Essen. Kevin-Prince Boateng, früher als Skandalprofi unterwegs, entspricht als EM-Experte der ARD nicht dem Klischee. Eine TV-Kritik
Almuth Schult. Stefan Kuntz. Kevin-Prince Boateng. Das Erste wird es sich gut überlegt haben, seine EM-Expertenrunde so zusammenzustellen. Mit der erfrischenden, top informierten Nationaltorhüterin. Mit dem sympathischen, offenen Bundesnachwuchstrainer. Und mit dem selbstbewussten, meinungsfreudigen Fußballer.
Natürlich werden sich die Programmgestalter auch die eine oder andere Überraschung von dem Mann erhofft haben, der in Phasen seiner Karriere nicht selten und vor allem nicht unberechtigt als Skandalprofi tituliert wurde. Doch der gebürtige Berliner, inzwischen 34 Jahre alt und auf seiner bereits 14. Profi-Station beim italienischen Zweitligisten AC Monza unter Vertrag, fiel bisher eher nicht durch Spontanität und schon gar nicht durch Unverschämtheiten auf. Mit seiner Wortwahl trifft er zwar er den Ton einer jüngeren Generation, was zweifelsohne nicht schaden kann, aber er missachtet keine Anstandsregeln, er ist einfach nett. Was Almuth Schult zu sagen hat, respektiert er, wenn es ihm nicht sogar imponiert. Und Stefan Kuntz als Trainer muss auch nicht damit rechnen, dass ihn ein unbequemer Profi vom TV-Sessel grätscht.
Boateng hielt schon eine Rede vor den Vereinten Nationen in Genf
Das mag manche überraschen. Aber wer Kevin-Prince Boateng kennt, der weiß, dass er sich sein Bad-Boy-Image schon früh in seiner Karriere erworben und dann schwer damit zu kämpfen hatte, es wieder loszuwerden, obwohl er so ehrlich war, die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu bestreiten. „Privat bin ich ein ganz Lieber, das können viele bestätigen“ hat er mal im Interview mit dieser Zeitung gesagt, nachdem er 2013 vom AC Mailand zu Schalke 04 gewechselt war.
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Ebenfalls vor acht Jahren hatten ihn die Vereinten Nationen in Genf dazu eingeladen, eine Rede zum Thema Rassismus zu halten. „Ich war nervös wie vor keinem Fußballspiel“, gab er zu. „Am Ende habe ich es aber gut gemeistert, weil ich ein super Schauspieler bin.“
Mit einer EM-Vorhersage lag Boateng ganz schön daneben
Aktuell im TV-Studio muss er nicht schauspielern, da sind eher fachliche Qualitäten gefragt. Und die bringt er ein, so gut er kann. Dass er die Türkei zum Geheimfavoriten erklärte – geschenkt. Wenn unsereiner alles vorgehalten bekäme, was er schon falsch vorausgesagt hat...