Essen. Weil das Stadion in München bei der EM 2021 nicht bunt leuchten darf, schwappt eine Protestwelle über die Uefa. Der Dachverband verteidigt sich.

Vermutlich wird der Stadtrat in München nicht geahnt haben, welche Bewegung er durch sechs bunte Farben auslösen würde. Doch am Mittwoch strahlten in Deutschland zahlreiche Gebäude in Regenbogenfarben. In den Sozialen Medien knubbeln sich die Bekenntnisse für Vielfalt und Toleranz. Viele Städte solidarisieren sich. Bundesligaklubs unterstützen den Protest gegen Homophobie. Viele Stadien glänzten bunt. So wie es auch für die Münchener Arena beim deutschen EM-Gruppenspiel gegen Ungarn vorgesehen war – als Protest gegen ein Gesetz der ungarischen Regierung, das die Informationsrechte für Jugendliche im Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt.

In Ungarn läuft eine Gegenbewegung zum Regenbogen-Protest

Seitdem am Dienstag die Europäische Fußball-Union jedoch verkündete, dass sie dieses Vorhaben nicht erlaube, schwappt eine Protestwelle über sie hinweg. Und dieses ohnehin politisch aufgeladene Turnier, das Europa eigentlich vereinen soll, verdeutlicht nun die politischen Grabenkämpfe, die auf dem Kontinent ausgetragen werden.

Während sich Deutschland mit Regenbogenfarben schmückt, wollen ungarische Vereine ihre Stadien in den eigenen Nationalfarben beleuchten. „Heimat vor allem“, schrieb Gabor Kubatov, Präsident von Ungarns größtem Klub Ferencvaros, dazu in den Sozialen Medien. Längst hat die Aufregung zudem die politische Bühne erreicht. Die EU-Kommission kündigte an, gegen das Gesetz vorzugehen. Der ungarische Regierungs-Chef Viktor Orban ließ mitteilen, dass er die EM-Partie in München nicht besuchen werde.

Aktion Regenbogen in Nordrhein-Westfalen

Eine Mischung aus Europa- und Regenbogenfahne ist auf der Lichtinstallation ·Fliegende Bilder· des Künstlers Adolf Winkelmann am sogenannten U-Turm zu sehen. 
Eine Mischung aus Europa- und Regenbogenfahne ist auf der Lichtinstallation ·Fliegende Bilder· des Künstlers Adolf Winkelmann am sogenannten U-Turm zu sehen.  © Getty Images | Christian Kaspar-Bartke
Die U-Bahn Passarelle leuchtet Regenbogenfarben am HBF in Essen. 
Die U-Bahn Passarelle leuchtet Regenbogenfarben am HBF in Essen.  © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hisst eine Regenbogenflagge auf dem Rathaus in Bochum.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hisst eine Regenbogenflagge auf dem Rathaus in Bochum. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert
Eine Regenbogen-Fahne hängt vor dem Rathaus in Essen.
Eine Regenbogen-Fahne hängt vor dem Rathaus in Essen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener
Eine Regenbogenflagge hängt vor dem Rathaus in Bochum.
Eine Regenbogenflagge hängt vor dem Rathaus in Bochum. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert
Eine Regenbogenfahne weht in Herne über dem Rathaus. 
Eine Regenbogenfahne weht in Herne über dem Rathaus.  © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski
Eine Videografik auf der NewsWall des Funketurms der Funke Mediengruppe in Essen.
Eine Videografik auf der NewsWall des Funketurms der Funke Mediengruppe in Essen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann
Eine Mischung aus Europa- und Regenbogenfahne ist auf der Lichtinstallation ·Fliegende Bilder· des Künstlers Adolf Winkelmann am sogenannten U-Turm kurz vor dem Anpfiff des Spiels zu sehen. 
Eine Mischung aus Europa- und Regenbogenfahne ist auf der Lichtinstallation ·Fliegende Bilder· des Künstlers Adolf Winkelmann am sogenannten U-Turm kurz vor dem Anpfiff des Spiels zu sehen.  © dpa | Bernd Thissen
Am Theater in Dortmund leuchten am Abend die Regenbogen-Farben.
Am Theater in Dortmund leuchten am Abend die Regenbogen-Farben. © Getty Images | Christian Kaspar-Bartke
Über dem Eingang des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund sind am Abend auf einer Anzeige die Regenbogen-Farben zu sehen. 
Über dem Eingang des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund sind am Abend auf einer Anzeige die Regenbogen-Farben zu sehen.  © Getty Images | Christian Kaspar-Bartke
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Die Uefa versucht währenddessen, die Scherben zusammenzukehren. Am Mittwoch hüllte auch sie ihr Logo in den Sozialen Medien in Regenbogenfarben und verteidigte ihre Entscheidung. „Einige“ hätten diese „als politisch“ interpretiert, teilte sie mit. „Im Gegenteil, die Anfrage selbst war politisch und verbunden mit der Anwesenheit der ungarischen Nationalmannschaft im Stadion für das Spiel am Abend gegen Deutschland.“ Der Regenbogen sei „kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen unseres Engagements für eine vielfältigere und integrativere Gesellschaft“.

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DFB-Vizepräsident Rainer Koch verteidigt die Entscheidung der Uefa

Dass dies die Kritiker besänftigen wird, bleibt eher unwahrscheinlich. Generell stürmt der Gegenwind derzeit heftig auf den Dachverband und seinen Präsidenten Aleksander Ceferin ein. Schon vor dem Turnier erzeugte es Unverständnis, dass die Uefa die EM-Ausrichter dazu genötigt hatte, trotz der Corona-Krise Zuschauer in die Stadien strömen zu lassen.

Beim Finale in England sollen nun im Londoner Wembley-Stadion sogar 60.000 Fans die Partie bestaunen dürfen, obwohl auf der Insel die Delta-Variante grassiert. Hinzu kommt, dass die Fußball-Union ausgerechnet mit der rechtspopulistischen ungarischen Regierung während der Pandemie eng zusammenarbeitet. Immer wieder bot Viktor Orban sein Land als Ausweichort an, wenn die Infektionszahlen in anderen Staaten Fußballspiele verhinderten. Nun bleibt ein fader Beigeschmack, wenn der Protest gegen die Orban-Regierung unterbunden wird.

Anders als das deutsche Uefa-Exe­kutivkomitee-Mitglied Rainer Koch, der derzeit als Interimspräsident gemeinsam mit Peter Peters den Deutschen Fußball-Bund führt. Koch unterstützte die Uefa öffentlich.

„Da die Beleuchtung vom Münchner Stadtrat als eine gezielte Aktion gegen die Entscheidung des ungarischen Parlaments begründet worden ist, handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion“, schrieb der 62-Jährige bei Facebook. Gleichzeitig ließ er mitteilen, dass er als DFB-Interimspräsident die Entscheidung bedauere und der DFB die Verteilung von 10.000 Regenbogen-Fahnen vor dem Stadion unterstütze.

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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter schimpfte trotzdem. „Ich bin sehr enttäuscht, dass der DFB trotz der unglaublich deutlichen Positionierung hier in München, in Bayern und auch in der Bundesrepublik nichts erreicht hat oder erreichen wollte“, sagte er.

DFB-Spieler Mats Hummels sendet eine klare Botschaft

Die Nationalspieler positionierten sich allerdings auf der Seite der Stadt München. Borussia Dortmunds Verteidiger Mats Hummels hatte sich für die Pressekonferenz vor dem Ungarn-Spiel beispielsweise extra ein T-Shirt mit der Aufschrift „Love Unites“ (Liebe verbindet) übergezogen. „Sobald diese Themen in der Öffentlichkeit besprochen werden, ist das ein Erfolg“, meinte der 32-Jährige. Toni Kroos ließ das Logo seines Podcasts „Einfach mal Luppen!“ mit Bruder Felix vor dem Ungarn-Spiel auf Regenbogen-Farben umstellen.  

Bundestrainer Joachim Löw lobt den Regenbogen-Protest

„Grundsätzlich hätte ich mich persönlich sehr gefreut, wenn man das Stadion in diesen Farben beleuchtet hätte, wenn die Lichter angegangen wären“, sagte auch Bundestrainer Joachim Löw. Es sei für ihn allerdings „bei aller Wichtigkeit von Symbolen“ noch wichtiger, dass die durch die Regenbogenflagge dargestellten Werte für Vielfalt, freie sexuelle Orientierung und Menschenwürde „auch gelebt werden“. Und „das ist in der Nationalmannschaft der Fall“, erklärte Löw.