide Teams, angepeitscht von ihren Fans, suchten weiter die Entscheidung, dabei konnten beide auch mit einem Punkt leben. Dsagojew (67.) und Lewandowski vergaben beste Möglichkeiten.