Amsterdam. Nach zwei verpassten Turnieren spielen die Niederlande groß auf. Mehrere Oranje-Spieler werben auch beim Sieg über Österreich speziell für sich.

Besonders oft lacht Frank de Boer nicht in der Öffentlichkeit. Der Trainer der niederländischen Nationalmannschaft ist ein eher nachdenklicher Mann, doch nach dem 2:0-Sieg gegen Österreich erschien plötzlich ein strahlendes Leuchten auf seinem Gesicht. Er war gefragt worden, ob seine Mannschaft nach dem zweiten Erfolg im zweiten Gruppenspiel und dem sehr souveränen Einzug ins Achtelfinale zu den Titelfavoriten bei dieser Europameisterschaft gehöre. Das gefiel de Boer. „Es ist schön, sich qualifiziert zu haben, wir freuen uns“, sagte er über den bereits feststehenden Gruppensieg. Der 50-Jährige wies aber auch auf „eine Menge Sachen“ hin, die es noch „zu verbessern“ gelte, und erklärte: „Ich weiß, wenn wir unser Bestes zeigen, dann können wir jeden schlagen.“

Derart forsche Töne sind neu bei den Niederländern, die nach verpassten Turnierteilnahmen 2016 und 2018 lange von einer Skepsis begleitet wurden, die auch jetzt noch nicht verflogen ist. Aber die Entwicklung dieser Mannschaft hat viele Niederländer überrascht. Denn für Aufsehen sorgen weniger die Stars wie Stefan de Vrij (Inter Mailand), Matthijs de Ligt (Juventus Turin) oder Frenkie de Jong (FC Barcelona), die bei Weltklubs spielen, als Leute, deren Karrieren mit Skepsis betrachtet werden.

Die Stars sind noch im Hintergrund

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Wout Weghorst (28) zum Beispiel, dessen wenig filigrane Spielweise, die ihn beim VfL Wolfsburg aber zu vielen Toren geführt hat, nur schwer mit den Vorstellungen vieler Holländer von einem ästhetisch adäquaten Fußball zusammenpasst.

Oder Memphis Depay (27), der schon ein großartiger Fußballer sein kann, der aber am Versuch scheiterte, sich bei Manchester United zu etablieren. Zuletzt verpasste er mit Olympique Lyon die Teilnahme an der Champions League.

Oder Denzel Dumfries (25), der als Außenverteidiger überwiegend alleine den rechten Flügel beackert, was dem Profi der PSV Eindhoven kaum jemand zugetraut hätte.

Dumfries dürfte nun sehr begehrt sein

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Dumfries war an allen bisherigen niederländischen Turniertreffern beteiligt. Das 1:0 gegen Österreich fiel per Elfmeter, nachdem David Alaba ihn gefoult hatte, das 2:0 schoss er selbst. Gegen die Ukraine gelang ihm das Siegtor, nachdem er die ersten beiden Tore mit energischen Flügelläufen vorbereitet hatte. De Boer lobte „die Geschwindigkeit, die Entschlossenheit und die Kraft“, seiner Mannschaft, die keiner mehr verkörpert als der Eindhovener, der spätestens jetzt ein sehr begehrter Spieler auf dem Transfermarkt werden dürfte. Denn dynamische Außenverteidiger, deren Aktionen bis in den gegnerischen Strafraum hineinwirken, die viel Torgefahr erzeugen, sind begehrt in den großen Ligen.

Depay, der ablösefrei zu bekommen wäre, ist sogar ganz explizit auf der Suche nach einem neuen Verein. Gerne würde er zum FC Barcelona gehen, der aber kaum Geld hat. „Jeder weiß, dass ich unter Ronald Koeman spielen will“, sagte er diese Woche in Anspielung auf den Trainer der Katalanen. Über Weghorst, der im ersten Spiel getroffen hat, wird ebenfalls immer wieder im Zusammenhang mit einem möglichen Wechsel spekuliert. Auch, wenn er im kommenden Jahr mit seinen Wolfsburgern in der Champions League antritt, schadet dieser historisch und international eher bedeutungslose Klub seinem Ansehen in der Heimat. Große Holländer gehören schließlich zu den ganz großen Klubs.

Malen ein Kandidat für den BVB

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Das entscheidende 2:0 am Donnerstagabend gegen die Österreicher durch Dumfries legte unterdessen mit Eindhovens Donyell Malen ein anderer Angreifer vor, um den sich viele Transfermarktgeschichten ranken. Der 22-Jährige soll kurz davor stehen, einen Vertrag bei Borussia Dortmund zu unterschreiben. „Er kann kämpfen, rennen, laufen, schießt viele Tore“, sagte Frank de Boer über den Angreifer. Malen kommt sowohl als Nachfolger für den wechselwilligen Jadon Sancho in Betracht wie auch als Alternative zum Mittelstürmer Erling Haaland.

Das Team der Niederlande ist hochinteressant für alle Beobachter des Transfermarktes und neuerdings auch für die Scouts der deutschen Mannschaft. Denn als Gruppensieger könnte die Elftal auf den dritten des Tableaus mit Frankreich, Portugal und der DFB-Elf treffen.