Hamburg. Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque will mit der Nationalelf weitere Titel holen. Dem Team von iberischen Halbinsel verhilft der einstige Spieler und Trainer von Real Madrid zur Bodenhaftung. Bei aller Bescheidenheit ist er mit seiner in der EM-Quali ungeschlagenen Mannschaft Topfavorit.
Am 1. Juli ist es gerade mal 721 Tage her, dass Vicente del Bosque in Johannesburg den WM-Pokal in die Höhe stemmte. Im grauen Anzug, mit roter Krawatte, freudig, aber nicht überschwänglich - und seitdem hat sich nicht viel geändert. Der 61-Jährige ist zwar inzwischen von Spaniens König Juan Carlos für seine Verdienste mit dem Titel eines "Markgrafen" geadelt worden, aber ansonsten soll das Szenario am Finaltag der EURO in Polen und der Ukraine genau das gleiche sein wie vor knapp zwei Jahren, als Spanien seine Vormachtstellung in Südafrika mit dem WM-Titel krönte. Das zumindest ist del Bosques Traum.
"Wir haben uns unseren Titelhunger bewahrt, und auch die Lust, uns den Konkurrenten zu stellen", sagt der 61-Jährige. Als einzigem Trainer neben dem Italiener Marcello Lippi ist es ihm gelungen, die Champions League und die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Der Sieg bei der Europameisterschaft wäre auch für den introvertierten Routinier die Krönung der ohnehin fast tadellosen bald 20 Jahre langen Trainerkarriere. Zumal del Bosque die Spanier als erste Nation zum dritten Titel in Serie führen könnte. Deutschland scheiterte 1976, Frankreich 2002.
Erfolge in der Vergangenheit zählen nicht mehr
Del Bosque will getreu seiner stoisch ruhigen Art von dem Status seiner "Seleccion" als Non-Plus-Ultra im Weltfußball nichts wissen. "Wir sind Titelverteidiger, machen uns aber nicht größer als wir sind", sagt der Mann aus Salamanca im Herzen der iberischen Halbinsel. Diese Bodenständigkeit versucht er auch den erfolgsverwöhnten Superstars aus Barcelona und Madrid einzutrichtern. "Ich denke, wir müssen wie ganz normale Menschen sein. Wir können stolz sein auf das, was wir erreicht haben, aber das ist jetzt Vergangenheit. Jetzt müssen wir an die Zukunft denken."
Die spanischen Nationalspieler sehen die Erfolge nach der 44 Jahre langen Durststrecke durchaus als Motivation für mehr und schätzen del Bosque für seine Bescheidenheit. "Wir dürfen nicht so entspannt sein. Das weiß der Trainer - und er wird uns richtig anfassen", sagt Mittelfeldstratege Xavi Hernandez vom FC Barcelona. Dass del Bosque auch nach großen Titeln nicht aufhört zu arbeiten, hat der ehemalige Nationalspieler schon zu Zeiten seiner Spielerkarriere bewiesen.
Ein begabter Mittelfeldspieler war er, lief 18 Mal für die spanische Nationalmannschaft auf - und wollte sein Talent für Fußball weitergeben. Als "Lückenbüßer" empfahl sich der schnauzbärtige Spanier ganz nebenbei mit dem Gewinn der Champions League 2000 dauerhaft für das Traineramt bei Real Madrid, seiner großen Liebe. Nach fünf Meisterschaften zu seiner aktiven Zeit gewann del Bosque auch als Coach zweimal den Titel mit den Königlichen. Bevor er 2003 nach 30 Jahren von Real auf recht ungalante Art vor die Tür gesetzt wurde, holte er im Jahr 2002 erneut den Titel in der Königsklasse und auch den Weltpokal.
Bis 2014 sind noch zwei Titel zu vergeben
Als Nachfolger von Luis Aragonés, der Spanien bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz endlich den langersehnten Titel brachte, konnte del Bosque nach seinem erfolglosen Engagement bei Besiktas Istanbul eigentlich nur verlieren. Stattdessen gewann die "Seleccion" unter seiner Leitung erstmals den WM-Titel. Seitdem haben die Spanier einen Ruf als Weltmacht im Fußball, wie ihn früher nur Brasilien genoss und der selbst Mannschaften wie Deutschland und den Niederlanden höchsten Respekt abnötigt.
Auch durch die EM-Qualifikation marschierte die "Furia Roja" (rote Furie) ohne Niederlage. "Wenn wir nicht abheben wollen, gibt es keine andere Möglichkeit, als unseren Sieg zu vergessen", sagt del Bosque. Erst vor wenigen Monaten verlängerte er seinen Vertrag bis nach der WM 2014 in Brasilien. Del Bosques Mission ist noch lange nicht zu Ende. (dapd)