Kiew.. Mit zwei Toren hat der Stürmer Andrej Schewtschenko das Spiel gegen die Schweden entschieden. Damit machte er nicht nur sich selbst überglücklich sondern versetzte die ganze Ukraine in Extase. Weil mit so einem Erfolg keiner gerechnet hat, ging es bald wieder um Dopinggerüchte.

Andrej Schewtschenko strahlte wie ein kleiner Junge, der gerade seine Weihnachtsgeschenke ausgepackt hat. Immer wieder lachte der 35-Jährige, und dann sagte er: „Wenn ich letzte Nacht geträumt hätte, hätte ich es mir nicht besser erträumen können. Ich bin so glücklich.“

Beide Tore zum 2:1-Sieg des EM-Gastgebers Ukraine hatte er erzielt, jeweils mit dem Kopf und wie in seinen lange zurückliegenden besten Zeiten. Gedreht hatte Schewtschenko damit das Spiel gegen Schweden, nach der Führung durch Zlatan Ibrahimovic (52.), für den eigentlich die Rolle des entscheidenden Spielers vorgesehen war. Stattdessen durfte Schewtschenko eine magische Nacht genießen, die niemand für möglich gehalten hatte. „Ich fühle mich zehn Jahre jünger“, sagte er. Und wirkte selbst verwundert, wie sich an diesem Abend für ihn alles auf wundersame Weise gefügt hatte.

Es war eine unglaubliche Nacht für die Ukraine und den alten „Sheva“, und in sie mischten sich auch die Gedanken an die Dopinggerüchte, die vor dem Spiel aufgekommen waren.

Fragen um Dopinggerüchte wehrt Blochin ab

Wie war es möglich, dass die Gastgeber nach einer teils desolaten Vorbereitung körperlich und spielerisch über weite Strecken überlegen waren? Wie konnte es sein, dass Schewtschenko, zuletzt nur Teilzeitprofi bei Dynamo Kiew und zuweilen lieber bei Golfturnieren auf dem Rasen, eine Leistung abliefern konnte, wie vor acht, neun Jahren, als er Europas Fußballer des Jahres wurde und zuvor Champions-League-Sieger mit dem AC Mailand?

Trainer Oleg Blochin, der wie die ganze Mannschaft beim Abpfiff euphorisiert gejubelt hatte, ist für solche Fragen nicht zugänglich. Vor dem Spiel hatte er von einer angeblichen Lebensmittelvergiftung bei der Hälfte seiner Spieler gesprochen, und auch sein Verband wischte die Zweifel an Teamarzt Leonid Mironow vom Tisch. „Unser Arzt hat einen guten Ruf“, sagte Sprecher Alexander Gliwinski. Dabei war Mironow 2009 die Verabreichung des Dopingmittels Dexamethason nachgewiesen worden, das eine schnellere Erholung nach körperlicher Anstrengung ermöglicht.

Ukraine feiert ihren Helden

Blochin betonte nach dem überraschenden Erfolg kess, wie rasch sich die Physis seiner Mannschaft verbessert hatte. „Jeder hat kritisiert, wir seien nicht vorbereitet“, erinnerte sich der 59-Jährige, „aber ich muss das unterstreichen: Wir haben 90 Minuten durchgehalten – und das in hohem Tempo.“ Auch Schewtschenko sagte: „Ich konnte mir lange Zeit nicht vorstellen, die EM zu spielen, wegen meiner Probleme mit dem Knie und dem Rücken. Aber jetzt bin ich in einer guten Verfassung.“ Ein mulmiges Gefühl blieb nach diesem erstaunlichen Erfolg im ersten EM-Spiel der Ukrainer seit der Unabhängigkeit 1991, wobei es sicher falsch wäre, ausschließlich über unerlaubte Maßnahmen zu spekulieren.

Für die Menschen im Gastgeberland spielten die Mutmaßungen in den Momenten der überbordenden Freude keine Rolle. Bis tief in die Nacht feierten sie ihren Helden. Nun scheint sogar der Einzug ins Viertelfinale möglich, zumal sich Frankreich und England zuvor 1:1 getrennt hatten. Die Ukraine darf weiterträumen. Und das, befand auch Erik Hamrén, hatte sie vor allem Schewtschenko zu verdanken. „Er hat sich toll bewegt, er war sehr gut im Strafraum“, sagte der Trainer der Schweden, „gut für ihn, ganz schlecht für uns.“