Essen. Vor dem EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn hätte das ZDF keinen besseren Gesprächspartner als Thomas Hitzlsperger finden können. TV-Kritik.
Gute Übergänge sind eine Kunst. Nicht nur bei Texten, auch beim Fernsehen. Ein Klassiker für eine Überleitung ist das Wetter. Das ZDF bediente sich am Mittwochabend während der Berichterstattung zur Fußball-EM dieses Kniffes.
Die Kommentatoren Oliver Schmidt und Sandro Wagner hatten ihre letzten Einschätzungen zur Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn abgegeben. Man sah sie durch einen Regenschleier im Münchener Stadion sitzen. Nun folgte der kunstvolle Übergang. Ein Regenbogen sei noch nicht zu sehen, sagten sie. Und zack: Schon war man beim Thema.
Hitzlsperger lebt offen schwul und ist DFB-Botschafter für Vielfalt
Natürlich widmete sich auch das ZDF der Reaktion auf das Verbot der Europäischen Fußball-Union Uefa, die Münchener Arena als Zeichen für Vielfalt und gegen Homophobie in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen. Es gelang jedoch, das Thema nicht zu überhöhen. Die Redaktion widmete sich auch ausführlich den sportlichen Aspekten – dem deutschen Spiel, den ungarischen Chancen.
Ging es aber ums Thema hatten sie sich den wohl besten Gesprächspartner zugeschaltet: Thomas Hitzlsperger. Der 39 Jahre alte frühere Nationalspieler lebt seit seinem Karriere-Ende offen schwul, beim DFB ist er Botschafter für Vielfalt. Da er nicht über eine ihm fremde Gruppe spricht, sondern aus eigener Erfahrung weiß, was Homophobie bedeutet, hat seine Stimme Gewicht. Unaufgeregt ordnete er die Diskussion ein. Politisch, aber auch menschlich.
Aktion Regenbogen in Nordrhein-Westfalen
Hitzlsperger enthüllt Uefa Detail
„Die Diskussion, die entstanden ist aufgrund dessen, ist so viel größer und geht über so viele Tage, dass die Uefa, glaube ich, enorm unterschätzt hat, was sie damit angerichtet hat.“ Sie habe sich selbst in ein schlechtes Licht gerückt und viele Fußballfans mobilisiert. „Die Fans haben heutzutage einen größeren Anspruch“, Verbände müssten sich klar positionieren. Auch vom DFB-Interimspräsidenten Rainer Koch erwarte er künftig eine klarere und emotionalere Positionierung in Sachen Gleichberechtigung, Menschenrechte und Vielfalt.
Auch interessant
Dabei enthüllte der gebürtige Münchener, dass die Uefa bereits im Mai eine Regenbogen-Beleuchtung des Münchener EM-Stadions abgelehnt habe. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe damals angeregt, die Arena an einem spielfreien Tag in Regenbogenfarben zu beleuchten. „Die Uefa hat dieses abgelehnt, einfach mit dem Verweis unter anderem auf die Kurzfristigkeit der Anfrage“, sagte Hitzlsperger. „Und ein paar Wochen später sagen sie, man könnte doch auch einen anderen Spieltag wählen. Und das passt dann nicht mehr zusammen“, sagte Hitzlsperger, derzeit Vorstandschef des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart.
Hitzlsperger mit eindringlichem Schlussappell zur Regenbogen-Debattte
Seiner Meinung nach habe die Uefa die Kommunikation dieser Thematik unterschätzt. "Sie laufen nur noch hinterher und müssen das Ganze jetzt ausbaden. Das ist echt bitter mitanzusehen." HItzlsperger wurde deutlich: "Es reicht nicht, sein Logo in Regenbogenfarben zu tauchen, man muss klar Stellung beziehen und das hat die Uefa versäumt."
Dann folgte sein Schlusswort: Man habe jetzt sehr viel Symbolik gesehen, sagte er. Nun sei es wichtig, dass die Menschen, die sich bisher nicht trauten, so zu leben wie sie wollen, spürten: "Ihr erfahrt Unterstützung." Der nächste Schritt müsse nun sein, sagte Hitzlsperger, "dass aus Toleranz Akzeptanz" werde. Applaus im TV-Studio. Damit war alles gesagt. (mit dpa)