Prag. Tschechien funktioniert bei der EM bislang als Kollektiv. Vor dem Viertelfinale gegen Dänemark erinnert Trainer Silhavy an die Vorbilder.

Schon seit der Kindheit, so hat es dieser Tage Michal Sadilek verraten, begeistern sich die meisten tschechischen Nationalspieler für die bekannten Panini-Alben. Tüte aufreißen, Nummer prüfen, Bild einkleben. „Das Sammeln ist in unserer Mannschaft ein Riesenspaß und machen die meisten schon sehr lange“, sagte der Profi von Slovan Liberec.

Torhüter Vaclik, Antreiber Soucek, Torjäger Schick

Was Generationen von Fußballfans begeistert, ist liebster Zeitvertreib bei jenen Akteuren, die bei dieser EM eine Geschichte erzählen, deren Erinnerungswert bald über ein Sammelalbum hinausgehen könnte. Wenn nämlich das Team um Torhüter Tomas Vaclik, im aktuellen Stickeralbum die Bildnummer 381, Antreiber Tomas Soucek, 396, oder Torjäger Patrik Schick, 399, das Viertelfinale an diesem Samstag gegen Dänemark in Baku (18 Uhr/ARD) gewinnt, dann dürften nicht nur die Sammlerwerte dieser Klebebildchen rapide steigen.

Weil das tschechische Team ihr Camp in Prag bezogen hat, spüren die Protagonisten die wieder wachsende Begeisterung ihrer Landsleute für den Fußball. Bereits am Donnerstag ging der Flug nach Aserbaidschan, was das einzige Ärgernis fürs Außenseiterduell darstellt. „Es macht keinen Sinn; in Baku zu spielen. Für unsere Fans ist das frustrierend“, sagte Antonin Barak.

Kapitän Vladimir Darida meldet sich fit

Der Mittelfeldmann von Hellas Verona hatte zuletzt Kapitän Vladimir Darida von Hertha BSC im Achtelfinale gegen die Niederlande (2:0) ersetzt. Doch vor dem nächsten K.o.-Spiel meldet sich Bundesliga-Spieler Darida nach einer nicht näher benannten Verletzung fit: „Ich bin bereit, von Beginn an zu spielen“, betonte der 30-Jährige, der am Donnerstag die komplette Einheit mit dem Team absolvierte.

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Gesetzt dürfte im Mittelfeld Soucek (26) sein, der seine starke Form bei West Ham United mal direkt in die EM transferiert hat. Der robuste Taktgeber hat sich in anderthalb Jahren in der Premier League einen exzellenten Ruf erarbeitet. Die blonde Symbolfigur an Widerstandskraft bildet zusammen mit dem für den FC Sevilla spielenden Torwart Vaclik (32) und den für Bayer Leverkusen stürmenden Schick (25) eine verlässliche Achse einer Mannschaft, die gewiss nicht über so viel Talent verfügt wie die Generation um Edeltechniker Karel Poborsky oder das Genie Pavel Nedved.

Aber dass sich eine Story wie 1996 mit dem Finaleinzug (1:2 in der Verlängerung gegen Deutschland) oder 2004 mit dem Erreichen des Halbfinals (0:1 nach Verlängerung gegen Griechenland) wiederholt, ist allemal drin. Zumal: 2004 warfen die Tschechen eben die Dänen im Viertelfinale mit 3:0 aus dem Turnier.

Jan Koller erinnert sich an Finaleinzug 1996

„Wenn unsere Mannschaft jetzt noch von der Euphoriewelle erwischt wird, dann kann wieder alles passieren“, sagte der einstige Mittelstürmer Jan Koller, der damals in Porto das Führungstor erzielte, ehe Milan Baros noch einen Doppelpack anbrachte, dem Fachmagazin „Kicker“. Und natürlich würde es weit über Prag hinausstrahlen, wenn es ein Halbfinale zwischen Tschechien und England geben sollte. 25 Jahre nach dem durch das Golden Goal von Oliver Bierhoff so unglücklich verlorenen Endspiel wieder in Wembley anzutreten, das hätte was.

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Die Vergleiche mit den Helden aus dem Turnier vor einem Vierteljahrhundert nimmt Trainer Jaroslav Silhavy als Ansporn. Der oft spröde wirkende 59-Jährige arbeitete bei der EM 2004 noch an der Seite von Karel Brückner und übernahm das Nationalteam 2008. Der gute Draht zu einer Mannschaft mit viel Herz und Hingabe ist verbürgt.

Ob zur Stärkung des Zusammenhalts unbedingt ein Ausflug an den Schießstand gehören muss, als Schick und Co. vor der Achtelfinal-Sensation unter Anleitung mit Schusswaffen herumballerten, sei mal dahingestellt, aber die Mannschaft folgt den Plänen bedingungslos. Der von Silhavy vorgegebene physische Stil schaut nicht immer schön aus, aber was soll dieses spielerisch eher limitierte Ensemble sonst tun?